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Vor 225 Jahren gestorben
Wie Katharina die Große aus Russland eine Großmacht machte

Mit 15 Jahren kam die deutsche Prinzessin Sophie nach Russland, weil sie Zarin von Russland werden wollte. 34 Jahre regierte sie als Katharina die Große den Agrarstaat. Als sie am 17. November 1796 starb, hatte sie die Weichen für ein modernes Reich nach europäischem Vorbild gestellt.

Von Regina Kusch | 17.11.2021
Diee russische Zarin "Katharina die Große"
Blick in die Katharinen-Sammlung für die russische Zarin "Katharina die Große" in Zerbst (Landkreis Anhalt-Bitterfeld), aufgenommen am 19.09.2012. (picture alliance / ZB /Jens Wolf)
„Sie trachtete danach, ihren Untertanen Glück, Freiheit und Wohlstand zu verschaffen. Sie war nachsichtig, von heiterem Naturell, hatte eine republikanische Seele und ein gutes Herz.“
Diese Selbstbeschreibung hatte Zarin Katharina II. für ihren Grabstein verfasst. Als sie am 17. November 1796 starb, hatte sie Russland zu einer Großmacht an der Schwelle zur Moderne aufgebaut, so der Osteuropahistoriker Vitali Taichrib von der Freien Universität Berlin.
„Die wesentlichen Verdienste sind, dass sie versuchte das Land zu modernisieren, indem sie verschiedene Reformprojekte anging, einmal Verwaltungsprojekte, sie hat dieses Imperium weiter expandieren lassen. Gleichzeitig hat sie das Schulwesen in den Städten ausgebaut, hat durch eine Verbreitung von Literatur in massiverer Art und Weise dafür gesorgt, dass eine Art Intelligenzia entstehen konnte in diesem russländischen Imperium.“

"Ich wollte Russin sein, um von den Russen geliebt zu werden“

Ihr Leben lang hatte sie sich als Anhängerin der Aufklärung gesehen, als eine Herrscherin, die vorrangig ihrem Volk dienen wollte. Schon als junge Frau las sie Werke von Voltaire, mit dem sie jahrelang korrespondierte. Auf Betreiben des Preußenkönigs Friedrich II. heiratete sie im September 1745 Peter Fjodorowitsch, den 17-jährigen Großfürsten und designierten russischen Zaren.
In ihren Erinnerungen schrieb sie später:  „Ich glaube aber, in Wahrheit lag mir an der russischen Krone mehr als an seiner Person. Ich wollte Russin sein, um von den Russen geliebt zu werden.“
Katharina die Große als große Statue in Marx. Tausende Einwanderer aus Deutschland folgten ihrer Einladung nach Russland und bauten in den 1760er Jahren über hundert Ortschaften an der unteren Wolga auf.
Katharina die Große als Statue in Marx. Sie ließ Deutsche an der Wolga ansiedeln im 18. Jahrhundert. (Thielko Grieß / Deutschlandradio)
Aus Prinzessin Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst wurde die Großfürstin Katharina Alexejevna. Die 16-Jährige konvertierte zum orthodoxen Glauben und lernte schnell die russische Sprache. 17 Jahre lebte sie an der Seite Peters, ihres ungeliebten Mannes, der ihren außerehelichen Sohn Paul als Thronfolger anerkannte. 1762, Zar Peter III. regierte erst ein halbes Jahr, tolerierte sie einen Staatsstreich, bei dem er entthront wurde und aus nie ganz geklärten Gründen zu Tode kam. Die von ihm begonnenen Reformen führte Katharina als seine Nachfolgerin weiter.

Der Adel zerredete ihre Reformen

„Wenn man in ein Dorf kommt und einen Bauern fragt, wie viele Kinder er hat, wird er sagen zehn, zwölf oder sogar zwanzig. Und wie viele leben davon? Dann sagt er, eins, zwei oder drei, selten vier.“
Zarin Katharina ließ die Bevölkerung gegen Pocken impfen und senkte damit die Kindersterblichkeit erheblich. Außerdem wollte sie die Abschaffung der Leibeigenschaft durchsetzen. 1767 beauftragte sie eine Kommission, die eine neue Gesetzgebung für Russland ausarbeiten sollte. Die bestand zum größten Teil aus Adeligen, die ihre wirtschaftlichen Interessen gefährdet sahen. Sie verliehen der Regentin zwar den Titel „die Große“, ihre Reformen jedoch zerredeten sie. Das Gremium vertagte sich nach einem Jahr auf ungewisse Zeit, nicht ohne die Macht des Adels noch ausgebaut zu haben.
„Wir haben Katharina, die sich Idealen der Aufklärung hingibt und gleichzeitig aber die Rechte von Leibeigenen beschneidet. Und im Prinzip zu einem Tiefpunkt in dieser Geschichte der Unfreiheit führt. Und erst hundert Jahre nach dem Amtsantritt von Katharina wird die Leibeigenschaft aufgelöst.“

Bevölkerungsanstieg von 20 auf 36 Millionen

Während die rechtlose Landbevölkerung immer unzufriedener wurde, tat die Zarin ihr Scheitern bald als Jugendsünde ab und ließ fünf Jahre später den Kosaken-Aufstand unter Jemeljan Pugatschow blutig niedergeschlagen.
„Ihr Philosophen habt es gut. Ihr schreibt auf Papier, und Papier ist geduldig. Ich unglückliche Kaiserin schreibe auf der empfindlichen Haut von Menschen.“
Unter ihrer Regierung stieg die Einwohnerzahl von geschätzten 20 auf etwa 36 Millionen. Tausende Einwanderer aus Deutschland folgten ihrer Einladung und bauten in den 1760er-Jahren über hundert Ortschaften an der unteren Wolga auf. Zwei Türkenkriege und die Annektierung der Krim sicherten Russland den Zugang zum Schwarzen Meer. Mit drei Teilungen Polens vergrößerte sie das Land im Westen um eine halbe Million Quadratkilometer. Als Katharina die Große mit 67 Jahren den Folgen eines Schlaganfalls erlag, hinterließ sie ein multiethnisches Reich.