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Vor 20 Jahren
Das Verbotsverfahren gegen die baskisch-nationalistische Partei Batasuna

Am 26. August 2002 verbot ein spanischer Ermittlungsrichter der baskischen Partei Batasuna sämtliche Aktivitäten und schloss ihre Büros. Batasuna galt als politischer Arm der ETA – dennoch war das Verbot umstritten.

Von Hans-Günter Kellner | 26.08.2022
Der Sprecher der Separatistenpartei Batasuna, Arnaldo Otegi (M), und die Batasuna-Mitglieder Anton Morcillo (l) und Josu Urrutikoetxea geben am 17.9.2002 in Vitoria eine Pressekonferenz
Mitglieder von Batasuna bei einer Pressekonferenz im Jahr 2002. Rückblickend, so die Meinung vieler Zeitzeugen, leitete das Verbot der Partei das Ende des Terrorismus im Baskenland ein. (picture-alliance / dpa / dpaweb / epa efe Aguilar)
Juni 2002 im spanischen Parlament: 93 Prozent der Abgeordneten beschließen ein neues Parteiengesetz, das mit einem Tabu bricht. Bislang wollte Spaniens Demokratie auch ihre Feinde ertragen. Mit dem neuen Gesetz kann eine Partei verboten werden, wenn:
„a) sie die Freiheiten und Grundrechte systematisch verletzt, Anschläge gegen das Leben und die persönliche Unversehrtheit befördert und rechtfertigt
b) die Gewalt als Methode zur Erreichung politischer Ziele unterstützt, befördert oder legitimiert.“
Das Gesetz galt Batasuna. Die Partei aus dem radikalen linksnationalistischen Spektrum im Baskenland war 1978 als Herri Batasuna gegründet worden, war zeitweise zweit- oder drittstärkste politische Kraft im Baskenland, hatte 900 Mandatsträger. Sie galt aber auch als der „politische Arm der ETA“. Wer die Anschläge und Morde der ETA kritisierte, musste Batasuna meist verlassen.

Die ETA und die Angst als Druckmittel

Seit den 1960er-Jahren kämpfte die ETA mit Waffengewalt für ein unabhängiges Baskenland, doch seit der Demokratisierung des Landes 1978 entwickelte sich dieser Kampf immer mehr zum Terror gegen die eigene Bevölkerung, kommentiert der baskische Journalist Luis Aizpeola von der spanischen Tageszeitung „El País“.
„Die ETA verfolgte einen Kurs der „Sozialisierung des Leids“, wie sie es nannte. Das war eine schlimme Zeit. Das war völlig idiotisch, die ETA tötete nicht mehr nur Sicherheitskräfte, sondern auch Politiker, sogar Gemeinderäte. Die Angst sollte sich in der ganzen Gesellschaft ausbreiten. Die Terroristen glaubten, sie könnten so Verhandlungen mit der Zentralregierung erzwingen.“
Auch Journalisten wurden zum Ziel von Anschlägen der ETA. Batasuna äußerte sich nie kritisch darüber. Justiz und Polizei gelangten zur Ansicht, dass die ETA weit mehr als nur die eigentlichen Terrorkommandos im Untergrund umfasste, sondern auch Medien oder die fast 100 sogenannten Herriko Tabernas, sogenannte Volkskneipen. Sie spähten mögliche Anschlagsziele aus oder finanzierten den Terror, so die Vorwürfe.
Diesen Rundumschlag gegen die gesamte linksnationalistische Szene sieht Journalist Azipeola auch heute noch kritisch: „Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Partei Batasuna im Dienst der ETA stand. Aber bei Justiz und Politik gingen manche davon aus, dass die ETA in allen Bereichen des Linksnationalismus das Sagen habe.“ 

Das Ende von Batasuna

Am 26. August 2002 untersagte der Untersuchungsrichter Baltasar Garzón alle Aktivitäten Batasunas. Im 349 Seiten langen Ermittlungsbericht spricht der Jurist davon, wie die ETA die ihr nahestehenden politischen Organisationen seit den späten 1970er-Jahren kontrolliert habe, darunter auch Batasuna.
Das Verbot hatte Folgen. 2004 erklärte Arnaldo Otegi, damals Chef von Batasuna, bei einer Parteiveranstaltung in San Sebastián: „Frieden zu schließen bedeutet, den politischen und bewaffneten Konflikt von den Straßen zu holen und zum Verhandlungstisch zu bringen. Frieden zu schließen bedeutet auch, mit unseren Gegnern ein Bündnis einzugehen, Verbündete des Feindes zu werden. Wir akzeptieren das und sind fest dazu entschlossen.“
Nicht alle erkannten die Reichweite dieser Erklärung. Otegi wurde vorgeworfen, Batasuna und die ETA neu zu organisieren und wurde zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. Ein Urteil, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erst aufhob, als er die Strafe schon abgesessen hatte. Trotzdem war das Verbot Batasunas der Grundstein für den Frieden, meint Luis Aizpeola: „Auf gewisse Weise war dies das Ende der ETA. Auf der einen Seite waren natürlich die Ermittlungserfolge der Polizei entscheidend. Aber ebenso wichtig war auch die Reaktion des politischen Umfelds. Als den Leuten von Batasuna das Wasser bis zum Hals stand und sie befürchten mussten, völlig zu verschwinden, mussten sie die Konfrontation mit der ETA suchen.“
Es vergingen noch fast zehn Jahre, aber 2011 verkündete die ETA das endgültige Ende des Terrors und 2018 ihre Auflösung. Sortu, Batasunas legale Nachfolgeorganisation, ist heute Teil eines Bündnisses mehrerer linker Parteien und damit zweitstärkste politische Kraft im Baskenland und im spanischen Parlament eine wichtige Stütze der regierenden Sozialisten.