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Vor 475 Jahren in Rom gestorben
Vittoria Colonna - Dichterfürstin der Renaissance

Dichtende Frauen gab es in der italienischen Renaissance nur wenige. Eine war Vittoria Colonna. Große Schriftsteller buhlten um die Gesellschaft dieser ungewöhnlichen Intellektuellen. Und Tizian verewigte sie als Maria Magdalena auf einem Gemälde, das heute im Palazzo Pitti in Florenz hängt.

Von Maike Albath | 25.02.2022
Porträt der Renaissance-Dichterin Vittoria Colonna (Ausschnitt aus einem Gemälde Sebastiano del Piombos aus dem 16. Jahrhundert
Porträt der Renaissance-Dichterin Vittoria Colonna (Ausschnitt aus einem Gemälde Sebastiano del Piombos aus dem 16. Jahrhundert (picture alliance / Photo12/Ann Ronan Picture Library ( Ausschnitt))
„Nach ihren Augen, deren weit hinausgehende Lichter mit ihren Strahlen blenden, entflammen ihre Hände, die alle entweder berühren oder sehen wollen, bis ins Mark, und ihre anschwellenden, nicht von Milch, sondern von einem bestimmten himmlischen Nektar gefüllten Brüste lassen die Herzen weich werden.“
Mit diesen schwärmerischen Zeilen beschreibt der Humanist Paolo Giovio die Markgräfin Vittoria Colonna, deren Schönheit und Bildung um 1510 auf der gesamten italienischen Halbinsel gefeiert wurden. Dichter und Gelehrte suchten ihre Nähe; die Mischung aus Sinnlichkeit und sprühender Intellektualität ließ niemanden unberührt. Ihr Ehemann gab bei Tizian und Michelangelo Porträts seiner Frau in Auftrag, die sie als Maria Magdalena darstellen sollten. Ihre Liebeslyrik, Rime amorose in der Tradition Petrarcas, zirkulierte auf Manuskriptblättern.
„Ist auch, Amor, die erste Hoffnung gestorben,
so lebe ich doch noch in der ersten Glut.
Das Sehnen, das ich von Anfang in mir trug,
seit dem ersten Blick, bleibt zum letzten Morgen.“

Klug managte die Witwe ihren Besitz

Vittoria Colonna war nicht nur die Enkelin des Herzogs von Urbino; sie stammte aus einer der einflussreichsten Familien der römischen Aristokratie, die sogar einen Papst hervorgebracht hatte. Ihr Geburtsjahr ist strittig; entweder 1490 oder 1492. Eine derartig bedeutende Herkunft brachte Verpflichtungen mit sich: Seit ihrer Kindheit wurde Vittoria auf die Hochzeit mit dem Heerführer Fernando Francesco d’Avalos, Graf von Pescara, vorbereitet. Die Verbindung sollte die Machtverhältnisse zwischen den Colonna und dem über Neapel herrschenden Haus Aragón und damit mit Spanien stabilisieren. Ihr Mann konnte zwar den Sieg der Schlacht von Pavia 1525 verzeichnen, starb aber schon früh an den Folgen seiner Kriegsverletzungen und ließ seine Frau mit Mitte 30 als Witwe zurück. Die kinderlos gebliebene Dichterin machte als kluge Verwalterin ihrer Besitztümer von sich reden, so dass der Papst befand: "Sie zeigt überaus deutlich einen männlichen Geist im weiblichen Körper.“

Wie Michelangelo der Colonna verfiel

Man bewunderte ihre stolze Witwenschaft und pries ihre Lyrik. Vittoria Colonna blieb der Mittelpunkt eines regen kulturellen Austauschs. In ihrem Haus verkehrten Dichter wie Ludovico Ariost und Pietro Bembo, sie diskutierte mit Baldassere Castiglione über dessen Traktate, mit Reformtheologen tauschte sie sich über eine neue Spiritualität aus und strebte sogar Kontakte zu Protestanten an, was den Argwohn der Kirche entfachte. 1534 suchte sie der erfolgreichste Künstler der Epoche auf, mit dem Vittoria Colonna bereits seit einigen Jahren in Verbindung stand: Michelangelo Buonarotti, dem seine Statuen und die Deckengemälde in der Sixtinischen Kapelle großen Ruhm eingebracht hatten. Als Maler vom Schauen besessen, schrieb er ein Gedicht über den ersten Anblick Vittoria Colonnas.
„Ach, wenn Du im Himmel so viel vermagst wie unter uns,
mach meinen gesamten Körper allein zu einem Auge;
sodass kein Teil in mir sei, das sich Deiner nicht erfreut.“
Es entstand eine innige Freundschaft. Vittoria Colonna besorgte Michelangelo ein grünes Augenglas aus Venedig für seine Arbeit in der Cappella Paolina, und Michelangelo widmete der Freundin 40 Gedichte und schenkte ihr etliche Bilder. Vittoria Colonnas Religiosität nahm im Alter noch zu. Davon zeugen auch ihre Rime spirituali, die 1546 herauskamen.
„Wenn sich der menschliche Geist zum Flug erhebt
auf den Flügeln der Hoffnung und des Glaubens,
kann er dank seines Schöpfers unten schauen
die Erde und die Luft, in der sie schwebt.“
Wegen der zunehmend scharfen Auseinandersetzungen im Zuge der Gegenreformation musste sich Vittoria Colonna in ihren religiösen Überzeugungen bedeckt halten. Die letzten Jahre ihres Lebens verbrachte sie im römischen Konvent Sant’Anna, wo sie am 25. Februar 1547 starb. Zu ihren Gedichten gab es da bereits einen zweibändigen philologischen Kommentar - in dieser Zeit eine ungewöhnliche Würdigung.