Sonntag, 11. Juni 2023

Staatsbürgerschaftsrecht
Wie die Bundesregierung die Einbürgerung erleichtern will

Die Bundesregierung plant, Einbürgerungen unter bestimmten Voraussetzungen zu vereinfachen. Laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser ist der Gesetzentwurf so gut wie fertig. Kritik kommt nicht nur von der Opposition, sondern auch von der FDP.

19.04.2023

    Eine in Afrika geborene Frau hält am 19.10.2013 während des Einbürgerungsfestes in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) ihre Einbürgerungsurkunde der Bundesrepublik Deutschland in ihren Händen. Beim ersten landesweiten Einbürgerungsfest wurden zwölf neue deutsche Staatsbürger begrüßt.
    Die Bundesregierung plant eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts um Einbürgerungen zu erleichtern. (picture alliance / dpa / Jens Wolf)
    Fast elf Millionen Menschen leben laut Statistischem Bundesamt in Deutschland ohne deutsche Staatsbürgerschaft – etwa jeder achte Einwohner. Um den Weg zum deutschen Pass zu verkürzen, hat die Bundesregierung eine Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Ein Referentenentwurf des Innenministeriums sieht nun vor, dass vor allem Menschen, die bereits mehrere Jahre in der Bundesrepublik leben, leichter die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen sollen:
    "Der Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit soll für die auf Dauer rechtmäßig in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten vereinfacht und beschleunigt werden, um ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen", heißt es in dem Entwurf. "Zugleich soll ein Anreiz geschaffen werden, sich schnell zu integrieren."
    Außerdem hat das Kabinett vereinfachte Regeln für die Einwanderung von Fachkräften gebilligt.

    Bisherige Voraussetzungen für die Einbürgerung

    Aktuell müssen Ausländer acht Jahre, bei besonderen Integrationsleistungen mindestens sechs Jahre "dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland" gelebt haben, bevor ein Anspruch auf Einbürgerung besteht. (*) Zusätzlich werden mündliche und schriftliche Sprachkenntnisse verlangt. Auch einen Einbürgerungstest müssen Antragssteller vor der Einbürgerung bestehen.
    Die bisherige Staatsangehörigkeit muss man im Regelfall aufgeben. Es gibt jedoch zahlreiche Ausnahmen, die eine mehrfache Staatsbürgerschaft erlauben. EU-Bürger und Schweizer dürfen ihre bisherige Staatsangehörigkeit beispielsweise behalten.

    Was soll sich im Staatsbürgerschaftsrecht ändern?

    Konkret ist geplant, die Aufenthaltsdauer bis zur Möglichkeit der Einbürgerung von acht auf fünf Jahre zu verkürzen. Bei „besonderen Integrationsleistungen“ soll dies sogar schon nach drei Jahren möglich werden – etwa wenn Einwanderer besondere schulische oder berufliche Leistungen oder ehrenamtliches Engagement gezeigt haben.
    Bei Menschen ab 67 Jahren soll es ausreichen, wenn sie sich mündlich im Alltag verständigen können. Der formelle Sprachtest und der Wissenstest über Deutschland sollen für diese Altersklasse wegfallen.
    Mit der Reform soll zudem der Besitz mehrerer Staatsbürgerschaften erleichtert werden. Bisherige Staatsangehörigkeiten sollen grundsätzlich kein Hindernis mehr für eine Einbürgerung sein.
    In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern sollen außerdem automatisch Deutsche werden, wenn ein Elternteil bereits seit fünf Jahren seinen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik hat.

    Was sieht das Fachkräfteinwanderungsgesetz vor?

    Ausländische Fachkräfte sollen künftig leichter nach Deutschland kommen können. Dafür hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes beschlossen. „Wir brauchen qualifizierte Zuwanderung aus dem Ausland“, sagte Bundesminister Hubertus Heil (SPD) im Deutschlandfunk und forderte die Stärkung der inländischen Aus- und Weiterbildung von Fachkräften als auch deren Einwanderung.
    Viele Unternehmen haben seit langem erhebliche Schwierigkeiten, qualifizierte Fachkräfte zu finden. Die Zahl der offenen Stellen lag 2022 bei rund 1,98 Millionen, der höchste je gemessene Wert.
    Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz sieht vor, dass jeder, der einen in Deutschland erworbenen oder anerkannten Abschluss hat, künftig jede qualifizierte Beschäftigung ausüben kann. 
    Ein weiterer Aspekt im Fachkräfteeinwanderungsgesetz fokussiert auf Berufserfahrung. Damit wird Arbeitskräften die Einwanderung ermöglicht, die mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Herkunftsland staatlich anerkannten Berufsabschluss haben.
    Wer seinen Berufsabschluss in Deutschland anerkennen lassen will, kann das künftig zudem auch erst nach der Einreise nach Deutschland tun.
    Ein weiterer Weg hat das Potenzial der Menschen im Blick. Neu eingeführt wird eine Chancenkarte zur Arbeitssuche, die auf einem Punktesystem basiert. Zu den Auswahlkriterien gehören Qualifikation, Deutsch- und Englischkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug, Alter und das Potenzial des mitziehenden Ehe- oder Lebenspartners bzw. der mitziehenden Ehe- oder Lebenspartnerin. 
    Außerdem wird für Branchen mit besonders großem Bedarf erstmals eine kontingentierte kurzzeitige Beschäftigung geschaffen. Wer über diesen Weg kommt, darf unabhängig von einer Qualifikation acht Monate in Deutschland arbeiten. 

    Wer könnte von den Änderungen profitieren?

    Zum Ende des Jahres 2021 lebten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 11,8 Millionen Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft in Deutschland. 5,9 Millionen, also etwa die Hälfte, lebten seit mehr als acht Jahren in Deutschland, also lange genug, um sich auch nach geltendem Recht um eine Einbürgerung bemühen zu können. Etwa zwei Millionen Menschen hätten hingegen von einer Verkürzung der nötigen Aufenthaltsdauer auf fünf Jahre profitieren können.

    Doppelte-Staatsbürgerschaft: Nicht-EU-Bürger vs EU-Bürger

    Dass die bisherige Staatsangehörigkeit zukünftig grundsätzlich kein Thema mehr sein soll, erleichtert Nicht-EU-Bürgern den Zugang zur Staatsbürgerschaft. EU-Bürger und Schweizer dürfen die deutsche Staatsbürgerschaft auch zusätzlich zu ihrer bisherigen Staatszugehörigkeit beantragen.
    Anders ist das bei Nicht-EU-Bürgern: "Viele Migrantinnen und Migranten fühlen sich Deutschland zugehörig, wollen aber nicht ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben, da sie sich auch mit ihrem Herkunftsland verbunden fühlen", heißt es im Entwurf für die Reform. Bis zu drei Millionen Menschen könnte die Reform hier akut den Weg zur deutschen Staatsbürgerschaft erleichtern. So viele Nicht-EU-Bürger leben seit mehr als acht Jahren in Deutschland.
    Die ausländische Bevölkerung ist in der Grafik nach Aufenthaltsdauer in Jahren aufgeschlüsselt. 5,9 Millionen Menschen leben seit über 8 Jahren ohne deutsche Staatsbürgerschaft in Deutschland. 1,4 Millionen Menschen sogar seit 40 Jahren oder mehr.

    Sprachnachweise werden für Ältere vereinfacht

    Dass Menschen ab 67 Jahren zukünftig keine formalen Deutschkenntnisse mehr nachweisen und auch keinen Wissenstest mehr bestehen müssen, könnte etwa einer Millionen Menschen den Weg zum deutschen Pass erleichtern. Nach Zahlen des statistischen Bundesamtes leben 1,1 Millionen Menschen in Deutschland, die keinen deutschen Pass haben und über 65 Jahre als sind.

    Reaktionen auf die geplante Reform

    Unterstützung für die Pläne des Innenministeriums kam von der innenpolitischen Sprecherin der Grünen im Bundestag, Lamya Kaddor. Im Deutschlandfunk sagte sie, der deutsche Pass sei eine Grundvoraussetzung für das Gefühl, wirklich hier angekommen zu sein.
    Auch die Türkische Gemeinde in Deutschland begrüßte die geplante Reform des Staatsbürgerschaftsrechts. Der Vorsitzende der Gemeinde, Gökay Sofuoglu, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, das geltende deutsche Staatsbürgerschaftsrecht entspreche nicht mehr der Realität und müsse von Grund auf neu angepackt werden. Es gehe auch darum, Gleichstellung zu erreichen und damit mehr Menschen politische Beteiligung zu ermöglichen.
    Lob kam auch vom Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Dem Handelsblatt sagte er, eine klare Perspektive auf Staatsangehörigkeit sei ein wichtiges Element, um Deutschland attraktiver für ausländische Fachkräfte zu machen.
    FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte im Deutschlandfunk , dass Deutschland Arbeitskräfte brauche, um den Wohlstand zu erhalten. Migration müsse daher in den Arbeitsmarkt und "nicht in die sozialen Sicherungssysteme gelenkt werden."
    Bei den sonstigen Voraussetzungen für die Einbürgerung - Sprache und Sicherung des eigenen Lebensunterhalts - wollen die Liberalen jedoch keine Abstriche machen und weniger Ausnahmen zulassen.

    Union lehnt die Neuausrichtung grundlegend ab

    Aus den Unionsparteien kommt deutliche Kritik an zahlreichen Punkten der Reformpläne. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht keinen Grund, Einbürgerungen zu erleichtern. In der Diskussion würden Themen vermischt, sagte Herrmann im November 2022 im Deutschlandfunk . Qualifizierte Zuwanderung sei natürlich notwendig, aber dazu brauche es keinen schnelleren Zugang zur Staatsbürgerschaft.
    Einer Verkürzung des Prozesses erteilte Herrmann eine Absage. Der deutsche Pass solle nicht zum Beginn der Zuwanderung vergeben werden, sondern könne nur am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses stehen. "Es gibt kaum ein Land der Welt, wo sie nach drei Jahren schon die Staatsangehörigkeit problemlos erwerben können", sagte Herrmann.
    Hermann betonte, dass es insbesondere keine Abstriche beim Erlernen der deutschen Sprache geben solle. Davon solle höchstens in Ausnahmefällen abgewichen werden.
    Auch andere Unionspolitiker hatten mit scharfen Worten auf die Reformpläne reagiert. CSU-Landesgruppenchef Dobrindt sagte der „Bild“-Zeitung, die deutsche Staatsbürgerschaft zu „verramschen“, fördere nicht die Integration, sondern geradezu das Gegenteil.
    Quellen: dpa, epd, Jörg Münchenberg, bu, pto
    (*) Anmerkung der Redaktion: Wir haben an dieser Stelle eine zu enge Formulierung gestrichen.