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75 Jahre Unicef
„Es gibt kein feindliches Kind“

Mit Lebertran, Milch und warmer Kleidung für die Kinder im kriegszerstörten Europa fing alles an: Am 11. Dezember 1946 wurde Unicef gegründet, zunächst nur als kurzfristige Nothilfe. Doch längst ist das UN-Kinderhilfswerk ein wichtiger Akteur weltweiter Entwicklungszusammenarbeit.

10.12.2021
Die blauen Schulrucksäcke von Unicef, Flüchtlingslager Kakuma in Kenia
Kinder laufen mit blauen Rucksäcken mit dem Logo von Unicef durch Kalobeyei bei Kakuma. Kakuma ist eines der größten Flüchtlingslager des Landes. Mehr als eine halbe Million geflüchteter Menschen aus über 30 Ländern leben derzeit in Kenia. (dpa / Bernd von Jutrczenka)
„Es gibt kein feindliches Kind.“ Das ist ein Satz, der bei Unicef immer wieder zitiert wird, in Festreden, in Fachbeiträgen oder Pressemitteilungen. Überliefert ist er allerdings von einer Frau, die die Gründung von Unicef gar nicht mehr erlebt hat, nämlich von der britischen Kinderrechtsaktivistin Eglantyne Jebb, die 1928 starb. Doch ihre Überzeugung, dass es keine feindlichen Kinder gibt, gehört zum Erbgut des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen.
„Kinder sind Kinder, egal, wo sie leben, alle diese Kinder haben ein Recht auf Unterstützung. Das bedeutet nicht, dass man immer offene Türen hat“, sagt Rudi Tarneden. Er ist Sprecher von Unicef Deutschland, er kennt die Geschichte der Organisation in- und auswendig. „Ich arbeite seit 1995 bei Unicef und habe schon den 50. Geburtstag der Organisation erlebt, also ein Vierteljahrhundert Unicef.“

Die Gründung von Unicef – keine Selbstverständlichkeit

Jetzt feiert Unicef seinen 75. Geburtstag: Am 11. Dezember 1946 beschloss die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Gründung des United Nations International Children‘s Emergency Fund, kurz: Unicef. Dass sich die Mitgliedsstaaten damals angesichts des aufziehenden Kalten Krieges einstimmig dazu durchrangen, war keine Selbstverständlichkeit.
Waisenkinder in Frankreich werden während des 2. Weltkriegs mit Nahrung, Milch und Medikamenten versorgt
Waisenkinder in Frankreich werden während des 2. Weltkriegs mit Nahrung, Milch und Medikamenten versorgt (imago / United Archives International)
 „Ich glaube, man muss den Rückblick damit beginnen, sich die Zeit vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs vorzustellen.“ Das nämlich war die Zeit, als die Alliierten das nationalsozialistische Deutschland besiegten und die von den Nazis besetzten Gebiete befreiten. Sie wurden dabei Zeugen von unermesslichem Elend: Hunger und Krankheiten, zerstörte Städte, Millionen Menschen, die Zwangsarbeit oder Konzentrationslager gerade so überlebt hatten, ausgemergelt und entkräftet, versehrt von Krieg und Folter.
Auf den Fersen der alliierten Kämpfer folgten deshalb die Helfer von UNRRA, einer Nothilfe- und Wiederaufbauorganisation, die bereits 1943 in den USA von insgesamt 44 Staaten gegründet worden war.

Unicef-Vorläufer gerät zwischen die Fronten des Kalten Krieges

Die Aufgabe von UNRRA war es, in den befreiten Gebieten die allergrößte Not zu stillen, Nahrung, Kleidung und Medikamente zu liefern und den sogenannten „Displaced Persons“, also etwa bisherigen Zwangsarbeitern oder Kriegsgefangenen bei der Rückkehr in ihre Heimat zu helfen.
„UNRRA war finanziert von den Alliierten, vor allem aus den USA und aus England, weil man erkannt hat, wenn man den Kontinent sich selbst überlässt, gibt es ein riesiges Chaos oder das Chaos wird noch viel größer.“

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Doch als der Krieg zu Ende war und sich die Blockbildung zwischen dem Westen und der Sowjetunion immer stärker abzeichnete, geriet UNRRA zwischen die Fronten.
Im März 1946 beschrieb Winston Churchill, der Großbritannien als Premierminister durch die Kriegsjahre geführt hatte, den Eisernen Vorhang, der sich mitten in Europa herabgesenkt habe. Churchills Worte sollten berühmt werden – und den Zuhörern dürfte schon damals klar gewesen sein: Eine Hilfsorganisation, finanziert vor allem mit amerikanischem und britischem Steuergeld, würde nicht auf beiden Seiten dieses Eisernen Vorhangs arbeiten können.
„Und die Verantwortlichen von UNRRA haben überlegt, wie kann man den Geist und die Arbeit von UNRRA erhalten, nämlich Menschen unabhängig von ihren politischen Lagern zu helfen und sie zu versorgen“, so Rudi Tarneden.

Hungersnot nach dem Zweiten Weltkrieg

Zu den größten Nöten am Ende des Krieges gehörte der Hunger. Der US-amerikanische Präsident Harry S. Truman hatte seine Bürger bereits dazu aufgerufen, auf einen gewissen Anteil an Weizen und Fett zu verzichten und mit Lebensmitteln äußerst sparsam zu sein, um hungernde Kriegsopfer in Europa zu versorgen. Außerdem holte er sich einen Mann an die Seite, der ursprünglich ein politischer Gegner gewesen war. Truman, der Demokrat, machte den früheren US-Präsidenten Herbert Hoover, einen Republikaner, zu seinem Sonderbeauftragten, um die weltweite Ernährungslage nach Kriegsende zu begutachten.
Hoover war ein erfahrener Experte für dieses Thema – schon nach dem Ersten Weltkrieg hatte er äußerst erfolgreich Lebensmittellieferungen nach Europa koordiniert. Truman schickte Hoover nun auf eine wochenlange beschwerliche Weltreise, mit Stationen etwa in Paris, Tokio, Kairo, Prag und Caracas. Über seinen Halt in Warschau im April 1946 berichtete die von Amerikanern und Briten verantwortete Wochenschau „Welt im Film“:

Ex-Präsident Herbert Hoover - Sonderbeauftragter für die Ernährungslage

„Auf seiner Weltreise zur Prüfung der Ernährungslage traf der amerikanische Ex-Präsident Hoover in Warschau ein. Der Sonderbeauftragte Präsident Trumans besichtigte die völlig zerstörte Stadt. Die Notlage der Bevölkerung ist unbeschreiblich. Hier Besserung zu schaffen, ist eine der schwierigsten, aber auch dringendsten Aufgaben Hoovers.“
Herbert Hoover als Leiter der Ernährungsabteilung im 1. Weltkrieg 1918, noch vor seiner Präsidentschaft
Ex-Präsident Herbert Hoover war eigentlich ein politischer Gegner von US-Präsident Truman - und ausgewiesener Fachmann für Nahrungsmittelverteilung (picture alliance / Everett Collection)
Es gibt Bilder von Hoover, umgeben von ausgehungerten Kindern, die nur Lumpen tragen, ringsherum Trümmer. Das Schicksal der Kinder nach dem Zweiten Weltkrieg war ihm ein besonderes Anliegen. In einer seiner Reden beschrieb er den Hunger als Apokalyptischen Reiter, der sich wie ein stiller Besucher neben jede besorgte Mutter setze:
„Er bringt nicht nur Leid und Kummer, sondern auch Angst und Terror. Er hat mehr zerstörerische Kraft als ganze Armeen.“

Der Arzt Ludwik Rajchman gilt als eigentlicher Gründer von Unicef

Hoover wusste, dass Hunger, Krankheiten und körperliche Ausgezehrtheit zu neuen politischen Problemen und Feindseligkeiten führen würden.
„Wenn Europa eine Zukunft haben soll, muss diesen Kindern geholfen werden.“
Mit seinem Einfluss war Hoover ein entscheidender Akteur bei der Gründung von Unicef und es ist kein Zufall, dass einer seiner engsten Vertrauten, Maurice Pate, der erste Exekutiv-Direktor von Unicef wurde.
Die Nothilfe-Organisation UNRRA ging in den 1945 gegründeten Vereinten Nationen auf. Dass Unicef nun Geld und Ressourcen von UNRRA übernehmen konnte, war vor allem dem polnisch-französischen Arzt Ludwik Rajchman zu verdanken, der bereits UNRRA mit aufgebaut hatte und sich jetzt für die Kinderhilfe stark machte. Rajchman wird deshalb oft als eigentlicher Gründer von Unicef bezeichnet.

Als kurzfristige Nothilfe für kriegsversehrte Kinder in Europa gedacht

Das Wort „Emergency“ – also Notfall - im Namen von Unicef, war wohl mitentscheidend für die Zustimmung zu der entsprechenden Resolution: Denn es wurde damals nicht an eine dauerhafte Institution gedacht, sondern an eine kurzfristige Nothilfe für Kinder, bis sich Europa vom Zweiten Weltkrieg erholt hat. Es war also zunächst die Gründung eines Provisoriums.
„Unicef war ja erstmal nur so ein Hilfsfonds, bei dem man auch gar nicht wusste, wie lange der eigentlich bestehen bleiben soll“, sagt Anna Holzscheiter. Sie ist Professorin für Internationale Politik an der Universität Dresden; Internationale Organisationen und Kinderrechte sind ihr Fachgebiet. „Dieser Hilfsfonds sollte sich um Kriegswaisen, Vertriebene, kriegsversehrte Kinder im zerstörten Europa kümmern.“
Und das tat Unicef: mit Lebertran, Milch und warmer Kleidung – auch in Deutschland. In weiten Teilen Europas hatte Unicef seinen Auftrag bald erfüllt: „Und dann hat man gesagt, okay, in Europa hat sich die Situation jetzt verbessert, dann schauen wir auch mal anderswo, in den Kolonien, auch in den Ex-Kolonien, gerade in Subsahara-Afrika, da kümmern wir uns um Kinderarmut, um Kindersterblichkeit.“
„In dieser Zeit entwickelten sich die Vereinten Nationen und die Zahl der Mitgliedstaaten stieg. Auf einmal waren da Länder politisch vertreten, die sonst Kolonien gewesen waren. Und diese Staaten pochten auch mit Recht darauf, dass sie sagten, wir müssen hier unsere Staaten aufbauen und das geht nur, wenn wir gesunde Kinder haben“, ergänzt Unicef-Sprecher Tarneden.

Impfkampagnen und Hebammenausbildung

So wandelten sich Anspruch und Auftrag von Unicef. 1953 kam es zu einer Art zweiten Gründung: Die UN-Generalversammlung machte Unicef zu einer dauerhaften Sonderorganisation der Vereinten Nationen, auch diesmal einstimmig. Der Begriff Emergency, „Notfall“, wurde aus dem Namen herausgenommen, die Abkürzung aber beibehalten – denn sie war längst weltweit bekannt.
Unicef stand jetzt nicht mehr nur für Nothilfe, sondern wurde zu einer permanenten Entwicklungsorganisation, mit Projekten in Afrika, Lateinamerika und Asien, bei Hungersnöten, in Krisen und Kriegen, nach Naturkatastrophen. Mit Impfkampagnen, Latrinen- und Brunnenbau, Nahrungsmittellieferungen. Hebammen wurden weitergebildet und mit Standardutensilien für die Geburtshilfe ausgestattet – ein wichtiger Faktor im Kampf gegen die Kindersterblichkeit.

1965: Friedensnobelpreis für Unicef

1965 bekam das Kinderhilfswerk für seine Arbeit den Friedensnobelpreis. Der damalige Exekutiv-Direktor Henry Labouisse nahm die Auszeichnung entgegen: “Einer der bedeutsamen Faktoren für den Fortschritt eines Landes ist die Entwicklung der Kinder. Sie sind die Erwachsenen von morgen, die zukünftigen Ärzte, Lehrer, Wissenschaftler. Es ist eine wichtige Aufgabe, an der Unicef sich beteiligt.“
Diese Aufgabe aber hat sich seither stark gewandelt, auch, weil sich die Vorstellung von Entwicklungshilfe verändert hat.  Und weil es nicht mehr um generöses Mitgefühl geht, sondern um das Recht eines jeden Kindes auf Leben, Versorgung, Bildung und Schutz vor Gewalt.
In einem Klassenraum stehen die Tische noch aufgereiht, doch in der Wand klafft ein großes Loch.
Kriegszerstörte Schule in Idlib, Syrien (AFP/Omar Haj Kadour)

Kinderrechte und Konflikte

1989 verabschiedete die UN-Vollversammlung die Kinderrechtskonvention, mit der ein historisch völlig neues Verständnis von Kindheit verbunden ist. Das einzige Land, das diesem Abkommen bislang nicht beigetreten ist, sind die USA: Hier gibt es unter anderem Befürchtungen, die amerikanische Souveränität und auch die elterlichen Entscheidungen könnten eingeschränkt werden.
Für Unicef jedenfalls war die Verabschiedung der Konvention damals ein Meilenstein, aber auch ein heißes Eisen. Die Politikwissenschaftlerin Anna Holzscheiter: „Als die verabschiedet wurde, war Unicef sehr ambivalent, auch weil Unicef immer eine Organisation war, die sich um jüngere Kinder gekümmert hat, also die Altersgruppe null bis fünf Jahre, um Kindersterblichkeit, Grundimmunisierung, Durchfallerkrankungen, Müttergesundheit, also der Start ins Leben. Und als dann klar war, da wird jetzt eine Konvention verabschiedet, die sich an Kinder und Jugendliche richtet zwischen null und 18 Jahren, also für Unicef bedeutete das auch ein ganz neues Mandat, wir sind jetzt zuständig Jugendliche und für so etwas wie Partizipationsrechte.“
Doch vor allem die Bedeutung dieser Mitsprache- und Partizipationsrechte sei hochumstritten gewesen: „Weil viele Akteure in der Unicef und auch um sie herum dann eben sagen, nein, sie soll sich auf diese operativen Tätigkeiten konzentrieren und vor allem dafür sorgen, dass Kinder so lange ihre Kindheit überleben, dass sie irgendwann junge Menschen werden und ihre Rechte tatsächlich auch wahrnehmen können.“
Obendrein gebe es in vielen Ländern unterschiedliche Vorstellungen von Kindheit und Kinderrechten – selbst wenn diese Staaten die Konvention offiziell ratifiziert haben.

Dem Teufel die Hand schütteln

„So etwas wie gewaltfreie Erziehung, das sind so Elemente dieser Konvention, bei denen klar ist, wenn Unicef sich das zu sehr auf die Fahnen schreibt, dass es dann auch in den Ländern selbst vielleicht Unverständnis hervorruft, dass Mitarbeiter im Feld mit diesen Normen nichts anfangen können und dass die kulturell auch nicht vermittelbar sind.“
Die Kinderrechtskonvention hat Unicef mehr und mehr auch zu einem politischen Akteur gemacht, der nicht nur Lebensmittel, Impfstoffe und Moskitonetze bereitstellt, sondern Partei ergreift für die Rechte von Kindern. Auch dort, wo Diktatoren an der Macht sind und Menschenrechte verletzt werden – immer nach dem Leitbild, dass es keine feindlichen Kinder gibt. Aber manchmal müsse man dafür dem Teufel die Hand schütteln, sagt Unicef-Sprecher Rudi Tarneden:
„Die Organisation versucht, alle Menschen in allen politischen Lagern zu motivieren, den Kinderrechten zu helfen und sich dafür einzusetzen. Insofern ist die Organisation tatsächlich durch die Kinderrechtskonvention politischer geworden. Weil sie auch viel stärker in die politischen Diskussionen in den Ländern eingreift, zum Beispiel beim Einsatz gegen Mädchenbeschneidung oder frühe Heirat.“
15.000 Menschen arbeiten hauptamtlich für Unicef, die allermeisten von ihnen sind nationale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Entwicklungs- und Schwellenländern. Allein im vergangenen Jahr hat Unicef weltweit fünf Millionen akut mangelernährte Kinder unter fünf Jahren unterstützt, etwa mit hochkalorischer Erdnusspaste.
In 143 Ländern hilft Unicef derzeit bei der Wasser- und Sanitärversorgung; Millionen Mädchen und Jungen gehen mit den türkisfarbenen Rucksäcken mit Unicef-Logo zur Schule, erhalten dort Bücher und Schreibutensilien vom Kinderhilfswerk. Auch in Deutschland ist Unicef aktiv, etwa mit Projekten für Flüchtlingskinder.
Finanziert wird all das aus freiwilligen Beiträgen der UN-Mitgliedsstaaten, aus privaten Spenden und zu einem kleinen Teil aus dem traditionellen Grußkartenverkauf. 2020 lagen die Unicef-Einnahmen bei 7,5 Milliarden US-Dollar. Die Bundesrepublik war mit 744 Millionen der zweitgrößte Geber nach den USA.

Unicef-Botschafter und Glamour-Faktor

Beim Werben um Spendengelder setzt das Kinderhilfswerk seit Jahrzehnten auch auf prominente Gesichter: die Unicef-Botschafter. Der erste von ihnen war 1954 der US-amerikanische Komiker und Hollywood-Star Danny Kaye. Unicefs erster Exekutiv-Direktor Maurice Pate hatte im Flugzeug neben ihm gesessen und ihn für die Sache gewonnen.
Liberia, 23 März 2015: Der britische Schauspieler und Unicef-Botschafter Orlando Bloom spricht mit einer Mutter und ihrem Kind vor einer Klinik.
Der britische Schauspieler und Unicef-Botschafter Orlando Bloom in Liberia (UNICEF)
Danny Kaye reiste im Unicef-Auftrag in die ärmsten Länder der Welt, von Fernsehkameras begleitet – er ging zu Kindern, die an Tuberkulose oder Himbeerpocken litten, unterstützte Unicef-Impfaktionen in Indien, besuchte Waisenhäuser in Japan.
„Der Glamour-Faktor spielt in einer Welt, in der es darum geht, um Aufmerksamkeit zu konkurrieren, schon eine große Rolle“, erklärt Rudi Tarneden. Für den Glamour-Faktor sorgten im Unicef-Auftrag noch viele weitere Prominente: die Schauspieler Peter Ustinov, Audrey Hepburn oder Roger Moore zum Beispiel, der Fußballer David Beckham.
Astronaut Alexander Gerst meldete sich als Unicef-Botschafter von der Internationalen Raumstation: „Mein Traum hier oben auf der ISS ist es, dass wir alle zusammen den Planeten Erde zu einem besseren Ort für Kinder machen.“
Unicef in Deutschland wurde 2007 und 2008 von einer öffentlich ausgetragenen Führungskrise erschüttert; viele der Vorwürfe, die damals erhoben wurden, stellten sich später zwar als falsch oder aufgebauscht heraus. Doch zeigten sich Mängel bei der Transparenz. Das hat sich geändert: Die Organisation wurde zwischenzeitlich sogar für ihre vorbildliche Finanzberichterstattung ausgezeichnet. Doch es dauerte eine Zeit, das verloren gegangene Vertrauen zurückzugewinnen. „Wir haben massive Anstrengungen in Transparenz unternommen und versuchen auch heute, aus dieser Krise zu lernen.“

„Coronapandemie ist die größte Krise seit Unicef-Gründung“

Die Erfolge des Kinderhilfswerks in aller Welt sind unbestritten: Die Kindersterblichkeit ist zurückgegangen, ebenso die Kinderarbeit. Es gehen heute mehr Kinder zur Schule als je zuvor. Zugleich sind aber auch so viele Kinder auf der Flucht wie nie zuvor, immer mehr Mädchen und Jungen leben in fragilen Staaten, in permanenten Konflikten. Rund 300 Nothilfeeinsätze zählte Unicef zuletzt jedes Jahr, aktuell etwa in Syrien und im Jemen. Die größte Krise aber seit Unicef-Gründung ist die Coronapandemie: Weltweit seien 100 Millionen Mädchen und Jungen zusätzlich in Armut gerutscht, so das Hilfswerk. Auch nach 75 Jahren bleibt für Unicef also viel zu tun. Rudi Tarneden:
„Wir müssen aufpassen, dass die Fortschritte, die für Kinderrechte erzielt wurden, nicht wieder verloren gehen.“