Dienstag, 21. März 2023

Geplante Olympia-Rückkehr Russlands
IOC kämpft mit der Neutralität

Das IOC unter Präsident Thomas Bach will den Bann russischer Athletinnen und Athleten beenden, die Ukraine droht für diesen Fall mit einem Olympia-Boykott. Der Umgang mit Russland droht den Weltsport zu spalten.

13.02.2023

    IOC-Präsident Thomas Bach (l.), Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj bei einem Treffen in Kiew
    Uneins in der Frage nach einer Olympia-Rückkehr Russlands: IOC-Präsident Thomas Bach (l.), Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew (dpa / picture alliance / Sven Simon)
    Der Umgang mit Russland und dem Kriegsunterstützer Belarus droht den Weltsport zu spalten. Das Internationale Olympische Komitee will den Ausschluss russischer Athletinnen und Athleten beenden und eine Teilnahme unter Auflagen ermöglichen. Die Ukraine reagierte daraufhin mit einer Boykottdrohung für die Olympischen Spiele 2024 - und bekam Unterstützung von anderen Staaten. Russland dagegen forderte die uneingeschränkte Teilnahme an sportlichen Wettbewerben. Der Vorstoß des IOC hat das Propagandaduell befeuert - ein Überblick.

    Was genau plant das IOC mit Russland?

    Seit dem Beginn der russischen Angriffe auf die Ukraine sind Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus von einem Großteil der internationalen Sport-Wettbewerbe ausgeschlossen. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte Ende Februar 2022 eine entsprechende Empfehlung an die Sportverbände und Organisationen ausgesprochen, der auch privatwirtschaftliche Veranstalter wie die Basketball-Euroleague oder das Tennisturnier in Wimbledon folgten. Der Bann gilt auch für Teamsportarten, Sportler aus Russland oder Belarus starten seitdem nur noch als neutrale Einzelteilnehmer, wie etwa Tennisstar Daniil Medwedew bei den US Open.
    Thomas Bach, deutscher Präsident des IOC, hatte im vergangenen Dezember erstmals über Pläne für eine mögliche Rückkehr Russlands in den Weltsport gesprochen. Inzwischen wurde Bach konkreter: Demnach plant das IOC, Sportlern aus Russland und Belarus die Teilnahme als "Neutrale Athleten" zu ermöglichen, unter bestimmten Auflagen: ohne Flagge, Hymne oder andere Erkennungszeichen, wie es in einem IOC-Statement hieß. Außerdem sollten Aktive den Nachweis erbringen, dass sie den Angriffskrieg auf die Ukraine nicht aktiv unterstützten.

    Wie argumentiert das IOC?

    Auf seiner Deutschland-Reise Ende Januar hatte Bach die IOC-Pläne verteidigt und sich konkret auf die Menschenrechtsanforderungen der Vereinten Nationen wie auch der Olympischen Charta bezogen. Es entspreche "nicht den Werten und der Mission der olympischen Charta, Athleten aufgrund ihres Passes auszuschließen", sagte Bach am Rande der Rodel-WM in Oberhof.
    Diese Sichtweise steht in der Kontinuität des schon in der Vergangenheit von Bach propagierten Leitmotivs der strikten politischen Neutralität. Dies brachte dem IOC immer wieder Kritik von Menschenrechtsorganisationen und aus der westlichen Politik ein - zuletzt bei den Olympischen Winterspielen in Peking, als Bach zu Vorwürfen wie der Unterdrückung der uigurischen Minderheit durch Chinas Regime schwieg.
    Bei den Spielen in Peking zeigte sich auch, wie problematisch die vom IOC vertretene Vorstellung "neutraler Athleten" ist: Das russische Olympia-Team startete aufgrund der Sanktionen infolge des russischen Staatsdopings ebenfalls unter neutraler Flagge. Der Bezug zu Russland war aber weiterhin sichtbar, etwa durch die Nationalfarben auf Trikots und die Namensgebung das Teams.

    Wie ist die Sicht der Verbände?

    IOC-Präsident Bach beruft sich auf die breite Unterstützung der Verbände, die es in Abstimmungsrunden vorab gegeben habe. Thomas Konietzko, deutscher Präsident des Kanu-Weltverbandes, sagte, dass die IOC-Vorschläge in seinem Verband "ergebnisoffen diskutiert" werden.
    Andreas Michelmann, Präsident des Deutschen Handball-Bundes signalisierte im Deutschlandfunk Zustimmung für die IOC-Pläne. Neutrale Sportler dürften nicht für die Politik ihres Landes verantwortlich gemacht werden, sagte Michelmann. Sanktionen gegen Staaten seien richtig, nicht aber gegen Sportler.

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    Auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) unterstützt ein solches Vorgehen, unter "strengen Voraussetzungen", wie der Verband mitteilte - diese Bedingungen decken sich allerdings weitestgehend mit dem vom IOC formulierten Katalog für den Start unter neutraler Flagge.
    Joachim Rücker, Geschäftsführer im Menschenrechtsbeirat des DOSB, sprach sich hingegen im Deutschlandfunk dafür aus, die gegen Russland und Belarus verhängten Sanktionen weiterhin aufrechtzuerhalten.
    Die Vereinigung der asiatischen Olympischen Komitees hatte bereits verkündet, dass Sportlerinnen und Sportler aus Russland und Belarus bei den Asienspielen im Sommer in China starten dürfen.
    Allerdings gibt es auch Widerstand gegen die IOC-Pläne und eine mögliche Wiederaufnahme Russlands, etwa im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2024: Zorzs Tikmers, Vorsitzender des Nationalen Olympischen Komitees Lettlands, kündigte beteits an, man werde "nicht zusammen mit dem Aggressorland" an den Sommerspielen in Paris teilnehmen.

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    Auch die Athletenvereinigung "Global Athlete" sprach sich gegen eine Rückkehr aus: Selbst wenn russische Sportler unter neutraler Flagge starten, sei klar, dass der Sport ein fester Bestandteil der außenpolitischen Strategie Russlands ist, hieß es in einem Statement.
    Auch die Vereinigung "Athleten Deutschland" stellt sich gegen die IOC-Linie. Fechterin Léa Krüger, Vertreterin von "Athleten Deutschland", kritisierte im Deutschlandfunk Players-Podcast die rein formal-juristische Argumentation des IOC im Hinblick auf eine mögliche Diskriminierung: "Das IOC sollte sich doch eigentlich darüber Gedanken machen, wo sind rote Linien, die ein Staat eben nicht mehr überschreiten darf? Momentan ist es so, dass Russland sich alles erlauben darf. Sie begehen einen Bruch des Völkerrechts nach dem nächsten und verletzen auch die Werte des Sports. Und ich finde, dass darüber die Diskussion sein sollte."

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    Was sind die Reaktionen aus der internationalen Politik?

    Kritische Stimmen gibt es auch aus der Politik. Estlands Premierministerin Kaja Kallas beschrieb die IOC-Pläne als "heuchlerisch und rückgratlos" sowie als "direkte Verhöhnung der zehntausenden Ukrainer, die in dem Krieg ihr Leben lassen mussten." Sport sei in Russland ein "Propagandawerkzeug" so Kallas, Aufgabe des IOC sei es deshalb, "die Isolation zu stärken, und nicht Russland nachzugeben".
    Auch Litauens Bildungsministerin Jurgita Siugzdiniene deutete einen möglichen Boykott an, sollte das IOC Athleten aus Russland und Belarus wieder zulassen. "Wir wollen nicht, dass unsere Athleten gezwungen werden, gegen Aggressoren anzutreten und ihre eigenen Werte und die Werte der Länder und Gesellschaften, die sie vertreten, zu opfern", sagte Siugzdiniene.
    Wie das litauische Sportministerium mitteilte, bereiten insgesamt 35 Nationen einen gemeinsamen Appell an das IOC vor, dass Sportlerinnen und Sportler aus Russland und Belarus weiterhin bis Kriegsende ausgeschlossen werden sollen. Teil dieser Gruppe soll auch Staatssekretär Mahmut Özdemir als Vertreter des Bundesinnenministeriums sein.
    Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte bereits mitgeteilt, der IOC-Vorstoß sei" aktuell der völlig falsche Weg". Das Ministerium bekräftigte diese Haltung im Anschluss: Es gebe keinen Anlass, den Sport aus Russland un Belarus zur Rückkehr einzuladen, hieß es in einer Mitteilung.
    IOC-Präsident Bach pochte am Rande der Ski-WM in Courchevel erneut auf die Entscheidungshoheit des Sports und kritisierte die Äußerungen aus der Politik. "Es steht den Regierungen nicht zu, zu entscheiden, wer an welchen Sportwettbewerben teilnehmen darf. Dies wäre das Ende der internationalen Sportwettbewerbe, Weltmeisterschaften und Olympischen Spiele, wie wir sie kennen."

    Wie reagiert die Ukraine auf die IOC-Pläne?

    Die Ukraine kündigte einen möglichen Boykott der Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris an, sollten russische Athletinnen und Athleten an den Start gehen. Darüber seien das Internationale Olympische Komitee (IOC) sowie die Dachverbände des internationalen Sports informiert worden, teilte der ukrainische Sportminister Wadym Hutzajt mit.
    Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erteilte den IOC-Plänen eine Absage: Russland müsse den Terror stoppen, sagte Selenskyj in einer seiner Video-Ansprachen, erst dann könne man über eine Teilnahme Russlands sprechen.
    Für den ukrainischen Skeleton-Pilot Vladyslav Heraskevych ist die Sache ebenfalls klar. "Ich finde, wir sollten boykottieren, denn viele russische Sportler kämpfen in der Ukraine. Heute töten sie Ukrainer - und morgen stehen sie im Wettkampf?", sagte er im Deutschlandfunk.

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    Auch einem Olympia-Start als neutrale Athleten erteilte er eine klare Absage: "Es geht nicht um den Pass", konterte der Wintersportler im Deutschlandfunk. "Russische Sportler sind keine zufällige Gruppe, jeder hat seine Geschichte und die Statistik sagt, circa 85 Prozent der russischen Sportler Angehörigen von Militär, Polizei oder anderen staatlichen Strukturen sind."
    Box-Idol und Olympiasieger Wladimir Klitschko, erinnerte in einer Videobotschaft an IOC-Präsident Bach daran, dass viele Sportler und Sportlerinnen in Russland und Belarus im Dienste der Armee und staatlicher Behörden stehen. Sollte Bach die "Verbrechen gegen Zivilisten mit dem olympischen Abzeichen" versehen, so Klitschko, mache er sich zum "Komplizen dieses abscheulichen Krieges" und verrate "den olympischen Geist".

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    Wie reagiert Russland?

    Der russische Sport wertete den IOC-Vorstoß als Steilvorlage, um eine uneingeschränkte Wiederzulassung zu fordern. Stanislaw Posdnjakow, Präsident des russischen NOK, begrüßte "den Versuch" des IOC, "unseren Athleten die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen und möglicherweise den Olympischen Spielen zu ermöglichen".
    Allerdings müssten "Russen genau zu den gleichen Bedingungen teilnehmen wie alle anderen Athleten", sagte der frühere Fechter. Alle anderen Bedingungen seien "unerwünscht, vor allem die mit politischen Untertönen, die für die Olympische Bewegung völlig inakzeptabel sind".
    Das IOC erklärte daraufhin in einer ersten Reaktion, die Sanktionen gegen Russland und Belarus und die jeweiligen Regierungen seien "nicht verhandelbar". Ob sie damit das entfachte Propagandaduell werden stoppen können, bleibt abzuwarten.

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    Quellen: Marina Schweizer, Raphael Späth, dpa, sid, mix