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Vom Schulfrieden zum Schulkrieg

Der Streit um die Reform des Schulsystems kocht in Wahlkampfzeiten wieder hoch. CDU und FDP setzen weiter auf das zwei Säulen Modell plus Gymnasium. Die SPD will die Regionalschulen zu Gemeinschaftsschulen "weiterentwickeln".

Dietrich Mohaupt | 04.05.2012
    Schulkrieg- oder frieden? Eher Krieg als Frieden – in Wahlkampfzeiten ist "Schulfrieden" zu einer Art Kampfbegriff mutiert, den jede Partei unter anderen Vorzeichen verwendet. CDU und FDP wollen an den zwei Säulen Gemeinschafts- und Regionalschulen plus Gymnasien festhalten, ebenso an der Wahlfreiheit zwischen G8 und G9. Die SPD setzt auf eine "Weiterentwicklung" der wenigen verbliebenen Regional- zu Gemeinschaftsschulen, will G8 nur an Gymnasien, G9 an Gemeinschaftsschulen. Ein verbissen geführter Streit – verheerend findet das der Vorsitzende des Landeselternbeirats der Gemeinschaftsschulen, Stefan Hirt.

    "Wir brauchen Ruhe an unseren Schulen – wir wollen nicht wieder über Strukturen debattieren, wir wollen über unsere Inhalte an den Schulen, über bessere Bildung nachdenken. Und das geht nur, indem wir Ruhe haben und Verlässlichkeit. Wir wollen über Jahre hinweg wissen: Was steht draußen an der Schule dran und was ist auch tatsächlich inhaltlich dort gegeben. Wenn das Beispiel Gemeinschaftsschule genannt wird, dann wollen wir auch wirklich, dass inhaltlich dort Gemeinschaftsschule gelebt wird."

    Nach der Reform 2007 unter der Großen Koalition und der Reform der Reform 2011 unter Schwarz-Gelb schon wieder – oder immer noch – Strukturdebatten, das muss ein Ende haben, fordert auch der Grüne Spitzenkandidat Robert Habeck. Er will mit einem Bildungskonvent für echten, dauerhaften Schulfrieden sorgen.

    "Das könnte so gehen, dass man tatsächlich alle Akteure zusammenbringt – nicht nur die politischen Parteien, sondern auch Eltern-, Lehrer-, Schülerverbände, dann qualitative Kriterien festlegt – wie sollen die Abbrecherquoten reduziert werden, wie soll die Abiturquote gesteigert werden, etc. pp – man sich dann die Maßnahmen überlegt und als Drittes dann sagt: Wenn Strukturen infrage gestellt werden müssen – von der Ausbildung der Lehrer bis zu Einrichtung von weiteren Oberstufen – dann machen wir das entlang der festgelegten Kriterien alle gemeinsam."

    Kleckern oder klotzen?

    "Das dringendste Problem ist der Unterrichtsausfall, und deshalb wollen wir jetzt für den nächsten Doppelhaushalt den Vertretungsfonds – das ist sozusagen das Instrument gegen den Unterrichtsausfall – verdoppeln. Die beste Voraussetzung für guten Unterricht ist, dass er zunächst einmal erteilt wird – insofern nehmen wir dafür Geld in die Hand."

    …kündigt der CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager an. Jeweils 24 Millionen Euro wollen CDU und FDP in den beiden nächsten Jahren für die Lehrer-Feuerwehr ausgeben – die Oppositionsparteien fordern statt Geld für Vertretungslehrer mehr Planstellen. Allein in diesem Jahr will die Landesregierung 300 Lehrerstellen streichen, bis 2020 sollen es gut 3600 sein – weil es immer weniger Schüler gibt, sagen Union und Liberale. SPD und Grüne wollen die Hälfte dieser Stellen im System belassen, auch um die sozialen Folgekosten mangelhafter Bildung zu reduzieren.

    Studienlust oder Studienfrust?

    Es ist wohl eher Frust, wenn der Präsident der Kieler Christian-Albrecht-Universiät, Gerhard Fouquet, mit Blick auf die Lehre an den schleswig-holsteinischen Hochschulen von einem Kampf gegen den Abstieg aus der zweiten Liga spricht. Forschung – klar erste Liga, aber Lehre… das fehlt es an allen Ecken und Enden. Deshalb fordern die Hochschulen eine kräftige Finanzspritze vom Land – 35 Millionen Euro pro Jahr, zehn Jahre lang. Z.B. auch für bauliche Arbeiten – veraltete Heizungen, undichte Dächer, durch die es in Hörsäle regnet – die Vorsitzende der Landes-Asten-Konferenz, Yvonne Dabrowski, fordert außer Sanierung auch.

    "Neue Gebäude – die Fachhochschulen platzen aus allen Nähten, die Unis ebenfalls. Das kann so nicht weitergehen. Wenn man wirklich will, dass auch noch die Studienplätze weiter ausgebaut werden sollen, dann kann man nicht erwarten, mit einem Stand aus den 70er Jahren neue Leute zu locken – das geht nicht."

    Die wahlkämpfenden Parteien sehen das auch so – prinzipiell jedenfalls. CDU und FDP sind allerdings nicht bereit, dafür neue Schulden im Haushalt des Landes zu machen – sie verweisen auf zusätzliche EU- und Bundesmittel. SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig setzt auf höhere Steuern, um mehr Geld für die Hochschulen locker machen zu können.

    "Die, die studieren konnten in diesem Land, die sind Elite und die haben auch eine Verpflichtung dazu beizutragen, über einen leicht angehobenen Spitzensteuersatz oder über eine Vermögensbesteuerung zu sagen: Wir können etwas davon zurückgeben. Eine Gesellschaft, die es lieber hinnimmt zu sagen ihr akademischer Nachwuchs leidet, als dass sie sich traut, eine Einnahmedebatte zu führen, die ist doch bigott."

    Und sonst?

    … setzten die Spitzenkandidaten von CDU und SPD auf Frauen als künftige Ressortchefs im Bildungsministerium. Für die CDU plant Jost de Jager mit der ehemaligen Hamburger Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig, SPD-Mann Torsten Albig hat sich für den Posten die Flensburger Universitätspräsidentin Waltraud Wende ausgekuckt.