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Vor 100 Jahren geboren
Alexander Dubček, gescheiterter Reformer des Sozialimus

Sein Name ist untrennbar mit dem "Prager Frühling" verbunden. Alexander Dubček stand 1968 an der Spitze der Kommunistischen Partei, als die Tschechoslowakei für einige Monate den „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ probte. Mit dem Ende des Staatssozialismus kehrte er noch einmal auf die politische Bühne zurück.

Von Annette Kraus | 27.11.2021
Alexander Dubcek spricht als Vorsitzender der Kommunistischen Partei der Tschecheslowakei auf einer Kundgebung in Prag
Alexander Dubček war die Leitfigur das "Prager Frühlings" (imago/CTK Photo/Jovan Dezort)
Bratislava Anfang August 1968. Die Menge skandiert "Es lebe Genosse Dubček". Der Generalsekretär der tschechoslowakischen kommunistischen Partei hat soeben mit den Parteichefs der Warschauer-Pakt-Staaten getagt. Ihr Misstrauen ist groß, denn in der Tschechoslowakei sind Reformer am Ruder. Seit Januar steht Alexander Dubček an der Spitze der Partei.
„Nach vielen Jahren ist in unserem Land eine Atmosphäre entstanden, in der jeder öffentlich seine Meinung sagen kann, und es zeigt sich, dass die Sache des Landes und des Sozialismus die Sache von uns allen ist.“

"Er war sympathisch und er mochte die Menschen"

Dubček stach heraus aus der Riege der Apparatschiks, die zuvor die KPTsch repräsentierten. Jiří Hoppe ist Historiker an der Tschechischen Akademie der Wissenschaften: „Er war sympathisch, und er mochte die Menschen. Für die Öffentlichkeit verkörperte er symbolisch alle Veränderungen, und er wurde, allmählich auch im Ausland, zu einem Superstar.“
Der kommunistische Parteichef Alexander Dubcek trifft Arbeiter der Avia-Fabrik in Prag, August 1968
In der Bevölkerung beliebt: Alexander Dubček besucht als kommunistische Parteichef eine Farbik in Prag (imago/CTK Photo/Jovan Dezort)
In Uhrovec kommt Alexander Dubček am 27. November 1921 zur Welt. 1925 machen sich die Dubčeks auf in die Sowjetrepublik Kirgistan, um in einer Genossenschaft Aufbauarbeit zu leisten. Mit 17 kommt Alexander Dubček zurück in sein Geburtsland. Er macht eine Ausbildung zum Maschinenschlosser.
„Man schrieb das Jahr 1938, jenes Jahr, in dessen Verlauf die Tschechoslowakei von Hitler gespalten und die Slowakei zu einem eigenen Staat gemacht wurde. Der Sturm des Zweiten Weltkriegs brach los, als ich volljährig wurde.“

Schneller Aufstieg in der Kommunistischen Partei

Dubčeks Bruder Julius wird während des Slowakischen Nationalaufstands von den Nationalsozialisten erschossen, er selbst wird verletzt. Nach dem Krieg arbeitet sich Alexander Dubček in der Partei schnell nach oben, Studium in Moskau inklusive.
In den 1960er Jahren weht in der Tschechoslowakei ein frischer Wind. Experten erarbeiten neue Wirtschaftskonzepte, Forderungen nach Demokratisierung und der Aufarbeitung stalinistischer Verbrechen werden lauter. Der "Prager Frühling" nimmt seinen Lauf. Für Dubček wird die Reformbewegung zum Spagat. Teile der Bevölkerung wollen viel mehr Demokratie als von der KPTsch vorgesehen. Die Sowjets wiederum glauben, dass der KPTsch die Sache völlig entgleitet.

Der "Prager Frühling"

In der Nacht auf den 21. August marschieren die Truppen von fünf Warschauer-Pakt-Staaten in der Tschechoslowakei ein. Die Parteiführung der KPTsch wird nach Moskau verschleppt. Später wird Dubček vorgeworfen, er sei vor dem Politbüro eingeknickt.
„Er hatte keine Informationen über die Geschehnisse in der Tschechoslowakei. Wenn die bewaffneten Armeen unter die Zivilisten gegangen wären, hätte es Tote gegeben. Diese Verantwortung war das vorherrschende Gefühl, unter dem Dubček die Verhandlungen führte.“
Sowjetische Truppen besetzen am 21. August 1968 mit Panzern Straßen in Prag
Das Ende des "Prager Frühlings": Sowjetische Truppen besetzen am 21. August 1968 mit Panzern Straßen in Prag (imago/CTK Photo/Libor Hajsky )
Mit zitternder Stimme berichtet Alexander Dubček nach der Rückkehr am 27. August 1968 im Radio von den Beschlüssen des „Moskauer Protokolls“: „Wenn wir entschlossen sind, ein Blutvergießen zu verhindern, bedeutet das nicht, dass wir uns passiv in die Situation fügen. Wir sind überzeugt, dass wir mit Ihnen allen Wege finden, die letztendlich zu einer Normalisierung führen.“

Rückkehr auf die politische Bühne

Die Hoffnungen, die Reformpolitik fortführen zu können, zerschlagen sich schnell. Die Zensur wird wieder eingeführt, die Stationierung der Militärs zum Dauerzustand. Im April 1969 tritt er zurück, ein Jahr später folgt der Parteiausschluss. Zwanzig Jahre lang überwacht ihn auf Schritt und Tritt die Staatssicherheit.
Samtene Revolution in der Tschecheslowakei: Alexander Dubcek spricht am 25.11.1989 auf einer Kundgebung in Prag
Rückehr auf de politische Bühen: Alexander Dubček spricht am 25.11.1989 auf einer Kundgebung in Prag (imago/CTK Photo)
Als Massenkundgebungen im November 1989 das Regime in der Tschechoslowakei zu Fall bringen, tritt auch Dubček wieder öffentlich auf. Während der "Samtenen Revolution" gilt er als natürlicher Kandidat für das Amt des Staatspräsidenten. Am Ende setzt sich mit Václav Havel ein Dissident und Bürgerrechtler durch. Alexander Dubček wird Präsident der Föderalversammlung und tritt den Sozialdemokraten bei. Er stirbt am 7. November 1992 an den Folgen eines Autounfalls.