Kommentar zum Verbrenner-Aus
Die EU gibt der Autolobby nach

Mit ihrem Kurswechsel beim Verbrenner-Aus verschafft die EU der Autoindustrie Zeit – erkauft mit höheren Emissionen und falschen Hoffnungen auf E-Fuels und „hocheffiziente“ Verbrenner. Doch das hilft am Ende niemandem.

Von Katharina Thoms |
    Mehrere Autos fahren hintereinander auf einer Straße in München Ramersdorf.
    Mehr Zeit für die Autoindustrie, weniger Fortschritt fürs Klima: Die EU weicht das Verbrenner-Aus auf (IMAGO / Wolfgang Maria Weber)
    Noch-BMW-Chef Oliver Zipse nennt es ein starkes Signal. Dabei ist es ein starkes Stück, das sich die EU da leistet. Es wird endlich wahr, wofür die deutsche Autolobby schon seit Monaten kämpft: Die Europäische Kommission will auch nach 2035 Autos neu zulassen, bei denen klimaschädliches Kohlendioxid aus dem Auspuff kommt. Egal, wie die Details der Einigung am Ende aussehen: Ob jetzt wirklich noch länger Autos mit reinem Benzin- und Dieselantrieb neu auf den Markt kommen oder Plugin-Hybride und E-Autos mit Reichweitenverstärker ist fast schon zweitrangig. 
    Das eine ist das Zeichen an die Autoindustrie: Entspannung. Ihr müsst euch nicht so anstrengen.
    Das andere: Der irreführende Gedanke, mit synthetischen oder Biokraftstoffen sind wir auch auf einem guten Weg in Richtung Klimaneutralität. Längst zeigen Untersuchungen: Plugin-Hybride, die auch elektrisch fahren können, verbrennen in der Fahrpraxis vor allem: Benzin. Und synthetische E-Fuels sind viel zu teuer und viel zu wenig vorhanden. Genauso wie Biokraftstoffe aus Pflanzen oder altem Pommesfett. Auch nach 2035.

    Die Illusion vom „hocheffizienten Verbrenner“

    Die absurde Forderung der Bundesregierung und vieler Ministerpräsidenten nach „hocheffizienten Verbrennern“ – eine peinliche Worthülse. Denn was soll das eigentlich sein? Auch der Regierungssprecher konnte das auf mehrfache Nachfrage nicht auflösen: „Ein hocheffizienter Verbrenner ist ein Verbrenner, der hocheffizient ist.“ Loriot in der Bundespressekonferenz.
    Wem hilft das alles nicht? Wenn Sie jetzt an die Autoindustrie denken – richtig. Aber auch „dem Klima“ wäre korrekt. Dem erweist die EU mit ihrem Schritt zurück einen weiteren Bärendienst. Der Verkehrsbereich hinkt sowieso seinen Klimazielen hinterher. Und wird es mit dem Aufweichen der Flottenziele noch mehr tun. Freundliche Erinnerung: Der Weg in die Klimaneutralität ist ja kein Selbstzweck, sondern Voraussetzung dafür, dass es die Menschheit noch eine Weile aushalten kann auf diesem Planeten.
    Der deutschen Autoindustrie wird das Ganze allerhöchstens kurzfristig helfen. Denn: Schon jetzt werden weltweit immer mehr Elektroautos verkauft, immer weniger Verbrenner. In zehn Jahren wird sich das potenzieren. Das große Geld haben Mercedes, VW und Co. im Ausland gemacht. Aber China will Deutschlands große Verbrenner nicht mehr. Und die USA auch nicht. Die erkaufte Zeit wird die deutsche Autoindustrie also nutzen, um weiter teuer parallel Verbrenner und E-Autos zu produzieren? Sie klammert sich damit an überholte Technologien wie ein Ertrinkender an ein sinkendes Kanu. Statt den Rettungsring rechtzeitig aufzupusten.