Freitag, 29. März 2024

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Olympia-Ausschluss Russlands
Druck auf das IOC wächst

IOC-Präsident Thomas Bach will russische und belarussische Athletinnen und Athleten bei den Olympischen Spielen 2024 unter neutraler Flagge starten lassen. Der Widerstand wächst. Nun hat sich das EU-Parlament eingeschaltet – und auch auf die geraten in den Fokus.

Von Christian von Stülpnagel | 19.02.2023
Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, während einer Sitzung des Exekutivkomitees in Lausanne.
Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, während einer Sitzung des Exekutivkomitees in Lausanne. (AFP / LAURENT GILLIERON)
Der Frontalangriff auf das Internationale Olympische Komitee erfolgt in Punkt 23 der Resolution des EU-Parlaments. Darin verurteilt das EU-Parlament die Pläne von IOC-Präsident Thomas Bach, russische und belarussische Sportlerinnen und Sportler bei Olympia 2024 starten zu lassen. Und weiter: „Das EU-Parlament fordert die Mitgliedstaaten und die internationale Gemeinschaft auf, Druck auf das IOC auszuüben, damit es diese für die internationale Sportwelt beschämende Entscheidung rückgängig macht.“
Das EU-Parlament schämt sich fraktionsübergreifend für einen Plan der vielleicht wichtigsten Sportorganisation der Welt. In einer Resolution, in der vor allem Russland und Belarus ein Jahr nach der Invasion in die Ukraine noch einmal auf das schärfste verurteilt werden.

Von Cramon: Keine Diskussionen im EU-Parlament

„Und das wurde auch nicht ansatzweise unter den Kolleginnen und Kollegen bestritten. Das wurde durchgewunken, da hat keiner auch nur einen Änderungsantrag gestellt“, sagt Viola von Cramon aus der Grünen-Fraktion im Europaparlament, die die entsprechende Resolution mit vorbereitet hat.
Solange der Krieg läuft, ist es auch für den österreichischen Sozialdemokraten Hannes Heide „definitiv der falsche Zeitpunkt, jetzt darüber zu reden, ob 2024 Sportlerinnen und Sportler aus Belarus und der russischen Föderation teilnehmen.“
Das IOC beruft sich in seiner Haltung auf zwei Sonderberichterstatter des UN-Menschenrechtsrates, die sagen: Ein pauschaler Ausschluss von Russland und Belarus verstoße gegen die Menschenrechte. EU-Politiker Heide vermutet deshalb auch ein Kalkül hinter den IOC-Überlegungen: „Ich gehe davon aus, dass Thomas Bach nicht so naiv ist, wie er agiert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand bewusst diese Konflikte auslösen wollte. Oder will.“

Ausschluss Russlands und Belarus' juristisch problematisch

Klar ist aber auch, der kollektive Ausschluss der beiden Länder ist juristisch in jedem Fall problematisch. Sanktionsexperte Viktor Winkler beispielsweise sagte im Deutschlandfunk, „dass Diskriminierungen immer rechtswidrig sind. Und egal, ob die Guten oder die bösen diskriminieren. Dass es sich bei den Ausschlüssen aufgrund der Nationalität sämtlich um klare und schwerwiegende Rechtsbrüche handelt.“
„Wir haben ja im Falle von Südafrika gesehen, dass über Dekaden hinweg eine Diskriminierung, wenn sie es so nennen wollen, südafrikanischer Sportler stattgefunden hat. Dagegen ist niemand auf die Barrikaden gegangen, weil alle wussten, dass das Apartheid-Regime erst fallen musste, bevor sich der internationale Sport diesem Land öffnen konnte. Ich sehe jetzt keinen Unterschied", sagt hingegen die Grünen-Politikerin Viola von Cramon. Nach Ihrer Meinung müssten die Maßnahmen gegen Russland sogar noch weitergehen: „Es wäre an der Zeit auch über den Rauswurf russischer Funktionäre endlich nicht nur nachzudenken, sondern auch durchzusetzen. Das hätte man längst durchsetzen können, dass die erst dann wieder eine Chance haben und sich bewerben können, wenn der Krieg beendet ist.“

Druck auf die Sponsoren wächst

Auch von anderer Seite wächst der Druck auf das IOC. Die weltweite Athletenvertretung Global Athlete hat schon mehrfach an das IOC appelliert, russische und belarussische Athletinnen und Athleten weiter zu suspendieren. Jetzt stellt ihr Chef Rob Koehler das IOC direkt in eine Linie mit den Regimen in Minsk und Moskau: „Wir fordern von den internationalen Sponsoren, Druck auf das IOC auszuüben, Belarus und Russland von den Olympischen Spielen 2024 in Paris auszuschließen.“
Sponsoren wie der Reifenhersteller Bridgestone oder AirBnB hätten ihre Geschäfte in Russland heruntergefahren, unterstützen aber mit ihrem Geld den Kurs des IOC: „Das widerspricht vollkommen ihrer geschäftlichen Linie. Wenn sie wegen des Krieges ihre Geschäfte in Russland und Belarus aufgeben, dann können sie sicher auch nicht die Olympischen Spiele unterstützen, wo Russland und Belarus teilnehmen.“
Die Hoffnung hinter der Aktion: Spätestens bei sich zurückziehenden Sponsoren werde das IOC zum Nachdenken gebracht.

Von Cramon hofft auf internationale Allianz

Auch die Grünen-Europaabgeordnete Viola von Cramon setzt auf eine breite internationale Allianz, die mindestens androht, Paris 2024 zu boykottieren. „Dass es Länder gibt, die an den Spielen nicht teilnehmen, sofern es zu einer Teilnahme russischer Athleten unter neutraler Flagge kommen sollte.“
„Sollten die unter welchen Umständen auch immer zugelassen werden, kommen wir ja in eine Art Gegenbewegung, dass viele Verbände ankündigen, ihre Athletinnen und Athleten nicht zu diesen Veranstaltungen zu schicken", glaubt auch Sozialdemokrat Heide. „Und das ist das, was das IOC, aber auch andere Sportverbände zu berücksichtigen haben. Das hat der Präsident des IOC schon eine Verantwortung, das zu verhindern.“