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Vor 25 Jahren gestorben
Narciso Yepes ebnete der Gitarre den Weg in die Konzertsäle

Der Spanier Narciso Yepes hat der Gitarre den Weg in die Konzertsäle geebnet und erlangte mit seiner Interpretation des "Konzerts von Aranjuez" Weltruhm. Am 3. Mai vor 25 Jahren verstarb Narciso Yepes.

Von Julia Macher | 03.05.2022
 Narciso Yepes mit Gitarre (Aufnahme von 1960)
Der spanische Gitarrist Narciso Yepes (Imago: Werner Neumeister)
Noch heute lernt fast jeder Gitarrenschüler diese Melodie. Auch Narciso Yepes hörte eine ähnliche Weise als kleines Kind. Jahre später sollte er sie für den Film „Verbotene Spiele“ arrangieren und so nebenbei ein Standardwerk des Musikunterrichts schaffen.
Geboren 1927 im südspanischen Lorca, beherrscht der Sohn einer Bauernfamilie die ersten Griffe, noch bevor er Lesen und Schreiben lernt: Drei Mal die Woche reitet er auf einem Esel in die nächste Musikschule, studiert dann am Konservatorium in Valencia, später in Madrid und Paris. Die tiefe Liebe zu seinem Instrument begleitet ihn ein Leben lang.
„Den Verdienst hat ganz allein die Gitarre mit ihrem schönen Klang. Sobald man begonnen hat, dieses Instrument zu spielen, kann man es kaum mehr aus der Hand legen. Ich habe in Belgien eine Gitarristin kennengelernt, die sagte, sie habe ein großes Problem: Sie übe jeden Tag zehn Stunden Gitarre, weil sie einfach nicht vorher aufhören kann.“

Nüchtern, klar, fast intellektuell

Schon früh erarbeitet sich Narciso Yepes, angeleitet von seinem strengen Lehrer Vicente Ascensio, einen eigenen Stil: nicht gefühlsgetrieben, sondern nüchtern, klar, fast intellektuell. Die Gitarre ist für ihn mehr als das volkstümliche Instrument, auf dem Flamenco-Musiker in Tavernen ihre Virtuosität beweisen. Sie ist dem Klavier, der Geige, den großen Solo-Instrumenten ebenbürtig.
In Madrid lernt Yepes den Komponisten Joaquín Rodrigo kennen, der kurz zuvor ein Solo-Konzert für Gitarre und Orchester geschrieben hat. Ein Glücksfall.
Seine Interpretation des „Konzerts von Aranjuez“ macht den 20-Jährigen auf einen Schlag berühmt. Der Erfolg ebnet ihm den Weg in die großen Säle der Welt. In Buenos Aires begeistert er mit Bach und Haydn, in London verzaubert er mit Vivaldi. Barockmusik auf der Gitarre: Für Yepes ist das folgerichtig.  
„Ein Pianist kann auf seinem Instrument die Stücke aus dem Wohltemperierten Klavier von Bach spielen, ohne etwas transkribieren zu müssen. Und so kann auch ein Gitarrist ein für eine Renaissance- oder Barock-Laute komponiertes Stück spielen. Das Instrument ist ja das gleiche, nur in einer anderen Form: Ein paar Saiten vor einem Klangkörper mit einem Griffbrett, das von der linken Hand bedient wird, während die rechte die Saiten schlägt.

Yepes entdeckte auch sein Instrument neu

Doch Narciso Yepes entdeckt nicht nur die alte Musik, sondern auch sein Instrument neu. Sein Klang erscheint ihm zu limitiert. Also lässt sich der Musiker, inspiriert von Beschreibungen aus dem 19. Jahrhundert, eine zehnsaitige Gitarre bauen.
Während beim regulären Instrument nur bestimmte Saiten nachklingen, schwingt hier jeder einzelne Ton nach. Seine Kollegen runzeln die Stirn. Doch als Yepes 1964 damit zusammen mit den Berliner Philharmonikern das „Konzert von Aranjuez“ aufführt, sind Kritik und Publikum begeistert.
Narciso Yepes: „Die Kritik überbot sich in Lobeshymnen. Es hieß, das Konzert wäre eines der wichtigsten Ereignisse der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts gewesen. Das war natürlich sehr übertrieben. Denn ich habe ja eigentlich nichts Neues erfunden. Ich habe nur ein paar zusätzliche Ideen entwickelt und angewendet. Das ist alles.“

Bescheiden trotz der Welterfolge

Trotz seiner Welterfolge bleibt der tiefgläubige, schmächtige Mann mit der dicken Brille bescheiden. Nur manchmal gesteht er sich so etwas wie Stolz zu, etwa wenn er in einem Fernsehinterview von seinen Reisen nach Tokio schwärmt.
Narciso Yepes: „Es gibt dort eine so große Begeisterung für die Gitarre. Als ich 1960 das erste Mal dort war, gab es vielleicht 20 oder 30 Tausend Gitarristen in Japan. Beim letzten Mal waren es laut Statistik vier Millionen. Und die sieben Konzerte, die ich in Tokio gegeben habe, waren schon zwei Monate vor meiner Ankunft ausverkauft.“
Am 3. Mai 1997 stirbt Narciso Yepes nach langer Krankheit. Er hat mehr klassische Schallplatten aufgenommen als jeder andere Musiker und gilt noch heute als einer der bedeutendsten Gitarristen Spaniens.