"Der asoziale, typische Zigeuner und der Asoziale, der wird genauso beim Kriegsdienst untauglich, verwendungsunfähig sein wie er bei der Arbeit immer verwendungsunfähig ist."
Als der Leiter des "Rassenpolitischen Amtes der NSDAP" Walter Groß Anfang 1940 gegen sogenannte "Asoziale" und "Zigeuner" hetzte, waren die Pläne zu deren Vernichtung weit gediehen. Bereits 1937 hatte man begonnen, über die deutschen Sinti und Roma scheinwissenschaftliche "Gutachten" zu verfassen; sie entschieden später darüber, wer deportiert wurde. Der auf Ausgrenzung, auf Sterilisierung und die Ermordung abzielende "Umgang" mit den Sinti und Roma hatte indessen schon früher eingesetzt. Die Historikerin Karola Fings, stellvertretende Direktorin des Kölner NS-Dokumentationszentrums:
"1935 waren sie mit den Nürnberger Gesetzen, genauso wie die Juden, als sogenannte Fremdrasse eingestuft worden, was wiederum diesen Ausgrenzungsprozess beschleunigte. Es begannen erste Mordaktionen in größerem Umfang 1940/41, und zwar in Südosteuropa und natürlich in Osteuropa mit den Wehrmachts-Einsatzgruppen auf dem überfallenen Gebiet der Sowjetunion."
"1935 waren sie mit den Nürnberger Gesetzen, genauso wie die Juden, als sogenannte Fremdrasse eingestuft worden, was wiederum diesen Ausgrenzungsprozess beschleunigte. Es begannen erste Mordaktionen in größerem Umfang 1940/41, und zwar in Südosteuropa und natürlich in Osteuropa mit den Wehrmachts-Einsatzgruppen auf dem überfallenen Gebiet der Sowjetunion."
Erste Verschleppungsaktionen gab es schon 1940
Das von Heinrich Himmler unterzeichnete Dekret zur Deportation der Sinti und Roma vom 16. Dezember 1942 hat sich – wie viele der Mordbefehle – nicht erhalten. Aber auch noch in den Ausführungsbestimmungen ist die bürokratisch-brutale Diktion unüberhörbar: "Auf Befehl des Reichsführers SS sind Zigeunermischlinge, Rom-Zigeuner und nicht deutschblütige Angehörige zigeunerischer Sippen balkanischer Herkunft nach bestimmten Richtlinien auszuwählen und in einer Aktion von wenigen Wochen in ein Konzentrationslager einzuweisen. Die Einweisung erfolgt ohne Rücksicht auf den Mischlingsgrad familienweise in das Konzentrationslager (Zigeunerlager) Auschwitz."
Erste Verschleppungsaktionen hatten schon im Mai 1940 stattgefunden. Nun, im Frühjahr 1943, nach dem als "Auschwitz-Erlass" bekannt gewordenen Dekret begannen die Deportationen nach Auschwitz-Birkenau - und damit auch der Leidensweg der Sinti und Roma. Eine Zeitzeugin erinnert sich: "Das war schlimm und noch schlimmer. Da kann ich nicht drüber reden, das wird mir zu schwer, es war schlimm genug, was wir verlebt habe und mitgemacht haben."
Zu den perfiden Methoden der Lager SS gehörte es, die Sinti und Roma vor ihrer Ermordung zu demütigen. Etwa dadurch, die in ihrer Kultur vorgeschriebene ordentliche Bestattung der Toten zu verhindern. Der Sinto Hans Braun hatte sich um des Überlebenswillens zu einem von der SS angeordneten "Rollkommando" gemeldet:
"Die Leichen, also die Menschen, die verhungert, erschlagen oder erschossen worden sind,mussten wir jeden Tag auf einen Rollwagen, auf einen Viehwagen raufschmeißen. Kreuz und quer haben die dann auf den Wagen gelegen. Und ich war bei diesem Rollkommando und zwar deshalb, weil das Rollkommando eine Ration Brot mehr bekommen hat."
"Man redet und redet und ist doch allein mit seinen Erinnerungen"
Von den fast 30.000 nach Auschwitz verschleppten Sinti und Roma kamen über 10.000 in den Gaskammern um ihr Leben - durch Hunger und Seuchen, Misshandlungen oder durch medizinische Experimente – vor allem an Kindern. Etwa 3.000 der nach Auschwitz-Birkenau deportierten Männer und Frauen waren zuvor zur Zwangsarbeit in die Konzentrationslager Ravensbrück und Sachsenhausen gezwungen worden. Darunter auch der Sinto Walter Winter, der bis kurz vor seiner Deportation wie viele andere seines Volkes in der Wehrmacht gedient hatte. Im KZ Sachsenhausen erlebte er Mitte April 1945 einen so denkwürdigen wie grotesken Morgenappell: "'Ehemalige Soldaten – vortreten!' Ich dachte: 'Was soll das jetzt wieder heißen?' Rund 150 Sinti waren wir noch, die alle vorher Soldaten gewesen waren, bevor man sie ins KZ gesteckt hat."
Eingekleidet in schmutzige Waffen-SS Uniformen wurden Winter und seine zwangsrekrutierten Kameraden in den Kämpfen bei Berlin eingesetzt. Winter überlebte mit Bruder Erich auch diese Leidensgeschichte körperlich unversehrt:
"Ich glaube, ein Körper hält mehr aus als die Seele. An der Seele sind alle verletzt, die im KZ waren, die Narben bleiben ein Leben lang. Wer kann es verstehen? Man redet und redet und ist doch allein mit seinen Erinnerungen."
Bis zu seinem Tod im November 2012 hat Walter Winter seine Stimme gegen jede Form neonazistischen Unheils erhoben und dafür geworben, die Leidensgeschichte seines Volkes nicht zu vergessen.