Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Schwarz-gelbe Ängste in Sachsen

Gleich drei Mal werden die Sachsen im nächsten Jahr an die Urnen gerufen. Spannend werden die Kommunal-, Europa- und die Landtagswahlen nicht zuletzt für die FDP. Im Freistaat spüren die Liberalen den Atem der AfD-Eurokritiker besonders heiß im Nacken.

Von Nadine Lindner | 10.10.2013
    "Herzlich Willkommen zur Wahlsondersendung aus unserem Wahlstudio hier in Dresden."

    Sachsen hat gewählt und die Ergebnisse, die beim MDR über die Bildschirme flimmerten, werden die Landespolitiker noch eine Weile beschäftigen. Im kommenden Jahr stehen im Freistaat nicht nur Europa- und Kommunalwahlen sondern vor allem die Landtagswahl an. Da in Sachsen nach wie vor Schwarz-Gelb regiert, wird diese Wahl spannend – vor allem für die aus dem Bundestag geflogene FDP. Aber auch die Alternative für Deutschland wird kräftig mitmischen. Denn die AfD schaffte es in jedem sächsischen Wahlkreis über die Fünf-Prozent-Hürde und kam landesweit auf 6,8 Prozent.

    "Sachsen hat bei der Bundestagswahl das beste Ergebnis aller Bundesländer im Vergleich erzielt. Und darüber freuen wir uns natürlich."

    Frauke Petry, mit Bernd Lucke Teil der Führungsspitze auf Bundesebene und Landesvorsitzende in Sachsen, sitzt in ihrer Firma in Leipzig und hat das neue Ziel der AfD fest im Blick: die Landtagswahl. Kann die noch junge Partei das Ergebnis der Bundestagswahl wiederholen, ist ihr der Einzug in den Dresdner Landtag sicher.

    "Das Jahr 2014 wird in jeglicher Hinsicht ein Super-Wahljahr. Wir werden jetzt als nächstes uns auf Landtagswahl- und Kommunalwahlprogramm vorbereiten."

    AfD drin, seine FDP draußen - eine Horrorvorstellung für Holger Zastrow. Mit wehendem Mantel eilt der FDP-Fraktionsvorsitzende zum Interview in den Landtag. Er kommt von einer Stadtratssitzung - Basisarbeit. Glücksritter nennt er die AfD-ler abschätzig. Glücksritter, die von Wechselwählern profitierten, die heute dies morgen das wählen – was für Ostdeutschland typisch sei.

    "Wir haben hier eine sehr bewegliche Wählerschaft. Und dass die FDP mal hinter Glücksrittern, wie es die AfD aus meiner Sicht ist, einfährt, das ist ganz oft der Fall. Aber die haben überhaupt keine landespolitische Kompetenz. Die haben keine einzige landespolitische Antwort. Und über den Euro wird doch nicht bei den Landtagswahlen entschieden."


    Mehr Beiträge zur Regierungsbildung auf unserer Themenseite "Regierung gesucht"


    Zastrow vergleicht die AfD immer wieder mit der Piratenpartei, die nach einem Höhenflug gerade erst einen Absturz erlebt hat. Es drängt sich also der Eindruck auf, als hoffe der Liberale, dass sich das mit der Alternative irgendwie von alleine erledige. Sein CDU-Kollege Steffen Flath dagegen fährt eine ganz andere Strategie: Er nimmt die AfD als Konkurrenz ernst, die von einer diffusen Angst der Wähler vor zu hoher Verschuldung profitiert. Flath will das in seinem Landtagswahlkampf selbst thematisieren.

    "Und deshalb fürchte ich die AfD im Landtagswahlkampf nicht. Es ist ja bekannt, dass ich ja innerhalb der CDU immer wieder darauf hingewiesen habe, dass es sträflich ist, wenn wir die konservative Seite vernachlässigen."

    Flath will Sachsen mit seinem soliden Haushalt als Gegenmodell zum hoch verschuldeten Griechenland präsentieren. Und seiner bürgerlichen Wählerschaft damit signalisieren, seine CDU habe alles im Griff. Auf die Frage aber, ob er sich denn Sorgen mache, dass die FDP ihm auch auf Landesebene als Koalitionspartner abhandenkommen könnte, fällt die Antwort weniger engagiert aus.

    "Das ist zu früh, darüber zu spekulieren. In Sachsen wird voraussichtlich in elf Monaten gewählt."

    Auf Hilfe der CDU kann die Sachsen-FDP also nicht zählen. Und so merkt man dem Liberalen Holger Zastrow die Angst richtig an, sich mit dem Abwahl-Virus seiner Bundespartei zu infizieren. Der FDP-Fraktionschef weiß, wovon er spricht: Von 1994 bis 2004 war seine Partei nicht im sächsischen Landtag vertreten. Zastrow rät zu kommunalem Engagement. Er selbst ist bis heute auch Mitglied im Dresdner Stadtrat.

    "Wir haben eine richtig starke kommunale Basis. Und die hat uns über die außerparlamentarische Zeit im Landtag getragen."

    Soweit ist die Alternative für Deutschland im Freistaat noch lange nicht. Die neue Partei hat weder eine landesweite Struktur noch ein tragfähiges Programm. Allein die Kritik am Euro eignet sich nicht für einen Landtagswahlkampf. Das weiß auch die sächsische Landesvorsitzende Frauke Petry.

    "Wir werden jetzt als nächstes uns auf das Landtagswahl- und Kommunalwahlprogramm vorbereiten, sind da jetzt in den Anläufen, um programmatisch intensiv zu arbeiten, das heißt, all die Mitglieder, die bisher im Wahlkampf engagiert waren, die müssen jetzt kurzfristig umschalten - diejenigen, die sowieso programmatisch tätig sein wollten - Wir haben aber auch alle Mitglieder in Sachsen generell aufgerufen, ihre programmatischen Wünsche, Vorstellungen, Positionen dem Vorstand bekannt zu geben, um einfach mal die Stimmungslage oder auch die Interessenslage der eigenen Mitglieder abzufragen."

    Erst vor wenigen Tagen hat die AfD in der Sächsischen Schweiz ihren ersten Kreisverband gegründet. Und landesweit werden gerade mal 500 Mitglieder gezählt. Doch Petry ist optimistisch.

    "Und zweitens habe ich ja grade erwähnt, dass es viele Eintrittswillige gibt. Hatten wir vor der Bundestagswahl ca. 60 oder 70 Mitgliedsanträge, so haben wir jetzt 170 oder 180 Mitgliedsanträge."

    Wie viele Anträge von ehemaligen Mitgliedern der rechtspopulistischen Partei "Die Freiheit" stammen, ist unklar. In der AfD tobte darüber intern eine heftige Auseinandersetzung. Frauke Petry etwa lehnte bis vor wenigen Tagen einen Aufnahmestopp für ehemalige "Freiheit"-Mitglieder vehement ab, die gegen Moscheen und den Islam Stimmung machen. Auch auf dem Facebook-Profil des sächsischen Landeverbandes sind durchaus islamkritische Töne zu lesen: "Diese Religion gehört nicht zu Deutschland", schreibt etwa ein User in einem längeren Beitrag. "Exakte Zustandsbeschreibung" – heißt es dazu als offizielle Antwort der AfD Sachsen. Dazu passt eine Äußerung von Uwe Wurlitzer, der den Bundestagswahlkampf im Freistaat koordinierte.

    "Na ja, der Islam ist ja nun doch ein bisschen problematisch. Er hetzt gewisse Leute auf und passt eigentlich meines Erachtens auch nicht zu Deutschland. Und da bin ich auch nicht der einzige, der das so sieht."

    Und ausgerechnet Uwe Wurlitzer soll jetzt den Aufbau der Kreisverbände in Sachsen organisieren.