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Fußball und Politik
Die Hintergründe zur Absage des türkischen Supercups in Saudi-Arabien

Immer mehr Sportveranstaltungen werden in Saudi-Arabien ausgetragen. Der Türkische Fußballverband etwa wollte kurz vorm Jahreswechsel seinen Supercup in der Hauptstadt Riad ausspielen lassen. Allerdings stellten sich die beiden Klubs Galatasaray und Fenerbahçe quer. Die Hintergründe des Konflikts sind vielschichtig.

Von Constantin Eckner |
Fans halten vor dem später abgesagten Spiel um den türkischen Supercup zwischen Galatasaray und Fenerbahce Istanbul einen Schal hoch.
Eigentlich hätte der türkische Supercup zwischen den Stadtrivalen Galatasaray und Fenerbahce Istanbul sportliche Schlagzeilen produzieren sollen. So zumindest der Wunsch des Türkischen Fußballverbandes. Doch daraus wurde nichts. (picture alliance / Anadolu / Ali Atmaca)
Es sollte ein großer Tag für den türkischen Vereinsfußball werden. Der Verband hatte die Austragung des Supercups zwischen Meister Galatasaray und Pokalsieger Fenerbahçe nach Riad gegeben, um sich in einem neuen lukrativen Markt zu präsentieren. Doch am 29. Dezember 2023, dem Tag des Spiels, kommt es zum großen Knall: Die beiden Klubs weigern sich, anzutreten.
"Ich denke, es hat etwas mit der Macht von Social Media zu tun", sagt Emre Özcan, ein türkischer Fußballjournalist, der in Riad vor Ort war. "Nach den ersten Meldungen und rund eine Stunde, nachdem die Vereinspräsidenten im Hotel angekommen waren, verbreiteten sich Nachrichten, dass das Spiel unter den Vorgaben der lokalen Behörden ausgetragen wird. Die Reaktionen der türkischen Fans auf Social Media waren enorm. Ich denke, kurz darauf änderten die Klubs ihre Meinung und versuchten das zu tun, was die Fans wollten."

Atatürk-Banner als Aufhänger für Konflikt

Was war genau geschehen? Drei Tage vorm Spiel hatte Fenerbahçe einen Antrag gestellt, Banner mit zwei Mottos von Mustafa Kemal Atatürk im Vorfeld des Spiels zu zeigen und sich in T-Shirts mit dem Konterfei des Gründungsvaters der Türkischen Republik aufzuwärmen. Um das 100-jährige Bestehen der Republik zu feiern. Die saudi-arabischen Organisatoren haben jedoch auf einer Abmachung mit dem türkischen Fußballverband beharrt, dass das Spiel "ohne Statements abseits des Sportlichen" ausgetragen werden sollte.
"Die Spielabsage kam relativ kurzfristig. Allerdings gab es Diskussionen schon Wochen vorher", erklärt Islamwissenschaftler Sebastian Sons. "Die beiden Finalmannschaften hatten sich bereits vorher kritisch dazu geäußert, das Finale in Riad stattfinden zu lassen. Vor allem Dingen vor dem Hintergrund, dass es eben das 100-jährige Jubiläum der Türkischen Republik ist und dementsprechend viele Fans, aber eben auch die Vereine selbst es bevorzugt hätten, in der Türkei zu spielen."
Auch ein Vorstandsmitglied von Galatasaray, das anonym bleiben möchte, erklärt im Gespräch mit dem Deutschlandfunk, dass die Klubs von der Idee, das Spiel in Riad auszutragen, nie angetan waren.
Am Freitag äußerte sich Ali Koç, der Präsident von Fenerbahçe, und schob die Verantwortung in Teilen auf den türkischen Fußballverband, der die vereinbarten Richtlinien nicht an die Vereine kommuniziert haben soll. Zudem sagte er der Tageszeitung "Habertürk": "Die Saudis bewegten sich keinen Millimeter. Sie beharrten auf ihrer Linie. Hätten wir das gewusst, wären wir woanders hingegangen."

Beziehung zwischen Türkei und Saudi-Arabien kompliziert

Atatürk steht für ein Staatsmodell, in dem Staat und Religion strikt getrennt sind. Dieser Laizismus ist das Gegenteil des traditionalistischen Wahhabismus, den Saudi-Arabien lange vertreten hat, wo eine strenge Auslegung des Islam das Handeln des Staats stark beeinflusst.
Hinzu kommt, dass der Vorgängerstaat der Türkei, das Osmanische Reich, im 19. Jahrhundert einen blutigen Krieg gegen die Vorfahren der saudischen Königsfamilie geführt hat. Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches und weiteren Konflikten auf der Arabischen Halbinsel konnte sich dann der heutige Staat Saudi-Arabien formen.
"Das saudisch-türkische Verhältnis ist kompliziert, auch wenn es sich in den letzten Jahren verbessert hat. Und man braucht da gar nicht so weit in die Geschichte zurückzugehen, um tatsächlich auch diese Problematik und dieses komplizierte Verhältnis aufzuzeigen", sagt Islamwissenschaftler Sebastian Sons.
Die neuesten Spannungen beginnen nach dem Arabischen Frühling, als sich die Türkei unter Machthaber Erdoğan in der Region als Förderer islamistischer Gruppierungen zu etablieren versucht. Saudi-Arabien wiederum sieht in den Zielen dieser Gruppen vor allem eine Bedrohung der eigenen Herrschaft. Nach der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im Generalkonsulat in Istanbul 2018 liegen die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern eine Zeit lang komplett auf Eis.
"Das Ganze änderte sich dann vor ein, zwei Jahren, im Zuge eines generellen Kurswechsels in Saudi-Arabien, eine regionale Strategie des Konfliktmanagements zu verfolgen", erklärt Sons. "So muss man sagen, dass sich eigentlich in den letzten ein, zwei Jahren die Beziehungen zwischen der Türkei und Saudi-Arabien politisch, aber auch wirtschaftlich erholt und verbessert haben. Aber dennoch bleibt das Verhältnis komplex und kompliziert."

Absage des türkischen Supercups in Riad als Fingerzeig

Die Absage könnte die Beziehungen weiter verkomplizieren, zumal es in der Türkei einige Reaktionen gab. So hat beispielsweise der Bürgermeister des Istanbuler Stadtbezirks Beşiktaş angekündigt, die Straße, in dem sich das saudi-arabische Generalkonsulat befindet, nach Fahreddin Pasha zu benennen – dem osmanischen Kommandeur während der Verteidigung von Medina gegen Truppen der Arabischen Revolte im Ersten Weltkrieg.
Anders als so manche Nachbarländer von Saudi-Arabien oder auch Player im europäischen Fußball scheinen in der Türkei nicht alle davon angetan, sportliche Kooperationen mit dem reichen Golfstaat einzugehen. Die Spielabsage vom 29. Dezember war ein Fingerzeig.