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Treffen mit Pegida in Sachsen
"Der Staatsregierung in den Rücken gefallen"

Koalitionsstreit in Sachsen: Innenminister Markus Ulbig (CDU) hat sich mit der Pegida-Spitze getroffen. Die mitregierende SPD ist verärgert. Ihr Fraktionsvorsitzender Dirk Panter sagte im DLF, man dürfe die Organisatoren der islamkritischen Bewegung nicht noch "adeln", indem man mit ihnen spreche.

Dirk Panter im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Porträt von Dirk Panter.
    Der sächsische SPD-Fraktionschef Dirk Panter. (dpa / Arno Burgi)
    Mario Dobovisek: Seit Wochen knabbert die SPD auf der Frage herum, ob sie nun das Gespräch mit den Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) in Dresden suchen soll oder lieber nicht. Die sozialdemokratische Formel seitdem sinngemäß: Mit den Demonstranten sprechen ja, mit den Organisatoren nein. Aber genau das tat wiederum die CDU in Sachsen und damit der Koalitionspartner der SPD, als nämlich Sachsens Innenminister Ulbig am Montag die Pegida-Spitze um Kathrin Oertel traf. Großes Durcheinander also über das Wer-mit-Wem und mittendrin heute und morgen eine Debatte über Pegida im sächsischen Landtag. Chef der SPD-Fraktion ist Dirk Panter. Er ist auch Generalsekretär der Sozialdemokraten in Sachsen und jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen, Herr Panter.
    Dirk Panter: Einen schönen guten Morgen. Hallo!
    Dobovisek: Ministerpräsident Tillich sagt, der Islam gehöre nicht zu Sachsen. CDU-Innenminister Ulbig - wir haben es gehört - trifft sich dann auch noch überraschend mit der Pegida-Spitze und, das hören wir heute, will das vielleicht wieder tun. Ein Rechtsruck Ihres Koalitionspartners?
    Panter: Von einem Rechtsruck möchte ich da nicht gleich sprechen. Wir sind auf jeden Fall doch verärgert über das Verhalten von Herrn Ulbig, weil er der Staatsregierung da mit einer relativ klaren Linie, die wir haben und die wir auch als SPD-Fraktion teilen, in den Rücken gefallen ist. Das finden wir nicht sonderlich schön, um das mal freundlich auszudrücken. Und was die Aussage von Herrn Tillich angeht, sind wir auch klar der Meinung, dass der Islam zu Sachsen gehört, zu Deutschland, zu Sachsen, so wie auch Frau Merkel das ja schon deutlich gemacht hat. Auch die hier lebenden Muslime gehören zu Sachsen.
    Treffen mit Pegida-Spitze - "Wir waren recht überrascht"
    Dobovisek: Wann haben Sie vom Treffen Ulbig, Oertel und den anderen Pegida-Spitzen erfahren?
    Panter: Gestern im Laufe des Tages, so wie alle anderen auch. Wir wussten das nicht und waren dann recht überrascht.
    Dobovisek: Redet die Koalition überhaupt noch miteinander?
    Panter: Die Koalition redet miteinander. Das ist ja auch wie gesagt kein Problem der Koalition, sondern das ist ein Problem von Herrn Ulbig, weil das ist ja auch nicht abgestimmt gewesen mit dem Kabinett als Ganzes.
    Dobovisek: War das Ulbig der Innenminister, oder Ulbig der Wahlkämpfer? Er will ja schließlich Bürgermeister in Dresden werden.
    Panter: Na ja, das muss man wahrscheinlich ihn selber fragen, in welcher Funktion er das gemacht hat. Mir ist bekannt, er hat es als Innenminister gemacht - was die ganze Sache aber nicht besser macht.
    Dobovisek: Wie wird das weiter behandelt werden bei Ihnen in der Koalition?
    Panter: Da wird es sicherlich noch das eine oder andere Gespräch auch dazu geben, ganz klar, und dann werden wir versuchen, den Innenminister davon zu überzeugen, dass das nicht der richtige Weg ist.
    Dobovisek: Haben Sie denn selber auch schon mit Pegida-Demonstranten gesprochen, Herr Panter?
    Panter: Ich war bei Pegida-Demonstrationen, genauso auch wie bei Legida in Leipzig, weil ich eigentlich Leipziger bin, und habe da auch das eine oder andere Gespräch geführt, ja. Mit Demonstranten - das haben wir auch immer gesagt - sollte man das Gespräch suchen. Das ist unser Ziel, den Dialog dort zu pflegen. Bei den Organisatoren und bei den Rechtsextremen, die da auch mitlaufen, den NPD-Kadern, sieht das natürlich anders aus.
    "Die Organisatoren nicht noch adeln"
    Dobovisek: Was sagen Sie dann Frau Fahimi in Berlin, der Generalsekretärin der SPD, wenn sie eben selbst den Dialog mit den Demonstranten ablehnt?
    Panter: Ja, das gleiche, weil im Prinzip das, was Sigmar Gabriel gemacht hat, was wir seit Wochen machen, ja nichts anderes ist als die Linie, die ich gerade dargestellt habe: Wir wollen mit den vielen Demonstranten sprechen, die vor allem in Dresden auch auf den Straßen sind. Da müssen wir einen Dialog pflegen. Was wir nicht tun wollen ist, eben die Organisatoren noch zu adeln und denen noch eine Plattform zu geben, weil die stehen für Hetze, für menschenverachtende Parolen. Die sind teilweise selber rechtsextrem beziehungsweise unterstützen Rechtsextreme bei diesen Veranstaltungen und mit denen können wir nicht sprechen. Da müssen wir vielleicht auch mit Yasmin noch mal sprechen.
    Dobovisek: Also mit Yasmin Fahimi. - Welchen Erkenntnisgewinn haben Sie erreichen können nach Ihrem Dialog mit den Demonstranten?
    Panter: Das ist eine sehr, sehr diffuse Situation. Viele Menschen, die dort mitlaufen - zumindest ist das mein Eindruck -, sind gar nicht grundsätzlich fremdenfeindlich, oder schließen sich diesen rechtsextremen Parolen an, sondern haben auch ganz individuelle Probleme. Das fängt an von Menschen, die einfach frustriert sind mit der Politik ganz im Allgemeinen, die mehrfach beim Hochwasser abgesoffen sind und keine Versicherung zahlt mehr, oder die andere Probleme haben, sei es, dass sie schlicht und ergreifend zu wenig verdienen, sich ungerecht behandelt fühlen. Das ist ein ganz, ganz großer Mix vor allem in Dresden. In Leipzig sieht es etwas anders aus, aber das war mein Eindruck in Dresden.
    Dobovisek: Wie wollen Sie politisch mit diesem diffusen Mix umgehen, wenn Sie zum Beispiel jetzt beginnen, im Landtag zu debattieren?
    Panter: Die Landtagsdebatte ist nur ein Teil. Es geht ja darum, den Dialog zu pflegen, und das haben wir die letzten Jahre schon gemacht. Nur wenn wir das ungenügend getan haben, dann müssen wir diese Aktivitäten verstärken, und das tun wir ja schon auf verschiedenen Ebenen. Es gibt und gab schon den Bürgerdialog der Staatsregierung, wo Stanislaw Tillich und auch unsere Integrationsministerin Petra Köpping mit dabei waren, wo ganz intensiv debattiert wurde. Es wird weitergehen, da wird es noch mehr Veranstaltungen geben, genauso wie wir unsere Aktivitäten noch mal verstärken, um vor Ort mit unseren Abgeordneten, mit unseren Parteimitgliedern Veranstaltungen anzubieten und mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.
    "Wir wollen mit den Menschen reden, die frustriert sind"
    Dobovisek: Sollen denn die großen regierenden Volksparteien in Berlin und Dresden, CDU und SPD, den Dialog mit der Pegida-Spitze zum Beispiel der AfD überlassen?
    Panter: Was die Pegida-Spitze angeht, da wird durchaus mit der AfD auch gesprochen. Insofern: Das wundert uns auch nicht, weil die ja ganz ähnliche Ziele verfolgen. Aber wir können nicht - da haben wir auch intensiv drüber debattiert - mit Hetzern, mit Menschen sprechen, die dulden, dass Rechtsextreme ihre Veranstaltung dominieren, oder wie zum Beispiel in Leipzig, dass es auch Übergriffe gibt auf Journalisten, dass es Übergriffe gibt auf Gegendemonstranten, die ganz gezielt auch durchgeführt werden. Da ist auch eine Gewaltbereitschaft da. Wir sind nicht bereit, mit solchen Menschen zu sprechen, weil wir können ihnen nicht diese Plattform geben. Damit würden wir sie adeln, damit würden wir sie auch in einer gewissen Form anerkennen. Wir wollen mit den vielen Menschen reden, die frustriert sind, die offensichtlich eine andere Ansprache brauchen als bisher. Das muss unsere Aufgabe sein.
    Dobovisek: ... und überlassen damit das Feld der AfD?
    Panter: Was die Organisatoren angeht, mag das so sein, aber das ist ja auch nur eine sehr geringe Anzahl.
    Dobovisek: Wir haben darüber gesprochen in all dem, was wir jetzt auch gerade beredet haben in diesem Interview: ein großes Durcheinander in der großen sächsischen Koalition. Wie wollen Sie dieses Durcheinander wieder entwirren und weiter regieren?
    Panter: Wie gesagt, es gibt eine klare Linie der Staatsregierung, an die wir uns halten. Da gibt es überhaupt gar keine Frage. Auch die Staatsregierung - da ist mir kein Beschluss bekannt, der jetzt davon abweicht von dem, was ich gesagt habe. Von daher gibt es da auch gar keine Probleme. Wir müssen sicherlich da noch mal mit dem Innenminister sprechen. Das wird auch interessant heute, was er in der Regierungserklärung sagen wird, die heute gehalten wird zum Thema gleich dann um zehn. Und dann werden wir mal sehen, wie wir damit konkret umgehen. Aber in der Koalition sehe ich auf der Basis keine Probleme. Es ist ein sehr schwieriges Thema, das uns seit Wochen beschäftigt. Wir sind ja quasi gestartet und das Thema hat uns gleich überrollt. Von daher sind wir da ganz agil und intensiv dran.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.