Die Klub-WM ist die perfekt inszenierte Fußball-Show – oder zumindest das, was die FIFA darunter versteht. Die besten Vereins-Teams der Welt marschieren zu einer Lichtershow ins Stadion, bis zum Anpfiff wummern Bässe durch die Arena in Dschidda.
Die ist zwar nicht immer ganz gefüllt, aber Fans wie Ziad sind trotzdem begeistert. “Wir sehen zum ersten Mal Manchester City in Saudi-Arabien, das ist historisch! Diese Klub-WM bedeutet uns viel – und das ist erst der Start für die WM der Nationalteams, die – so Allah will – nach Saudi-Arabien kommt.“
Fußball-WM 2034: Chancen für Saudi-Arabien stehen gut
Die Chancen dafür stehen sehr gut, für die WM 2034 gibt es mit Saudi-Arabien nur einen Bewerber. Und anders als in Katar gibt es im Nachbarstaat unzählige junge Menschen, die genauso euphorisch wie Ziad sind, wenn es um Fußball geht. Dass er jetzt ein paar der besten Teams der Welt in seiner Heimatstadt sehen kann, verdankt Ziad vor allem einem Mann: Kronprinz Mohammed bin Salman.
„Wir sind sehr dankbar und wir verfolgen mit ganzer Kraft die Vision 2030. Das ist unsere Vision, nicht nur die von Kronprinz Mohammad bin Salman. Und wir werden die Vision mit ganzer Leidenschaft weiterverfolgen und erreichen.“
Sport als Werkzeug für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik
Die Vision 2030 – sie ist allgegenwärtig in Saudi-Arabien. Es ist der Plan für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformation des Landes. Der Sport sei daher nicht nur ein Mittel, um von Menschenrechtsverletzungen abzulenken und das Image im Ausland zu verbessern, meint der Politikwissenschaftler Sebastian Sons. Der Sport ist auch Werkzeug für die Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik im Inneren.
„Dementsprechend sind diese Investitionen, die wir in den Sport sehen, auch ein Element dieser Politik der jungen Bevölkerung zu zeigen, dass sich etwas im Land tut, dass man auch einen gewissen Patriotismus, auch ein Nationalismus schüren möchte bei der jungen Bevölkerung über diese Sportaktivitäten. Und es soll auch darum gehen, zum Beispiel den Breitensport zu fördern. Es soll darum gehen, dass mehr junge Menschen, mehr Frauen Sporttreiben. Das hat einerseits damit zu tun, weil man damit eine gewisse Art der sozialen Resilienz herstellt. Das heißt, wer Sport treibt, ist fitter. Und wer fitter ist, ist auch wirtschaftlich produktiver", sagte Sons im Deutschlandfunk.
Der Sport ist aber auch ein Ort, wo gesellschaftlicher Fortschritt sichtbar wird.
Zweite Saison der saudische Fußball-Liga für Frauen
Riad, an einem Samstag-Abend im Dezember. Flutlicht erleuchtet das Prince Faisal Stadion. Wie vor jedem Spiel der ersten Fußball-Liga ertönt die saudische Nationalhymne. Auf dem Platz stehen aber keine Männer, sondern Frauen. Bis 2018 durften Frauen in Saudi-Arabien offiziell noch nicht mal Autofahren. Jetzt geht die höchste saudische Fußball-Liga für Frauen in ihre zweite Saison.
An diesem Abend treffen Al Shabab und Al Riyadh aufeinander – und die Spielbedingungen sind teils besser als bei Bundesliga-Spielen der Frauen in Deutschland. Das Team von Al Shabab spielt in der gleichen Arena, in der auch die Männer spielen, der Rasen sieht aus wie ein grüner Teppich. Von den 22.000 Plätzen sind allerdings nur ca.150 gefüllt, vor allem von Freundinnen und Familie der Spielerinnen.
"Mohammed bin Salman hat vieles für Frauen möglich gemacht"
Ältere Frauen mit Kopftuch sitzen neben stark geschminkten, jungen Frauen ohne Kopftuch. Eine von ihnen ist Noaf: „Mohammed bin Salman hat hier in Saudi-Arabien vieles für Frauen möglich gemacht. Frauen können Auto fahren, Frauen können arbeiten, Frauen können machen, was sie wollen. Und das ist besser für uns, dass wir nicht mehr nur hinter unseren Ehemännern im Schatten stehen, sondern den Menschen zeigen können, zu was eine saudische Frau alles fähig ist.“
Männliche Vormundschaftssystem wurde abgeschwächt
Die Grenzen dafür setzt aber der Staat. Wer sie überschreitet, muss mit drakonischen Strafen rechnen. Die Aktivistinnen, die sich gegen das Fahrverbot eingesetzt haben, wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt und dürfen immer noch nicht reisen. Eine Warnung an alle, die aufbegehren wollen.
Und das männliche Vormundschaftssystem wurde zwar abgeschwächt – für eine Heirat braucht eine Frau aber immer noch die Erlaubnis zum Beispiel ihres Vaters. Trotzdem: Auch durch so etwas wie die Fußball-Liga für Frauen setzt der saudische Staat ein Zeichen, dass sich die Zeiten wandeln.
Der Staat eröffnet den Menschen im Land Möglichkeiten, aus dem strengen religiösen Korsett auszubrechen, in dem Saudi-Arabien jahrzehntelang gesteckt hat. Nicht nur durch den Fußball.
Saudi-Arabien präsentiert sich auf der internationalen Sportbühne
Am gleichen Tag, an dem die Frauen von Al-Shabab 9:2 gegen Al Riyadh gewinnen, findet in Riad auch ein internationales Springreitturnier statt. Seit sich das Land geöffnet hat, richtet es ständig größere und kleinere Events in diversen Sportarten aus, vom Formel 1 Grand Prix bis zum Handball-Weltpokal. Für die Mittelschicht des Landes ein willkommener Wandel. Ein Besucher, ein Arzt aus Riad, erzählt, dass er früher viel ins Ausland gereist ist. Jetzt muss er das nicht mehr.
“Meine letzte Auslandsreise ist eine Weile her. Hier in Saudi-Arabien findet man Sport-Events, Musik-Festivals oder Shopping-Möglichkeiten – deswegen gibt es diesen Drang zum Verreisen nicht mehr so.“
Milliarden-Projekt Trojena: ein Skigebiet für Saudi-Arabien
Wie weit die Regierung geht, um der eigenen Bevölkerung etwas zu bieten, sieht man auch im Hochgebirge im Nordwesten des Landes. Hier fressen sich Bagger durch die karge, steinige Landschaft.
Die Felsen müssen weichen für eine Wasser-Pipeline, die hunderte Kilometer lang ist. Denn obwohl es nur selten schneit oder regnet, entsteht hier ein Skigebiet: Trojena. Ein Milliarden-Projekt. Schon in wenigen Jahren sollen hier hunderttausende Touristen die Hänge hinunterfahren.
Der Graben, der für die Pipeline nötig ist, durchzieht die Bergketten bereits jetzt schon – und die Bagger graben weiter, neben Schildern auf denen steht: „Bitte nicht stören – Naturschutzgebiet“. Trojena ist ein Projekt, das zeigt, was möglich ist in einem Land mit viel Geld, viel Platz und einer unterdrückten Zivilgesellschaft.
Saudischer Fußballpräsident: "Wir hören nicht auf Kritiker"
Kritik von außen, dass all die Investitionen vor allem Sportwashing seien? Das interessiert zumindest den Präsidenten des saudischen Fußball-Verbandes, Yasser Al Misehal, nicht.
"Wir hören nicht auf die Kritiker. Wir machen einfach weiter. Wir haben Ziele, die wir erreichen möchten und wir sind stolz darauf, was wir tun. Wir respektieren die Meinung von allen, aber ich rate immer dazu, erstmal hier hin zu kommen – dann darf man kritisieren, so viel man möchte. Also: Wir kommen sehr schnell voran und um ehrlich zu sein, haben wir keine Zeit, den Kritikern zu zuhören oder ihnen zu antworten."
Entscheidungsträger in Saudi-Arabien haben also einen klaren Plan, wie sie den Sport für ihre Zwecke nutzen können – und verfolgen ihn konsequent.