Rückkehr Russlands in den Weltsport
Viola von Cramon (Grüne): „Der DFB ist zu feige“

Trotz des Krieges in der Ukraine kehrt Russland bei den Paralympics und im Jugendfußball zurück - auch dank deutscher Funktionäre. Das sei eine indirekte Legitimierung des russischen Angriffs, kritisiert die EU-Abgeordnete Viola von Cramon.

Viola von Cramon im Gespräch mit Maximilian Rieger | 30.09.2023
Blick auf die Flagge des Paralympischen Komitees von Russland.
Das IPC lässt Sportler und Sportlerinnen aus Russland wieder zu - allerdings als neutrale Athleten unter neutraler Flagge. (imago images / SNA / Grigory Sysoev via www.imago-images.de)
Para-Athleten und –Athletinnen dürfen nächstes Jahr bei den Paralympischen Spielen in Paris wieder an den Start gehen – zwar unter neutraler Flagge, aber die vollständige Suspendierung hat das Paralympische Komitee IPC aufgehoben.
Ein unvorstellbares Szenario für den Präsident des deutschen Behindertensportverbands, Friedhelm Julius Beucher:
„Das war ein schwarzer Tag für die internationale paralympische Bewegung. Natürlich bin ich enttäuscht, um nicht auch zu sagen, hat mich das Ganze sehr betroffen gemacht“, sagt Beucher gegenüber dem Deutschlandfunk.
Es scheine so, „dass in der internationalen Sportdiskussion Werte wie Respekt, Anstand und Menschenwürde nicht diese Rolle spielen, die wir aus dem europäischen Sport in die internationale Diskussion mitbringen.“

UEFA lässt Jugendteams wieder zu

Auch die UEFA will Nachwuchsteams aus Russland wieder zulassen. DFB-Vizepräsident Hans-Joachim Watzke und Karl-Heinz Rummenigge haben im UEFA-Exekutivkomitee dafür gestimmt. Die Begründung: Es gehe um Kinder, die nichts mit dem Krieg zu tun hätten. Rummenigge sagte gegenüber der BILD-Zeitung:
„Kinder sind die Opfer des Krieges. Sie sind unschuldig und hilfsbedürftig, tragen keinerlei Verantwortung für diesen Krieg und man sollte sie nicht zusätzlich bestrafen. Deshalb habe ich mit ,ja' gestimmt, um ihnen die Teilnahme am Spiel wieder zu erlauben.“

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UEFA-Präsident Aleksander Shiffrin hatte zusätzlich argumentiert, dass ein Ausschluss von Jugendlichen aus den Wettbewerben einer Diskriminierung gleichkomme. Viola von Cramon, deutsche Politikerin und Abgeordnete der Grünen im Europäischen Parlament, sieht das anders:
 „Hier hält der heiße Krieg noch an, die Vernichtung der ukrainischen Bevölkerung hält noch an, und wir gehen schon wieder zum Normalzustand über. Was ist das für ein politisches Signal? Von daher weiß ich nicht, was Herrn Watzke und Herrn Rummenigge geritten hat, aber Anstand, Integrität und wertegeleitete Sportpolitik sicherlich nicht.“

von Cramon über den DFB: "Zu feige würde ich sagen"

Auf DPA-Anfrage antwortet der DFB, dass das DFB-Präsidium das Abstimmungsverhalten von Watzke zur Kenntnis genommen hat und dem Beschluss folgen werde. Eine Pressemitteilung zum Thema hat der DFB nicht veröffentlicht. Viola von Cramon glaubt, der Verband sei zu feige:
„Also erstens in diese Richtung zu stimmen. Zweitens das nicht zu erklären, nicht zu kommunizieren und das dann nicht vernünftig zu vertreten - außer durch ein Bildzeitungs-Zitat - finde ich, wird dem doch sonst sehr selbstbewusst auftretenden DFB nicht unbedingt gerecht,“ beurteilt von Cramon im Interview.
Die Entscheidung der UEFA und des IPC sei ein Schlag ins Gesicht der ukrainischen Athletinnen und Athleten.

Isolierung Russlands sei in allen Bereichen wichtig

„Russland wird diese Entscheidung sowohl von der UEFA als auch vom Internationalen Paralympischen Komitee nutzen für ihre eigene Propaganda“, sagt sie im Deutschlandfunk-Interview und plädiert dafür, dass Russland, solange in der Ukraine geschossen wird und russischen Soldaten sind, auf allen möglichen Ebenen - politisch, sportpolitisch, kulturell - zu isolieren.
„Wenn wir jetzt überlegen, dass Personen wie Herr Rummenigge oder Herr Watzke diesen Angriffskrieg im Grunde legitimieren und relativieren und die Entscheidung oder die Tragweite ihrer Entscheidung nicht überdenken, dann befürworten sie indirekt auch den russischen Angriffskrieg. Und das ist fatal.“
Gleichzeitig importiert die EU weiterhin Gas aus Russland, die Isolation funktioniert also auch auf dieser Ebene nicht. Das sei bedauerlich, denn auch hier sollte man sich von Russland unabhängig machen, findet von Cramon:
„Wir müssen uns wirtschaftlich, müssen uns finanziell, aber wir müssen uns auch auf der sportpolitischen Ebene aus der russischen Umarmung, soweit es eben geht, lösen. Und wie gesagt, dass da immer noch Öl und Gas gezogen wird, da müssen wir daran arbeiten. Das steht außer Frage.“

Zulassung Russlands sei zugleich ein Ausschluss der Ukraine

Eine für von Cramon wichtige Frage scheinen sich IPC und UEFA bei ihrer Entscheidung nicht gestellt zu haben: Wie ein Aufeinandertreffen von Teams aus Russland und der Ukraine ablaufen soll. Dafür gebe es keine Regelungen, argumentiert von Cramon, und für ukrainische Sportler und Sportlerinnen sei eine Zulassung Russlands umgekehrt eine Ausschlusserklärung ihrerseits.
„Und in diesem Sinne, denke ich, bestraft man hier den Angegriffenen anstatt den Aggressorstaat.“
Die Ukraine will alle Wettbewerbe komplett boykottieren, an denen russische Teams teilnehmen. Die Fußballverbände in England, Polen Lettland und Schweden haben angekündigt, Spiele gegen Russland und Belarus zu boykottieren.
Vor allem ein Boykott Schwedens dürfte interessant werden – hier findet kommendes Jahr die U17 Europameisterschaft der Frauen statt. Der Verband hat schon einmal angekündigt, einer möglicherweise qualifizierten russischen Mannschaft die Teilnahme nicht zu erlauben.
Politikerin Viola von Cramon glaubt, dass neben den russischen Teams auch russische Funktionäre aus den Gremien von UEFA, FIFA und IOC hätten ausgeschlossen werden sollen - denn auch sie würden politischen Druck ausüben, auch auf die Entscheidungen der Verbände.