Es ist ein klirrend kalter Wintertag, als Bob Dylan im Januar 1961 in New York ankommt. Er ist Ende 19, hat das College in Minneapolis nach nur einem Jahr verlassen und seinem Heimatstaat Minnesota den Rücken gekehrt. Als Jugendlicher war er Mitglied in verschiedenen Bands, hat Songs von Little Richard und Elvis Presley gespielt. Doch lieber mag er Folk-Musik und Sänger Woody Guthrie ist sein Vorbild. Um ihn zu sehen und um sich in New York als Profimusiker zu versuchen, ist er in die quirlige Millionen-Metropole am Hudson gekommen:
"Einmal rief ich zuhause an, und mein Vater ließ sich den Hörer geben, um mich zu fragen, wo ich steckte. Ich sagte, ich sei in New York, der Hauptstadt der Welt. New York war der Magnet – die Kraft, die alles anzieht."
Schreibt Bob Dylan viele Jahre später in seiner Autobiographie "The Chronicle". Der junge Mann wohnt damals mitten in Greenwich Village, dem Viertel, wo die Folk-Szene zuhause ist.
Folk-Mekka Greenwich Village
Dort, in Greenwich Village, war 2017 auch der Kölner Rock-Sänger Wolfgang Niedecken unterwegs, hatte sich für ein Buch und eine Fernsehdokumentation auf Bob Dylans Spuren begeben:
"Ich bin dann auch tatsächlich dahingegangen, wo er gewohnt hat, in der 4. Straße, Nummer 161. Ein unbeheiztes Zimmer, Klo auf dem Flur, Waschbecken drin und das war’s dann, das gab’s für siebzig Dollar im Monat."
Es ist das Leben eines Bohémiens, das Bob Dylan am Anfang seiner Karriere führt. Aber er sammelt Erfahrung und baut wichtige Kontakte auf, denn im Village geben sich die Folk-Musiker wie eine große Familie, so Wolfgang Niedecken:
"Man hat sich ja gegenseitig gezeigt, welche Songs interessant sind. Man spielte auch in stinknormalen Cafés, und man ging dann mit dem Hut rund. Teilweise durfte noch nicht einmal applaudiert werden, weil das zu laut gewesen wäre. Dann wurde mit den Fingern geschnippt. Das war der Applaus."
Barde im legendären "Gaslight Cafe"
Für ein paar Dollar Gage tingelt auch der junge Dylan über die Bühnen im Village. Die angesagten Clubs heißen "Cafe Wha?", "The Bitter End" oder "The Gaslight Cafe":
"Das ‚Gaslight‘ war nicht gerade ein feiner Laden. aber es war immer gerammelt voll. Selbst in kalten Winternächten bildeten sich draußen Schlangen. Drinnen waren immer so viele Gäste, dass man kaum Luft bekam."
"Meine Sets dauerten zwanzig Minuten. (…) Es war zu heiß und viel zu eng, um nach dem Auftritt noch dazubleiben, deshalb hingen die Musiker oft oben in einem Hinterzimmer ab (…) Über einen kleinen Lautsprecher im Zimmer hörte man, wer unten gerade auftrat, so dass man wusste, wann man wieder an der Reihe war."
Die Leute mögen die Lieder des jungen Songpoeten, dessen Name sich im Village schnell herumspricht. Am 11. April 1961 hat Bob Dylan dann seinen ersten großen Auftritt,
Er bestreitet gemeinsam mit der Blues-Größe John Lee Hooker das Hauptprogramm in "Gerde’s Folk City", dem damals berühmtesten Folk-Club der USA. Für zwei Wochen am Stück wird Dylan von den Club-Betreibern, den Brüdern Mike und John Porco, unter Vertrag genommen.
Das Folk-Traumpaar Baez-Dylan
"Gerde’s Folk City" wird zum Dreh- und Angelpunkt für Bob Dylans Karriere. Dort lernt er die Folk-Ikone Joan Baez kennen, die zu seiner Mentorin und Geliebten wird, dort wird der Musikjournalist Robert Shelton von der "New York Times" auf das junge Talent aufmerksam, dort entwickelt sich der Kontakt zu einer großen Schallplattenfirma, dort präsentiert er im April 1962 zum ersten Mal vor Publikum einen seiner größten Erfolge: "Blowin‘ in the wind".
Im New York der 1960er Jahre begründet Bob Dylan seine Weltkarriere. Er wird zum Star der Folkmusik, zum Idol und Vorbild für nachfolgende Musikergenerationen - und, der erste und bislang einzige Sänger und Songschreiber, der mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet wurde.