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Vor 525 Jahren in Florenz
Als Savonarola das "Fegefeuer der Eitelkeiten" entfachte

Das „Fegefeuer der Eitelkeiten“ vom 7. Februar 1497 war der Höhepunkt seiner Herrschaft über Florenz: Der Dominikanermönch Girolamo Savonarola war ein frommer Fanatiker und wollte Stadt und Kirche vom Laster befreien. Bald endete er auf dem Scheiterhaufen.

Von Christoph Schmitz-Scholemann | 07.02.2022
Die Hinrichtung Girolamo Savonarolas 1498 auf der Piazza della Signoria" in Florenz. Dargestellt auf einem anonymen, zeitgenössischen Gemälde
Gefoltert, gehängt und dann verbrannt: Darstellung der Hinrichtung Girolamo Savonarolas 1498 auf der Piazza della Signoria in Florenz - ein Jahr nach dem "Fegefeuer der Eitelkeiten" (picture-alliance / akg-images)
Ein solches Karnevalsfeuer wie das vom 7. Februar 1497 hatte Florenz noch nie gesehen. Ein 15 Meter hohes Holzgerüst ragte auf der Piazza della Signoria in den Nachthimmel. Es sah aus wie eine Stufenpyramide und war mit Gräsern, Kleinholz und Schießpulver bedeckt. Kinder und Jugendliche hatten in den Tagen zuvor die Utensilien der in Florenz damals üblichen Karnevalsorgien eingesammelt, um sie zu verbrennen. Ein Zeitgenosse berichtet:
„Auf den Stufen der Pyramide waren all die Eitelkeiten und die unzüchtigen Dinge platziert … Tuche mit schamloser Bemalung, Gemälde der schönsten Frauen von Florenz, Spieltische, Karten, Würfel, Liederbücher, Harfen, Dudelsäcke, Perücken, Schleier, Spiegel, Parfums, unzüchtige Bücher, Masken, Kostüme …“

Florenz sollte als neues Jerusalem erblühen

Als der Scheiterhaufen brannte, sangen die Umstehenden fromme Hymnen auf Jesus Christus und die Jungfrau Maria. Als „Fegefeuer der Eitelkeiten“ ging dieses Spektakel in die Geschichte ein. Es sollte den Anbruch eines neuen Zeitalters ankündigen und das Ende der Herrschaft des Geldes und der verrotteten Sitten in der Stadt und der Kirche. Florenz sollte als das neue Jerusalem erblühen, ein Ort der Demokratie, des einfachen christlichen Lebens und sozialer Gerechtigkeit. Der Anführer dieser Revolution war ein fünfundvierzigjähriger, hagerer Dominikanermönch mit stechendem Blick, Girolamo Savonarola aus Ferrara. Er hatte schon in jungen Jahren Gedichte über die Sittenverderbnis in Italien geschrieben.
„Vor Hurenwirten liegt die Welt am Bauche /
Schweinen zu schmeicheln hat man heut im Brauche."
Als Savonarola sechs Jahre vor dem Fegefeuer Prior der Dominikaner-Abtei in Florenz wurde, lag alle Macht in den Händen der Bankiersfamilie Medici: Im undurchsichtigen Mächtespiel zwischen den italienischen Stadtrepubliken, dem korrupten römischen Kirchenstaat, der muslimischen Macht im Osten, dem französischen König und dem deutschen Kaiser, versuchte man in Florenz einzig die Interessen der Bankiers und der mit ihnen verbandelten Kirche zu retten. Da wollte Savonarola nicht mitmachen:
„Ihr gottlosen Knechte, wälzt euch weiter im Schmutz, mögen Eure Lenden mit Wollust gefüllt sein und Eure Hände voll vom Blut der Armen … eure Seelen aber werde ich ins Feuer werfen!“

Eine militante Jugendbewegung der Tugend

Das Volk lauschte Savonarolas Predigten umso faszinierter, als er immer wieder mit Prophezeiungen aufwartete, die sich erstaunlich oft und zeitnah bewahrheiteten. Aus den Kindern und Jugendlichen, die an seinen Lippen hingen, formte er innerhalb weniger Jahre eine Art Bürgerwehr, die mit Stöcken bewaffnet durch Florenz zog und Prostituierte und Homosexuelle verfolgte. Von den Bürgern erbettelten die Kinder derart aufdringlich Almosen, dass ihre Kollekten eher Raubzügen glichen. Und auch den Reichtum der Kirche wollte Savonarola abschaffen:
„Ihr habt so viele überflüssige Kelche, Messgewänder, Kreuze und Gefäße aus Gold und Silber. Warum schmilzt man sie nicht ein und gibt das Geld den Armen?“

Der Papst bangte um sein vatikanisches Bordell

Mit dem Karnevalsdienstag des Jahres 1497 hatte der fromme Tugend-Terror in Florenz seinen Höhepunkt erreicht. Der Abstieg ließ nicht lange auf sich warten. Papst Alexander VI., der aus dem Vatikan ein luxuriöses Familien-Bordell und aus der Kirche einen mafiösen Clan gemacht hatte, exkommunizierte Savonarola.

Savonarola - verdammt und noch heute verehrt

Der kam vor Gericht, wurde gefoltert und im Mai 1498 erst gehängt und dann verbrannt. Und doch: So sehr sich Savonarola in Fanatismus verirrt hat – sein Kampf für ein Christentum der einfachen Leute wirkte fort und inspirierte große Theologen von Martin Luther bis Ivan Illich. Die evangelische Kirche verehrt ihn heute als Märtyrer. Und 1998 leitete der damalige Papst Johannes Paul II. ein Verfahren zur Seligsprechung Savonarolas ein, das bis heute nicht abgeschlossen ist.