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Sportverbände und IOC-Empfehlung
Russische Offiziersanwärterin bei Judo-WM

Laut IOC sollen einzelne russische und belarussische Sportlerinnen und Sportler wieder an Wettbewerben teilnehmen dürfen, wenn sie den Ukraine-Krieg nicht unterstützen. Die Umsetzung liegt bei den Sportverbänden. Und die gehen das unterschiedlich an.

Von Maximilian Rieger |
Die deutsche Judoka Giovanna Scoccimarro (r.) im Duell mit Madina Taimazova aus Russland, einer Offiziersanwärterin der russischen Armee.
Die deutsche Judoka Giovanna Scoccimarro (r.) im Duell mit Madina Taimazova aus Russland, einer Offiziersanwärterin der russischen Armee. (IMAGO / GEPA pictures / IMAGO / GEPA pictures / Mathias Mandl)
Es ist die erste Medaille für den Deutschen Judo Bund bei der WM Katar: Giovanna Scoccimarro gewinnt in der Gewichtsklasse bis 70 Kilo Silber. Auf dem Weg ins Finale muss Scoccimarro gegen Madina Taimazova kämpfen. Sie ist eine von 19 russischen Judoka, die der Weltverband zugelassen hat. Aber hätte der Judo-Weltverband die Vorgaben des IOC ernst genommen, hätte Taimazova wahrscheinlich nicht antreten dürfen.
Denn auf der Website des Armeesportclubs ZSKA wird sie als Offiziersanwärterin der russischen Armee geführt. Auch zu acht weiteren russischen Judoka finden sich solche Einträge, einige sollen sogar Offiziere sein.
Sie kämpfen trotzdem in Doha. Obwohl der Weltverband IJF eine Firma beauftragt hat, um die Mitglieder der Delegation zu überprüfen.

Deutscher Judo-Bund: "Nicht zufriedenstellend"

„Also wir selber haben keine Dokumente gesehen. Wir haben die Informationen entsprechend bekommen, die auch schon im Vorfeld von der IJF an die Nationen kommuniziert wurden. Man möchte natürlich den Datenschutz von jedem einzelnen wahren und insoweit sieht man sich da auch nicht in der Lage, weitergehende Informationen herauszugeben aktuell. Das ist tatsächlich ein Punkt, der nicht ganz zufriedenstellend ist", sagt der Vorstandssprecher des Deutschen Judo-Bundes, Frank Doetsch.
Laut Weltverband hat die Firma unter anderem Social-Media-Konten und Sanktionslisten überprüft. Weil alle russischen Judoka aber Dokumente vorgelegt haben, die zeigen sollen, dass sie an einem Trainingszentrum angestellt sind, wurden sie zugelassen. Acht Mitglieder der Delegation wurden hingegen ausgeschlossen.

Kein Kommentar vom Judo-Weltverband

Auf Nachfrage beim Weltverband erhält der Deutschlandfunk keine Auskunft darüber, warum bei den Checks nicht aufgefallen ist, was man durch googlen herausfinden kann: Dass offenbar russische Offiziere teilnehmen.
Dabei hatte IOC-Präsident Thomas Bach Ende März deutlich empfohlen, dass keine Militärangehörigen zugelassen werden sollten. Das IOC habe aber nicht die Kapazität, die Hintergrundchecks von einzelnen Sportarten wie Judo zu überprüfen, so ein IOC-Sprecher.
Und so zeigt das Beispiel Judo, wie schwer sich die Verbände im Weltsport damit tun, einen Umgang mit dieser Empfehlung zu finden. Das IOC hat zwar angeregt, dass sich die Verbände auf ein einheitliches Verfahren einigen – bisher ist das aber nicht passiert. Auch hier sieht sich das IOC nicht in der Verantwortung.

Der Weltsport ist gespalten

Und so ist der Weltsport gespalten: In der Leichtathletik, im Pferdesport oder in den Teamsportarten bleibt es beim Komplett-Ausschluss von Russland. Im Radsport, Ringen oder Fechten will man der IOC-Empfehlung folgen.
Der Fecht-Verband hat offenbar bereits erste Background-Checks durchgeführt.
"Wir haben eine Liste von russischen Säbel-Fechtern erhalten, die vom Weltverband für internationale Wettkämpfe zugelassen wurden – und sie enthält keine Namen, die der Sportwelt bekannt sind", beklagt der russische Fecht-Präsident gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur TASS. Unter den ausgeschlossenen Athletinnen befinden sich Olympiasiegerinnen. Der russische Fechtverband droht jetzt mit Boykott.
Das könnte wiederum den ukrainischen Fechterinnen und Fechtern eine Teilnahme ermöglichen. Im Moment gibt es von der ukrainischen Regierung die Anweisung, an keinem Wettbewerb teilzunehmen, bei denen auch Russen mit dabei sind.

Kanu-Weltverband sucht den Mittelweg

Auch im Kanu stellt sich die Frage nach dem Umgang mit russischen Athletinnen und Athleten – in drei Monaten findet in Duisburg die Sprint- WM statt. Der Weltverband versucht, einen Mittelweg zu finden: Prinzipiell will der Weltverband einzelne russische Kanutinnen und Kanuten wieder zulassen.
Aber der Verband hat einen Passus in seine Entscheidung aufgenommen, der einen Ausschluss durch die Hintertür bewirken könnte: Wenn ein Veranstalter von einem Event aufgrund der russischen Teilnahme die Sicherheit nicht gewährleisten kann,  könnten die Organisatoren die Russen wieder ausladen, sagt Weltverbandspräsident Thomas Konietzko im Deutschlandfunk Players-Podcast: „Wir bitten alle unsere Ausrichter, die Bedingungen zu schaffen, dass neutrale Russen teilnehmen können. Wenn sie es dann aber nicht können, wenn sie befürchten, dass es Demonstrationen gibt, wenn sie befürchten, dass sie Sicherheitsmaßnahmen dort umsetzen müssen, die sie einfach nicht leisten können, dann werden die Russen nicht teilnehmen und dann können die Ukrainer teilnehmen.“

Passus kommt deutschem Verband gelegen

Und mit Blick auf die WM in Duisburg sagt der Präsident des Deutschen Kanu-Verbandes Jens Perlwitz: Der Verband wird nicht sicherstellen können, dass es bei den Rennen nicht zu Eingriffen von Außen kommt. "Wir können nicht garantieren, dass dieser gesamte große Bereich so abgesichert werden kann, dass man frühzeitig eingreifen kann."
Der Passus kommt dem deutschen Verband auch gelegen – man war von Beginn an gegen eine Teilnahme von Russland und Belarus.
Was für Proteste es geben kann, hat ein Auftritt von Thomas Bach in Essen im März gezeigt. Damals haben rund 200 Menschen gegen eine Wiederzulassung demonstriert.