Freitag, 19. April 2024

Nach dem Bundesliga-Abstieg
Hertha-Präsident Bernstein: „Müssen das System grundsätzlich in Frage stellen“

Nach Jahren sportlichen und finanziellen Misserfolgs ist Hertha BSC aus der Fußball-Bundesliga abgestiegen. Vereinspräsident Kay Bernstein erklärt im Dlf-Sportgespräch, wie er das Rad zurückdrehen will – und fordert ein Umdenken im System Fußball.

Kay Bernstein im Gespräch mit Thomas Wheeler | 04.06.2023
Herthas Präsident Kay Bernstein vor dem Spiel gegen Werder Bremen am 29. Spieltag der Bundesligasaison 2022/23.
Herthas Präsident Kay Bernstein vor dem Spiel gegen Werder Bremen am 29. Spieltag der Bundesligasaison 2022/23. (picture alliance / dpa / Soeren Stache)
Was die sportlichen Ziele betrifft, gibt sich Kay Bernstein, der seit einem Jahr Präsident von Hertha BSC ist, defensiv. Das Ziel Wiederaufstieg könne erst realistisch formuliert werden, wenn die Transferphase abgeschlossen sei und man wisse, welche Mannschaft in der kommenden Saison auf dem Platz stehe. „Jetzt ein Ziel auszurufen, das wäre Quatsch.“
Vor dem Verein lägen wahnsinnig viele Aufgaben, sagte Bernstein im Dlf. „Wir haben das Lizenzthema, wir haben das Restrukturierungsthema. Wir haben das wirtschaftliche Sanierungsthema, wir haben den Kaderumbruch.“ Er habe bereits bei seinem Amtsantritt gesagt, das werde ein Marathon, und kein Sprint.

Freude über den Rückhalt der Fans

Was den Rückhalt der Fans betrifft, zeigte sich Bernstein zufrieden. Man sei „absurderweise“ mit einem Zuschauerrekord und einem sehr hohen Zuwachs von knapp 5.000 neuen Mitgliedern abgestiegen.
Zu den finanziellen Sorgen, die den Verein umtreiben und die sich auch auf die Vergabe der Zweitligalizenz auswirken könnten, sagte der Präsident von Hertha BSC: „Das System Fußball ist ja nicht darauf ausgelegt, nachhaltig zu wirtschaften, sondern es ist immer die Idee vom maximalen sportlichen Erfolg am Rande der wirtschaftlichen Insolvenz. Und deswegen sind wir ein Sanierungsfall, weil man das so exzessiv durchexerziert hat.“

Kritik an Gewinnmaximierung als Maxime im Profifußball

Nicht nur auf Hertha BSC bezogen sieht Bernstein diese Ausrichtung auf Gewinnmaximierung kritisch. „Wir müssten dieses System grundsätzlich mal in Frage stellen.“ Er forderte, eine Gehaltsobergrenze zu diskutieren „bis zu dem Bereich, wo wir das vertreten können, wo die Summen auch noch erklärbar sind, wo es auch noch refinanzierbar ist, wo Financial Fairplay nicht nur irgendwie ein Wort ist.“ Zudem sagte er, er würde sich wünschen, dass die Funktionäre, ihrer Verantwortung gerecht würden und „nicht dem Erfolg auf Biegen und Brechen“ nachjagen.
Für seinen Verein gebe es jetzt drei konkrete Aufgaben: zunächst die Lizenz erhalten, dann sanieren und konsolidieren und schließlich den Kader so zusammenzustellen, dass er eine Möglichkeit habe, um den Aufstieg mitzuspielen.

Windhorst-Geld wurde "verbrannt"

Das Investment des Geldgebers Lars Windhorst in Höhe von 375 Millionen Euro sei „verbrannt“ worden. Man habe in diesem Jahr 75 Millionen Verlust gemacht und im Jahr davor 90. Bernstein fasst es so zusammen: „Wir haben einfach in den letzten Jahren nicht gut gewirtschaftet, und wir haben mehr Geld ausgegeben als wir eingenommen haben.“ Deshalb dienten die 100 Millionen Euro des neuen Investors "777 Partners" einzig der finanziellen Sanierung. Bernstein sagte, man sei sich bei Hertha BSC sicher, die notwendigen Unterlagen für die Zweitligalizenz zusammen zu haben – und die Handlungsfähigkeit und Liquidität nachweisen zu können. „Wir sagen, wir kriegen die Lizenz und starten in der zweiten Liga.“
Hier hören Sie das vollständige Gespräch. Im Dlf haben wir aus Zeitgründen eine gekürzte Version gesendet.