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Vor 50 Jahren gestorben
Der 33. amerikanische Präsident Harry S. Truman

Als Harry S. Truman 1945 die Nachfolge Franklin D. Roosevelts antrat, galt er als eher mittelmäßige Besetzung. Doch wenige Präsidenten der USA haben so tiefe Spuren in der Weltgeschichte hinterlassen wie der 33. Amtsinhaber.

Von Bert-Oliver Manig | 26.12.2022
Portrait von 1948 von Harry S. Truman an seinem Schreibtisch im Weißen Haus.
US-Präsident Harry S. Truman sagte in seiner "Truman-Doktrin" den "freien Völkern" die Unterstützung im Kampf gegen den Kommunismus zu (picture alliance / AP)
Harry S. Truman war keine imposante Erscheinung. Das Time Magazine spottete über den 1884 geborenen früheren Kommunalbeamten aus dem Bundesstaat Missouri, der erst mit 50 Jahren als Senator nach Washington gekommen war: „Ein gewöhnlicher Mann ohne Neugier oder irgendwelche Ambitionen.“
Mit seinem akkurat gezogenen Scheitel und den dicken Brillengläsern wirkte Truman tatsächlich wie ein Buchhalter. Ironischerweise verhalf ihm ausgerechnet der Vorsitz im Senatsausschuss zur Kontrolle der Rüstungsausgaben im Zweiten Weltkrieg zu nationaler Bekanntheit. 1944 machte US-Präsident Franklin D. Roosevelt Truman zu seinem Stellvertreter. Andere Kandidaten waren dem Präsidenten als zu eigenwillig erschienen.

Atomwaffenabwurf auf Japan

Vom überraschenden Tod Roosevelts am 12. April 1945 erfuhr Truman von der Witwe des Präsidenten. Spontan fragte er, ob er irgendetwas für sie tun könne. Eleanor Roosevelt gab ihm zur Antwort: „Gibt es irgendetwas, was wir für Dich tun können, Harry? Denn Du bist nun derjenige, der in Schwierigkeiten steckt!"
Das neue Amt forderte den außenpolitisch unerfahrenen Truman sofort. Nach dem erfolgreichen Abschluss des geheimen Atombombenprogramms, in das er von Roosevelt nicht einmal eingeweiht worden war, musste er entscheiden, ob die neuartige Waffe im Krieg gegen Japan eingesetzt werden sollte. Für Truman war die Sache klar.
"Die Welt wird zur Kenntnis nehmen, dass die erste Atombombe über Hiroshima abgeworfen wurde, einem Militärstützpunkt. Wir haben sie eingesetzt, um den furchtbaren Krieg abzukürzen und das Leben von Abertausenden junger Amerikaner zu retten."
Die rasche Kapitulation Japans schien Truman Recht zu geben. An der Richtigkeit des Einsatzes der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, die weit mehr als 200.000 Zivilisten das Leben kosteten, hat er nie gezweifelt. Aber als Militärs Jahre später im Koreakrieg den erneuten Einsatz der Nuklearwaffe forderten, lehnte Truman dies entschieden ab. Schon 1945 erwog der Präsident, alle Atomwaffen im Rahmen der Vereinten Nationen internationaler Kontrolle zu unterstellen, um künftige Atomkriege zu verhindern.

Beginn des Kalten Krieges mit der Sowjetunion

Doch daraus wurde nichts: Der Aufbau einer weltweiten Friedensordnung nach dem Zweiten Weltkrieg blieb in den Anfängen stecken. Stattdessen wurde Trumans Präsidentschaft vom Kalten Krieg zwischen Ost und West geprägt. 1947 reklamierte er aus Sorge vor einem weiteren Vordringen des Kommunismus eine weltweite Führungsrolle der USA bei Verteidigung von Freiheit und Demokratie:
"Nach meiner Überzeugung muss es die Politik der Vereinigten Staaten sein, freie Völker in ihrem Widerstand gegen Unterwerfung durch bewaffnete Minderheiten oder durch äußeren Druck zu unterstützen."
Diese sogenannte Truman-Doktrin war eine historische Zäsur: Sie beendete die starke amerikanische Tradition des Isolationismus. Entscheidungsstark setzte Truman Weichenstellungen wie die dauerhafte amerikanische Militärpräsenz in Europa und Asien, den Marshall-Plan zum wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas und die Gründung der NATO durch. Langfristig trug die Truman-Doktrin allerdings auch dazu bei, dass die USA sich in fragwürdige Militärputsche und in neue Kriege verstricken ließen.

Truman-Doktrin und Aufhebung der Rassentrennung

Überraschend wurde Truman 1948 für eine zweite Amtszeit gewählt, doch populär war er nie. Auch seine innenpolitisch größte Tat, die Aufhebung der Rassentrennung in der Armee, trug ihm viel Kritik ein. 1952 verzichtete Truman nach desaströsen Vorwahlergebnissen auf eine erneute Präsidentschaftskandidatur. In seiner Abschiedsrede stellte er sich als bescheidenen und pflichtbewussten Staatsdiener dar:
"Als Franklin Roosevelt starb, meinte ich, dass eine Million Männer besser für das Amt des Präsidenten qualifiziert seien als ich. Doch die Aufgabe fiel mir zu. Ich hatte sie zu erfüllen. Und ich versuchte, alles hineinzulegen, was in mir steckt."

Die ihm bleibenden 20 Jahre bis zu seinem Tod am 26. Dezember 1972 verbrachte Truman in seinem Heimatort Independence. Dort schrieb er seine Memoiren und widmete sich, durchaus ohne falsche Bescheidenheit, dem Aufbau des Harry S. Truman-Museums.