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Reihe "Rundfunkpioniere"
Ernst Hardt – der erste WDR-Intendant

Als Theaterintendanten wollte Konrad Adenauer ihn nicht, deshalb wurde der Schriftsteller Ernst Hardt der erste Mann an der Spitze des Westdeutschen Rundfunks. Hardt setzte von Beginn im Programm auf Kultur und Bildung – und schaffte es, dass der Sender Weltruf erlangte.

Von Brigitte Baetz | 14.04.2021
Eine Schwarz-Weiß-Aufnahme von Ernst Hardt
1926 wurde Ernst Hardt Künstlerischer Leiter und Vorstand der WERAG, dem Vorgänger des WDR (WDR)
"Geschichtsforschung hat das Angesicht der Völker in zwei unterschiedliche Antlitze geteilt: in das Antlitz vor und in das Antlitz nach der Erfindung der Buchdruckerkunst. Wir glauben, dass dem Rundfunk eine ähnliche Kraft innewohnt, denn er verbreitet wie keine Kraft vor ihm die beiden gewaltigsten Besitztümer, die der Mensch sich auf dem Wege zu Gott geschaffen: Wissen und Kunst."
Um große Worte war er nicht verlegen: Ernst Hardt, der erste Intendant des Westdeutschen Rundfunks, der in den Gründerjahren des Radios noch keine öffentlich-rechtliche Anstalt, sondern eine AG war. 1926 wurde der Schriftsteller, Übersetzer und Theaterregisseur Hardt Künstlerischer Leiter und Vorstand der WERAG, der Westdeutschen Rundfunk-Aktiengesellschaft. Kölns Oberbürgermeister Konrad Adenauer hatte den damaligen Theaterintendanten der Stadt für den Posten empfohlen, wie Hardts Tochter Donata Helmrich später erzählte: "Die mochten sich nicht. Und dann ist Adenauer auf die geniale Idee gekommen, zu sagen: also, im Theater möchte ich ihn nicht haben, aber…"

Kulturprogramm ersten Ranges

Die Politik, so die Doktrin der Weimarer Zeit, sollte keinen Platz im Rundfunk haben, zumindest die Parteipolitik. Und so machte der Schöngeist Ernst Hardt aus dem WDR ein Kulturprogramm ersten Ranges. Donata Helmrich: "Er war der Ansicht, dass die Menschen nicht a priori auf das Billigste eingestellt sind, sondern dass man sie einfach mit einem höheren Anspruch ansprechen muss und dass sie dann ganz willig folgen."
"Hardt wollte eben beweisen, dass der Rundfunk ein ernst zu nehmendes Kunstinstitut ist", erinnerte sich Wilhelm Buschkötter, der erste Dirigent des von Hardt gegründeten Rundfunkorchesters. Auch ein Opernensemble entstand und ein Kammerchor. Herzensangelegenheit war für Hardt jedoch die Radiokunst der Stunde: das Hörspiel. Hier betätigte sich der Intendant regelmäßig als Regisseur.
Erfinderin des Kinderradios
Sie ließ Kinder ans Mikrofon, erfand Hörspiele und das Radio für Kinder – lange, bevor es die "Sendung mit der Maus" gab: Els Vordemberge prägte das Genre Kinderfunk entscheidend mit.
Die Schauspielerin Els Vordemberge, die unter Hardt später den Kinderfunk entwickeln sollte, war Mitglied im Hörspielensemble und beschrieb die besondere Stimmung, in der die Produktionen live über den Sender gingen: "Wir waren in einer, ich würde mal sagen, in so einer gespannten Feierlichkeit. Wir kamen auch festlich angezogen. Und diese gespannte Festlichkeit, wie ich jetzt so sage, die übertrug sich auf das ganze Haus, sogar bis auf den Pförtner, der merkte: Jetzt geschieht etwas."

"Die beste Sendestelle der Welt"

Mit Bildung und Kultur den Menschen zu einem besseren Wesen machen – das war Ernst Hardts Ziel. In den sogenannten "Gesprächen über das Menschentum" diskutierte er die gesellschaftlichen künstlerischen und philosophischen Fragen der Zeit. Und er gründete die Sendung "Stunde des Arbeiters". Karl Holzamer, damals Leiter des Schulfunks, später Intendant des ZDF: "In der Stunde des Arbeiters, die morgens zwischen zehn und elf ausgestrahlt wurde, da war es mehr eigentlich darum zu tun, den beschäftigungslosen Menschen ein Stück Unterhaltung und ein Stück Aufklärung auch zu bieten, um sie einfach auch von der Straße und vor dem Vor-sich-Hinbrüten weg zu bringen. Es gab ja sonst wenig Ablenkungen."
Dank des Senders Langenberg, der auf dem ganzen Globus zu empfangen war, verbreitete sich der Ruf des WDR in alle Welt. Stolz schrieb die "Berliner Weltbühne", dass man in Italien, in der Schweiz und Spanien den Rheinlandsender "den König aller europäischen Sender" oder "die beste Sendestelle der Welt" nennen würde.
Erfinder der Radioreportage
Alfred Braun erfand die Hörfunkreportage, das Mitmachradio, war Deutschlands erster Rundfunksprecher. Seine Rolle in der Nazizeit tat der späteren Karriere keinen Abbruch.
Im Goethejahr 1932 inszenierte deren Intendant Ernst Hardt den zweiten Teil des Fausts, der von den meisten anderen deutschen Sendern gleichzeitig übertragen wurde. Ernst Hardt: "Liebe Hörer des deutschen Rundfunks. An hohen Festtagen pflegt jede Volksgemeinschaft der bedeutungsvollsten Kostbarkeiten sich zu erinnern, die sie besitzt."

Nazis entlassen und verhaften Hardt

Zwei Monate nach der so genannten Machtübernahme wurde Ernst Hardt 1933 mit Hausverbot belegt, ein halbes Jahr später in Untersuchungshaft genommen – wegen Korruptionsverdacht. Wilhelm Tigges, sein gleichfalls entlassener Prokurist, holte den schon erkrankten Ernst Hardt aus dem Kölner Gefängnis Klingelpütz: "Als ich dem Taxichauffeur das Fahrtziel nannte, fragte er mich etwas grielächelnd auf echt Kölsch: Wat wollense hück em Klingelpütz? Ich antwortete ihm, ich wolle dort den verhafteten Intendanten des Westdeutschen Rundfunks Ernst Hardt abholen. Worauf er erwiderte: Dann fahre ick hück umsonst."
Im sogenannten Rundfunkprozess konnte Hardt keine Korruption nachgewiesen werden. Doch der ehemalige Intendant war ein gebrochener Mann, der sich in der Folge mit kleineren schriftstellerischen Arbeiten unter Pseudonym über Wasser hielt. Als er nach dem Krieg das Angebot erhielt, beim neu gegründeten Nordwestdeutschen Rundfunk eines der beiden Funkhäuser in Köln oder Hamburg zu übernehmen, musste der Schwerkranke ablehnen. Er starb 1947.