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"Viel Lärm um nichts"

Die Flugverbote der letzten Tage haben bei den Luftfahrtgesellschaften zu empfindlichen finanziellen Einbußen geführt. Inzwischen sind die Luftraumsperrungen weitgehend aufgehoben. Matthias Gründer, Redakteur bei der Fachzeitschrift "Flug-Revue", hält die Freigabe des Luftraums für eine verantwortbare Entscheidung.

Matthias Gründer im Gespräch mit Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Am Telefon begrüße ich nun Matthias Gründer. Er ist Redakteur bei der Fachzeitschrift "Flug-Revue" und er kann uns hoffentlich helfen, das Chaos der letzten Tage in Deutschland und Europa ein wenig zu entwirren, ein Chaos, für das offenbar das Zusammenspiel ganz unterschiedlicher Gründe verantwortlich war. Guten Tag, Herr Gründer.

    Matthias Gründer: Guten Tag, Herr Spengler.

    Spengler: Zunächst einmal: Die Aschewolke soll weg sein, der Luftraum über Europa und über Deutschland vor allen Dingen ist freigegeben. Ist das für Sie eine verantwortbare Entscheidung?

    Gründer: Auf jeden Fall. Auf jeden Fall! Wir müssen ja davon ausgehen, dass im Zusammenhang mit diesem Vulkanausbruch und der Tatsache, dass sich die Aschewolke in Richtung Westeuropa ausbreitete, sehr chaotisch und sehr hektisch gehandelt wurde und man gesagt hat, weil wir nicht wissen, was passiert, machen wir erst mal den Luftraum dicht. Das hat sich im Nachhinein herausgestellt, dass da viel Lärm um nichts gemacht wurde, viel heiße Luft. Es hätte besser sein können, wenn man die Informationen gehabt hätte, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es voll verantwortbar.

    Spengler: Würden Sie, um jetzt mal auf die letzten Tage zurückzukommen, den Verkehrsminister zum Beispiel verteidigen, einfach mit den Worten, wir wussten es nicht besser?

    Gründer: Das wäre zu einfach genommen. In meinen Augen hat der Verkehrsminister und seine Beamtenschaft, wenn man das so will, vollkommen versagt. Ich muss kein Psychologe sein, um mit Erschrecken seine Äußerungen im Fernsehen zu verfolgen. Wenn ich sehe, wie er mühsam nach Worten ringt, dann weiß ich, dass er eigentlich nur versucht, ein halbwegs gutes Bild abzugeben. Der Verkehrsminister hat kein Krisenmanagement betrieben, sondern hat die Krise nur verwaltet und seine Beamten haben ihn dabei nicht gerade unterstützt.

    Spengler: Was hätte denn ein Management von einer Verwaltung unterschieden?

    Gründer: Na ja, wir müssen davon ausgehen: Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüche gehören nun einmal zur Erde. Wir haben in letzter Zeit häufiger Erdbeben gehabt, jetzt ist es mal ein Vulkan, und diese Haltung, das kann uns in Europa nicht passieren, die ist sträflich leichtsinnig. Es hat auch in der Vergangenheit schon Vulkanausbrüche gegeben, wo zum Beispiel Giftgase weit verbreitet wurden. Diese Reaktion, zu sagen, es gibt hier Regeln und wir halten uns an die Regeln, machen den Luftraum dicht und warten mal ab, was passiert, die ist einfach sträflich.

    Spengler: Zur Ehrenrettung von Minister Ramsauer muss man vielleicht sagen, dass auch viele andere in Europa dann versagt haben. Das Chaos der letzten Tage begann ja wohl damit, dass weder klar war, wo diese Aschewolke genau war, in welcher Höhe über welchen Regionen; anfangs war ja auch unklar, wie man sie überhaupt nachweisen kann, allein durch Computersimulation, durch Angucken, oder auch mit Messungen, ob die nicht notwendig sind, und dann wusste man noch nicht mal darüber hinaus, wie gefährlich so eine Wolke für die Flugzeuge ist. Wissen Sie, wie gefährlich so eine Wolke für Flugzeuge ist?

    Gründer: So wie diese Wolke auf uns zukam, über diese weiten Entfernungen wird sie ja in Höhe und Breite sehr weit gestreut, war sie relativ ungefährlich. Man muss davon ausgehen, ...

    Spengler: Was heißt denn relativ?

    Gründer: Man muss davon ausgehen, dass ein Flugzeug heutzutage durch eine solche Wolke durchaus durchfliegen kann. Das halten die Triebwerke und auch das Flugzeug aus. Wenn man weiß, dass eine solche Wolke kommt, dann fliegt man halt darum herum. Es hat ja Fälle gegeben wie auf den Philippinen, als vor vielen Jahren der Vulkan Pinatubo ausgebrochen ist, da ist ja sogar ein Jumbo-Jet mitten rein geflogen, weil sein Wetterradar die Aschewolke nicht von einer Gewitterwolke unterschieden hat. Da sind zwar die Triebwerke ausgegangen, aber nicht wegen der Asche, sondern weil sie keine Luft mehr zum Verbrennen des Kraftstoffs bekommen haben, und als die Maschine draußen war, zündeten die Triebwerke wieder. Also das geht schon!

    Spengler: Wie sinnvoll war es denn, erst ein allgemeines Flugverbot zu verhängen, wie Sie gesagt haben, einfach sicherheitshalber mal den gesamten Luftraum zu sperren, und dann aber Ausnahmen zuzulassen? War das dann wenigstens doch ein Schritt in die richtige Richtung?

    Gründer: Nein, das war nicht der richtige Schritt. Sinnvoll wäre es gewesen, als der Vulkan ausbrach und sich die Grundrichtung Europa angedeutet hat, zuerst einmal festzustellen, wie ist die Konzentration, und danach möglicherweise erst ein Flugverbot zu verhängen.

    Spengler: Das hat man ja offenbar mit diesem Londoner Institut durch die Computersimulation versucht.

    Gründer: Ja, aber eine Computersimulation, die stellt doch bloß ein Gedankenexperiment dar. Die Engländer zum Beispiel verfügen ja selbst über ein entsprechend ausgerüstetes Forschungsflugzeug. Ich habe bis heute nicht gehört, dass das eingesetzt worden wäre. Man hat also einfach irgendwelche Werte eingegeben von Satellitenfotos und hat ein Gedankenexperiment durchgespielt und hat gesagt, okay, machen wir den Luftraum dicht. Aber das kann es doch wohl nicht sein in der heutigen Zeit.

    Spengler: Nun haben sich aber die Piloten der Flugvereinigung Cockpit geweigert, bei diesen ganzen Unklarheiten zu fliegen.

    Gründer: Ja, das ist ihr volles Recht, weil die Flugsicherheit hat gesagt, okay, ihr bekommt euere Ausnahmegenehmigung, die Airlines wollen die, die müssen ja Geld verdienen, das ist ganz klar, ein Flugzeug, was am Boden steht, verdient kein Geld. Aber wenn die dann sagen, wir geben den Luftraum frei, aber wir übernehmen nicht die Verantwortung, dann wird der schwarze Peter den Piloten zugeschoben, und das ist doch ziemlich unfair.

    Spengler: Was ich nicht verstanden habe – und Sie sind der Fachmann, der mir das nun erklären kann -, wieso ist eigentlich ein kontrollierter Sichtflug sicherer als ein Instrumentenflug?

    Gründer: Ich weiß nicht, wer das behauptet hat, aber das ist natürlich völliger Quatsch. Der Instrumentenflug ist immer der sicherere Teil. Ich verstehe auch gar nicht, warum man gesagt hat, wir helfen euch nicht beim Instrumentenflug, weil üblicherweise fliegen die Piloten immer nach Instrumenten, selbst wenn sie hervorragende Sicht hätten, weil die Instrumente einfach zuverlässiger sind.

    Spengler: Da sind wir ja genauso ratlos wie vorher. Herr Gründer, was müssen wir denn künftig beachten? Der Vulkan könnte ja noch mal spucken und es könnte ja noch mal eine Wolke auf uns zukommen.

    Gründer: Es könnte dieser oder ein anderer sein. Ich meine, wir haben ja zum Beispiel den Ätna auf Sizilien, der auch relativ regelmäßig kommt. Was wäre denn, wenn zum Beispiel der Wind aus Süden käme? Wir müssen einfach dafür sorgen, dass genügend Untersuchungsmethoden da sind. Es wäre wenig sinnvoll, ein Flugzeug ständig in Bereitschaft zu halten, wenn der nächste Vulkanausbruch vielleicht erst in fünf Jahren kommt. Aber das Gerät, mit dem dort an Bord getestet wurde, das existiert auch am Boden. Ob ich senkrecht von oben die Atmosphäre mit dem Radar abtaste, oder senkrecht von unten, ist egal. Es gibt in Deutschland sechs solcher Geräte, die am Boden stationiert sind. Wenn aber zum derzeitigen Zeitpunkt fünf von diesen in der Wartung sind und gar nicht einsatzbereit, dann habe ich das Gefühl, hier muss wirklich etwas getan werden, dass man aus dieser Situation für die Zukunft lernt.

    Spengler: Sagt Matthias Gründer, Redakteur bei der Fachzeitschrift "Flug-Revue". Herr Gründer, herzlichen Dank.

    Gründer: Bitte schön.