Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Vor 75 Jahren gegründet
Schutzgemeinschaft Deutscher Wald - zwischen Umweltschutz und Forstwirtschaft

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren weite Teile Deutschlands entwaldet. Um die Wälder wieder aufzuforsten und einen weiteren Waldverlust zu verhindern, gründeten heute vor 75 Jahren 500 Bürgerinnen und Bürger die „Schutzgemeinschaft Deutscher Wald“.

Von Monika Seynsche | 05.12.2022
Ein Hinweisschild mit der Aufschrift "Pflanzaktion" unter dem Logo der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald" steht an der Zufahrt zum Stadtwaldgebiet der Stadt Wernigerode. Sie zählt zu großen kommunalen Waldbesitzern in Deutschland.
Hinweis auf eine Pflanzaktion der "Schutzgemeinschaft Deutscher Wald" im April 2022 in Wernigerode, Sachsen-Anhalt. (picture alliance / dpa / Matthias Bein)
Die Kriegswinter waren kalt in Deutschland, und die Menschen brauchten Brennholz. Ganze Wälder wurden abgeholzt. Nach 1945 kamen dazu die Reparationszahlungen, die Deutschland zu leisten hatte, auch in Form von Holzeinschlägen.
„Sie müssen sich vorstellen, nach dem Krieg waren ungefähr zehn Prozent der Waldfläche in Deutschland zerstört. Und diese zehn Prozent hat man einfach gesehen in der Natur, im Wald, und dann hat man tatsächlich gesagt, wir brauchen eine Initiative, um diese Wälder wieder aufzuforsten, um neuen Wald zu begründen und zu schaffen, und das war so die Geburtsstunde im Prinzip der SDW. Wir sind so als eine der ersten Bürgerinitiativen von Deutschland aktiv geworden und haben uns darum bemüht, diese Wälder wieder aufzuforsten, neue Bäume zu pflanzen, auch zum Beispiel durch Saat wurden neue Bestände begründet, um diese Schäden im Wald eben zu beheben.“

Konrad Adenauer unter den Gründungsvätern

Am 5. Dezember 1947 gründeten 500 Bürgerinnen und Bürger in Bad Honnef bei Bonn die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, kurz SDW. Christoph Rullmann ist ihr Bundesgeschäftsführer. Von Anfang an habe die Schutzgemeinschaft sehr eng mit der Politik zusammengearbeitet, sagt er.
„Einer unserer Gründungsväter ist auch tatsächlich Konrad Adenauer gewesen. Also man hat sich gesagt, okay, wer kann hier auch, sagen wir in diesem Spiel mit den Alliierten, die damals ja politisch sehr entscheidend waren in Deutschland ins Gespräch gehen und kann dort eben auch Unterstützer gewinnen, um dem Wald zu helfen. Und das hat man eben dann mit diesen Politikern getan, die auch teilweise auf unserer Gründungsurkunde unterschrieben haben.“

Waldpädagogik via Wald-Schulen und -Jugendheimen

Mit dieser Strategie war die Schutzgemeinschaft sehr erfolgreich. Schon zwei Jahre nach ihrer Gründung hatte sie ein Ende des Holzeinschlags durch die Alliierten bewirkt. Es folgten Aufforstungsprogramme und immer wieder Baumpflanzaktionen. Daneben wurde die Waldpädagogik ein wichtiger Aufgabenbereich. Es entstanden Informationskampagnen zur Bedeutung des Waldes, Waldjugendheime und Waldschulen wurden gegründet. Während des Waldsterbens in den 1980er-Jahren setzte sich die Schutzgemeinschaft für eine Verminderung der Schwefeldioxidemissionen ein. Unter den deutschen Umweltschutzorganisationen nehme sie trotzdem eine Sonderstellung ein, sagt der Waldpolitik-Forscher Michael Suda von der Technischen Universität München.
„Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald ist anders als andere Naturschutzverbände. Es geht weniger um detaillierte Inhalte, wie Wald bewirtschaftet werden soll und was da getan wird, sondern es geht überwiegend in erster Linie um den Erhalt dieses Waldes und gleichzeitig pragmatisch gesehen um den Erhalt einer ordnungsgemäßen, nachhaltigen Forstwirtschaft.“

Lage des Waldes weiterhin prekär

Der sehr pragmatische Ansatz der Schutzgemeinschaft zeige sich auch daran, dass sie als einziger Naturschutzverband Mitglied des Forstwirtschaftsrates ist, dem Dachverband der Deutschen Forstwirtschaft. Sie nehme damit auch eine Mittlerrolle ein zwischen den anderen Umweltorganisationen und der Forstwirtschaft. Trotz aller Bemühungen allerdings stehe es um den Wald heute ähnlich schlecht wie vor 75 Jahren, sagt der Bundesgeschäftsführer der Schutzgemeinschaft Christoph Rullmann. Schuld daran sei der Klimawandel und besonders die Dürrejahre seit 2018.
„Wenn man guckt, dann ist momentan in Deutschland eine Fläche so groß wie das Saarland tatsächlich und sogar noch mehr geschädigt. Wir haben die ganzen Zahlen von diesem Jahr noch gar nicht vorliegen, was dieses Jahr wieder an Schadfläche hinzugekommen ist, und das wird viele Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte dauern, um diese Bestände wieder mit funktionierenden Wäldern sozusagen auch zu bestocken.“
Dem aktuellen Waldzustandsbericht zufolge haben nur 21 Prozent aller untersuchten Bäume in Deutschland noch eine intakte Krone. Gerade Fichten werden von der zunehmenden Trockenheit geschwächt und dadurch zum leichten Opfer für Borkenkäfer. Besonders Monokulturen sind anfällig. Wichtig sei es deshalb für die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, einen Umbau der Wälder hin zu klimastabilen Mischwäldern voranzutreiben, sagt Michael Suda.
„Ich glaube, die größte Herausforderung, die gegenwärtig da ist, ist diese Transformation der Wälder, die wir nach den Trockenjahren entsprechend gesehen haben, mit eigenen Augen draußen, was ein Zeichen ist, wie sich Temperaturerhöhung, Klimawandel, auf diese Wälder auswirken kann und wie schnell das insgesamt gehen kann. Also ist die große Herausforderung: wie können diese Wälder der Zukunft aussehen, damit sie die Wirkungen, die sie entsprechend entfalten, für Natur, Umwfelt und Mensch auf der anderen Seite weiterhin in dieser Form erhalten werden können.“
Gelingt der Umbau der Wälder, bleibt auch der Lebensraum unzähliger anderer Pflanzen und Tiere erhalten.