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Krieg in der Ukraine
Warum Putin sportliche Sanktionen treffen könnten

Sanktionen gegen Russland – das ist das Hauptmittel der EU und anderer westlicher Länder als Reaktion auf den Angriffskrieg auf die Ukraine. Sanktionen haben auch Auswirkungen auf den Sport. Welche das sind und welche Hebel hat der Sport wiederum selbst?

Von Jessica Sturmberg | 26.02.2022
Putin (re.) hält eine goldene Trophäe, Infantino kommt von links auf ihn zu. Vor der Bühne stehen Zuschauer.
Putin sonnte sich im Licht des WM-Pokals (AFP/Mladen ANTONOV)
Eine der prominentesten Reaktionen im Sport auf den russischen Angriffskrieg ist die von Fußball-Zweitligist Schalke 04. Kein Gazprom mehr auf dem Trikot. Dem Hauptsponsor, den das frühere Aufsichtsratsmitglied Clemens Tönnies 2007 nach Schalke geholt hatte, dessen Geld für die Aufstiegsambitionen wichtig wäre und vermutlich schwer zu kompensieren ist. Auch wenn alle Fans das neue, Gazprom-freie Trikot kaufen sollten. Neun Millionen Euro soll der russische Staatskonzern selbst in der 2. Liga zahlen.
"Auf jeden Fall ist Schalke der größere Verlierer als die russische Seite“, so die Einschätzung von Sportökonom Jörn Quitzau. "Schalke ist sicherlich dringender auf das Geld angewiesen, als dass die Russen Schalke als Aushängeschild benötigen, weil Imagegewinn ist im Moment sowieso jetzt nicht zu machen in so einer Situation."
Eher geht es hier um den Imageverlust, vor allem von Schalke, würde der Verein weiter an Gazprom festhalten. Das Sponsoring war schon in der Vergangenheit umstritten, jetzt ist nicht mehr vermittelbar.

Sanktionen sind Finanzwaffe des Westens

Sanktionen sind die Finanzwaffe des Westens. Ein Mittel, das in sehr unterschiedlicher Form angewendet werden kann und je nachdem auch eigene Rückwirkungen entfaltet.
Es beginnt bei Einreisebeschränkungen einzelner Personen oder dem Einfrieren von Vermögen, es können auch ganze Wirtschaftsbereiche abgetrennt werden durch Im- oder Exportbeschränkungen oder eine ganze Volkswirtschaft soll ausgeschlossen werden, indem Finanzströme abgeschnitten werden. Das derzeit vieldiskutierte Ausschließen von Russland aus dem SWIFT-System.
U19 FC Schalke 04 - ein weiblicher Schalke-Fan mit einer Trommel von Sonor, mit Werbung für Gazprom und die RAG, Frauen, Fans, Anhänger, Zuschauer, U19 FC Schalke 04 a female Schalke supporter with a Drum from Sonor with Advertising for Gazprom and The Rag Women supporters Trailers Spectators
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"Moralisch alternativlos“
Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine verzichtet Fußball-Zweitligist FC Schalke 04 auf den Schriftzug seines Sponsors, des russischen Staatsunternehmens Gazprom. Das dürfe aber nicht der einzige Schritt bleiben, sagte Susanne Franke von der Schalke Fan-Initiative im Dlf.
„Das ist wie quasi ein Abschneiden aller Transaktionen, man könnte auch salopp sagen, sie müssten dann einen Koffer Geld von A nach B bringen, was in diesen Zeiten sowieso nicht mehr passiert und auch unter diesen Umständen nicht möglich ist. Aber genau das wäre die Konsequenz", erklärt Wirtschaftsprofessor Matthias Neuenkirch von der Uni Trier, der sich ausführlich mit der Wirkung von Sanktionen beschäftigt hat.

Sponsoring oder Spielertransfers betroffen

Das würde alle Sportvereine und -verbände treffen, die mit Russland finanzielle Verbindungen unterhalten. Egal, ob es um Austragung von Wettbewerben, Sponsoring oder auch zum Beispiel Transaktionen im Zusammenhang von Spielertransfers geht.
Es wäre ein echter Cut, der über Jahrzehnte eng verflochtene Verbindungen sehr abrupt beenden würde. Die entscheidenden Fragen sind: wie wirksam wäre das? Und wen würde es hauptsächlich treffen?
„Man versucht erst einmal Sanktionen zielgerichtet zu implementieren, bevor man sie sehr sehr breit implementiert, weil letztlich zeigt die Forschung, dass Sanktionen normalerweise tatsächlich diejenigen trifft, die am wenigsten dafür können. Nämlich die breite Bevölkerung.“

Sanktionen nach Krim-Annexion wirkungslos

Beträchtlicher wirtschaftlicher Schaden, der aber politisch wenig bewirkt hat. Das sind die Erfahrungen mit den Sanktionen, die seit der Annexion der Krim 2014 erhoben wurden, wie Forschungen von Matthias Neuenkirch und auch anderer Ökonomen gezeigt haben.
Ukrainische Soldaten stehen an einem Kontrollpunkt in der Hauptstadt Kiew.
Ukrainische Soldaten stehen an einem Kontrollpunkt in der Hauptstadt Kiew.
"Freunde und Familie müssen gerade kämpfen"
Der ehemalige Fechter Mark Perelmann ist in Kiew geboren und hat Freunde und Familie in dier Ukraine. Die Berichte aus seiner Heimat hätten ihn „sehr erschüttert“, sagte er im Dlf. Ehemalige Fechtkollegen würden nun „fechten im Real Life, aber auf einen Treffer“.
Doch jetzt ist die Lage eine andere. Die Bedrohung ist sehr viel größer und betrifft nicht nur die Ukraine. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich Putin sehr genau auf das Szenario „harte Sanktionen“ vorbereitet und es längst einkalkuliert hat, sagt Sportökonom Henning Vöpel: „Die kann man sich ausrechnen und man bereitet sich entsprechend zwei, drei Jahre vor und das hat Russland getan. Sie haben enorme Währungsreserven, sie haben bestimmte Vorräte angelegt und so weiter. Das heißt, sie kommen bestimmt ein Jahr lang ganz gut – je nachdem, was sie vorbereitet haben – lang.“

Putin hat alternatives Zahlungssystem

Dazu gehört beispielsweise, dass Putin ein alternatives Zahlungssystem zu SWIFT hat aufbauen lassen, dass zwar nur eine begrenzte Reichweite hat, aber das russische Bankensystem nicht komplett blank dastehen ließe.
Dennoch, betont Vöpel, sollte mit scharfen Sanktionen nicht zurückgehalten werden. Sie hätten einen nicht zu unterschätzenden Einfluss: "Nicht, dass Sanktionen, was man oft vermutet und unterstellt, den Aggressor zur Zurücknahme seiner Handlungen zwingen könnte, sondern aus rein verhandlungstaktischen Gründen. Dass man die Eskalationsstufen mitgeht, weil man natürlich in dem Moment, wo man wieder zurückgeht, etwas in der Hand hat, was man verhandeln kann."
Das Finale der Champions League soll in der Gazprom Arnea in Sankt Petersburg stattfinden - aus der Politik kommen Forderungen nach einer Verlegung durch die UEFA.
Das Finale der Champions League soll in der Gazprom Arnea in Sankt Petersburg stattfinden - aus der Politik kommen Forderungen nach einer Verlegung durch die UEFA.
Wie Russland seine Macht durch den Sport ausbaut
Die UEFA hält noch am Sponsoring von Gazprom fest. Aus der deutschen Politik gibt es Kritik an dieser Haltung. Für Russland ist der Sport aber ein nützliches Mittel für den Machtausbau.
Momentan sieht es eher danach aus, dass die Eskalation noch sehr lange dauern und damit für alle schmerzhaft sein werden, erläutert Jörn Quitzau: „Weil sie eben Wohlstandseinbußen bedeuten, meist auf beiden Seiten, aber im Regelfall eher auf der Seite der Sanktionierten und alles das, was man unter Freihandelsgesichtspunkten an Gewinnen erzielt, wird jetzt plötzlich rückabgewickelt.“

Vorteile des globalen Wirtschaftens werden zurückgefahren

Langfristig wird die Situation dazu führen, dass die Vorteile globalen Wirtschaftens, das Ideal-Prinzip – „jeder erwirtschaftet das, was er am besten kann und die besten Voraussetzungen hat“ – drastisch zurückgefahren wird.
Das wird Putin vermutlich alles wenig beeindrucken, solange sein persönlicher Wohlstand nicht betroffen ist und er nicht damit rechnen muss, abgewählt zu werden, sagt Jörn Quitzau: „In einer Demokratie würde jemand relativ schnell abgewählt werden, der erkennbar eine Politik betreibt, die Wohlstand vernichtet für die Bevölkerung, in anderen Regimen gibt es diesen Rückkopplungsmechanismus nicht und dementsprechend fallen die Ergebnisse von Sanktionen in unterschiedlichen Regimen auch durchaus anders aus.“

Sanktionen im Sport dienen der Symbolik

Von den vielen Sanktionsmöglichkeiten bleiben also zwei Arten: die mit hoher Symbolkraft und wenig volkswirtschaftlichen Folgen und die mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten, die tiefgreifende Effekte haben werden. Sanktionen im Sport dienen vor allem der Symbolik, können aber dennoch wirksam sein, betont Sportökonom Henning Vöpel: „Beim Sport haben symbolische Handlungen nochmal eine besondere Bewandtnis, weil der Sport natürlich selbst bestimmte Werte transportiert und womöglich hier die Symbolwirkung besonders wichtig ist.“
Vorstellbar, dass Putin sich zwar nicht um finanzielle Einbußen schert, wohl aber nicht gern sehen würde, wenn Russland nicht mehr beim europäischen Fußball mitmachen dürfte, von wichtigen Wettkämpfen vor allem im Wintersport ausgeschlossen wären oder bei Olympia nicht mehr dabei wäre. Möglicherweise wäre das tatsächlich schmerzhaft.