Dienstag, 19. März 2024

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Union zum SPD-Steuerkonzept
"Entlastungen nicht durch Steuererhöhungen finanzieren"

Lohnerhöhungen, Rücklagen bilden, investieren, "das fällt nicht vom Himmel runter", sagte Eckhardt Rehberg, haushaltspolitischer Sprecher der Union im Dlf. Die von der SPD vorgeschlagene "Reichensteuer" belaste den deutschen Mittelstand, etwa Handwerksbetriebe.

Eckhardt Rehberg im Gespräch mit Martin Zagatta | 20.06.2017
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Eckhardt Rehberg.
    Zehn Prozent der Steuerpflichtigen trügen 60 Prozent der Steuern, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Eckhardt Rehberg im Dlf. (picture alliance / dpa / Jens Büttner)
    Martin Zagatta: Die SPD will den Spitzensteuersatz von 42 auf 45 Prozent erhöhen, ihn aber erst ab einer höheren Einkommensgrenze greifen lassen. Wer weniger als 1300 Euro im Monat verdient, soll weniger Sozialbeiträge zahlen, und der Solidaritätszuschlag soll zunächst für Gering- und Durchschnittsverdiener abgeschafft werden. Das sind, ganz kurz gesagt, die Eckpunkte des Konzepts der Sozialdemokraten, über das jetzt heftig diskutiert und gestritten wird.
    Das setzt jetzt auch, sollte man zumindest meinen, die Union vielleicht unter Druck, ihre Vorstellungen, was sie bei einem Wahlsieg vorhat, auch zu konkretisieren. Etwas Aufschluss hat man sich da heute schon von Angela Merkel selbst erwartet. Die Kanzlerin war am Vormittag zu Gast beim Tag der deutschen Industrie.
    Eckhardt Rehberg, der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag. Guten Tag, Herr Rehberg.
    Eckhardt Rehberg: Guten Tag.
    "Zehn Prozent tragen 60 Prozent der Steuern"
    Zagatta: Herr Rehberg, lässt sich das so auf den Punkt bringen, wie das der Kollege Geers uns gerade geschildert hat? Sein Eindruck war, die Union will an der ungleichen Vermögensverteilung und am Thema, was die SPD so hervorhebt, an dieser Ungerechtigkeit, die es geben soll in Deutschland, im Wesentlichen nichts ändern. Man sagt, eigentlich ist alles in Ordnung. Ist das die Linie?
    Rehberg: Was das Thema Vermögensverteilung betrifft, da muss man auch daran erinnern, dass fast 60 Prozent des Steueraufkommens von den oberen zehn Prozent der Steuerpflichtigen getragen werden und die unteren 50 Prozent nicht mal zehn Prozent tragen. Breite, starke Schultern werden schon höher belastet. Und dass die sogenannte Gerechtigkeitsdebatte von Martin Schulz fehlgeschlagen ist, das hat man, glaube ich, sehr deutlich in den letzten Wochen und Monaten erlebt.
    "Falsch, unsere 'hidden champions' so zu belasten"
    Zagatta: Jetzt kommt aber das Steuerkonzept, das die SPD, das Martin Schulz gestern vorgelegt hat, bei vielen Experten wie etwa beim Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, ganz gut an. Er und andere sagen, die SPD-Pläne belasten die oberen zehn Prozent der Gesellschaft mehr, entlasten dafür aber 80 Prozent in der Mitte, und das sei eigentlich genau der richtige Weg. Was spricht dagegen?
    Rehberg: Dagegen spricht, dass auch diese sogenannten Wirtschaftsforscher völlig den deutschen Mittelstand außer Acht lassen. 80 Prozent unserer Unternehmen sind Personengesellschaften und die werden in hohem Maße belastet. Die können aber nicht weg aus Deutschland wie zum Beispiel Kapitalgesellschaften. Deswegen ist es völlig falsch, gerade den Mittelstand, die Personengesellschaften, unsere "hidden Champions", die eigentümergeführten Unternehmen in dieser Art und Weise zu belasten. Wer hier eine Reichendebatte führt, der führt dann auch immer eine Debatte Belastung des deutschen Mittelstandes.
    Zagatta: Aber das hat ja die SPD versucht, soweit ich das gestern verstanden habe, in etwa zu vermeiden. Man setzt darauf, kleinere und mittlere Einkommen zu entlasten. Sagen Sie jetzt, wenn man diese Debatte, diese Reichendebatte, wie Sie es nennen, nicht führen will, wenn man Unternehmen nicht belasten will, dann geht das nicht, kleine und mittlere Einkommen zu entlasten?
    Rehberg: Na gut. Eine Personengesellschaft wird genauso besteuert wie eine Einzelperson. Und wenn ich dann deutlich den Spitzensteuersatz anhebe, auf 45 Prozent, sogar bei der sogenannten Reichensteuer auf 48 Prozent, und schon bei 45 Prozent bei 76.200 Euro bin, dann treffe ich viele, viele Handwerksbetriebe und mittelständische Unternehmen.
    Zagatta: Aber das ist ein zu versteuerndes Einkommen dann.
    Rehberg: Ja, aber das ist mir klar. Letztendlich muss ich mich dann entscheiden, kann ich Gewinne investieren oder bilde ich Rücklagen, nehme ich aus den Gewinnen Lohnerhöhungen für meine Beschäftigten und so weiter und so fort. Das fällt ja nicht einfach vom Himmel runter. Es muss erarbeitet werden.
    Zagatta: Und das heißt, dann ist das nicht möglich, Geringverdiener und Leute, die weniger verdienen, zu entlasten, weil man dann immer auf die Unternehmen schauen muss? Da habe ich Sie richtig verstanden?
    Rehberg: Das ist doch logisch. Gerade in Deutschland ist doch die Stärke der deutschen Wirtschaft der Mittelstand, das sind die Personengesellschaften. Und wenn ich da noch soweit gehe, ich komme aus Mecklenburg-Vorpommern, wo ein hoher Wertschöpfungsanteil durch die Tourismus- und Hotellerie-Wirtschaft kommt, dann noch den Umsatzsteuersatz wieder auf 19 Prozent zu erhöhen, dann schädige ich noch mal gerade kleine und mittelständische Unternehmen in einem strukturschwachen Land.
    Zagatta: Und dann muss man hinnehmen - wenn Sie dieses Gewerbe ansprechen, dort werden ja besonders niedrige Löhne gezahlt, heißt es -, dann muss man das auch in Kauf nehmen, dass man bei dem Wirtschaftserfolg, den Deutschland ja durchaus dort verzeichnet, auf der anderen Seite relativ viele prekäre Beschäftigungen zulässt und Menschen, die von ihrer Arbeit letztendlich gar nicht leben können.
    Rehberg: Wir haben im letzten Jahrzehnt einen deutlichen Aufwuchs von Vollarbeitsplätzen und keinen Aufwuchs an prekären Beschäftigungsverhältnissen. Und gerade der Mittelstand im Hotellerie-Bereich, im Gastronomiebereich hat das Thema Mindestlohn zu verkraften gehabt und die Wettbewerbsfähigkeit konnte auch unter anderem erhalten werden, hergestellt werden, indem gerade für die kleinen und mittleren diese Umsatzsteuerabsenkung im Jahr 2010 dazu geführt hat, dass sie Luft zum Atmen bekommen haben.
    "Entlastungen nicht durch Steuererhöhungen finanzieren"
    Zagatta: Die Union muss ja auch etwas vorlegen, wie sie in den Wahlkampf gehen will. Wie wird dann das Steuerkonzept aussehen? Sie sagen, wir können eigentlich alles so lassen wie es ist, oder sehen Sie Handlungsbedarf? Finden Sie vielleicht irgendetwas sogar gut an dem, was die SPD gestern vorgelegt hat?
    Rehberg: Was wir nicht machen werden: Wir werden nicht Entlastungen durch Steuererhöhungen finanzieren. Und wir sind den Weg schon gegangen in den letzten Jahren, übrigens gemeinsam mit der SPD, beim Thema Abbau der Kalten Progression, Entlastung niedriger und mittlerer Einkommen. Und dies werden wir, glaube ich, in der Konsequenz weitermachen. Und wir müssen natürlich immer beachten: Wenn wir von 15 Milliarden Entlastung sprechen im Einkommenssteuerbereich, dann müssen natürlich auch Länder und Kommunen bereit sein, ihren Anteil zu tragen. Bei 15 Milliarden sind das rund sechseinhalb Milliarden beim Bund und achteinhalb Milliarden bei Ländern und Kommunen. Das darf man nicht aus dem Blick lassen.
    Zagatta: Sind denn 15 Milliarden tatsächlich so viel, wenn wir uns diese gewaltigen Steuereinnahmen anschauen und jetzt mitbekommen haben, in der vergangenen oder vorvergangenen Woche gehört haben, wegen Regierungsfehlern müssen wir den Energiekonzernen jetzt sieben Milliarden nachzahlen, und da hieß es ja, ach, das Geld haben wir?
    Rehberg: Dieses Geld haben wir auch ausgegeben, die 6,3 Milliarden Kernbrennstoff-Elementesteuer. Die sind auch in Schulsanierungen geflossen, in Verkehrswege und so weiter. Sonst hätte man das nicht ausgeben können. 15 Milliarden Euro gesamtstaatlich sind nach meiner Auffassung verkraftbar. Was nicht verkraftbar ist: Ich habe mal überschlagen, was würden denn die Pläne der SPD kosten im steuerlichen Bereich, im Bereich keine Kita-Gebühren mehr oder auch im Investitionsbereich. Das wären allein für die kommende Legislaturperiode mindestens 70 Milliarden Euro Mehrbelastung für den Bundeshaushalt, und das ist auch für einen Bundeshaushalt nicht verkraftbar, zumal wir ab 2020 den Bund-Länder-Finanzausgleich verkraften müssen als Bund, wo wir auch massiv die Länder entlasten.
    "An den Solidaritätszuschlag herangehen in Stufen"
    Zagatta: Da sagen einige in der SPD, deswegen müsste man ja gerade an die ganz großen Einkommen heran, die stärker belasten. – Aber ein anderes Thema noch zum Schluss. Die SPD will ja auch jetzt diesen Solidaritätszuschlag zumindest für Gering- und Durchschnittsverdiener abschaffen, abbauen. Wieso geht da die Union nicht heran? Das ist eine Steuer, 27 Jahre nach der Einheit. Braucht es die wirklich noch?
    Rehberg: Das ist eine allgemeine Steuereinnahme-Quelle und nicht, wie die SPD das in ihrem Papier beschreibt, noch speziell für den Osten. Wir wollen an den Solidaritätszuschlag herangehen in Stufen. Aber wenn wir eine Entlastung vornehmen, dann für alle.
    Zagatta: … sagt Eckhardt Rehberg, der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag. Herr Rehberg, danke für das Gespräch.
    Rehberg: Bitte sehr!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.