Montag, 06. Mai 2024

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Social-Media-Regeln für WDR-Mitarbeitende
Entwurf sorgt für Diskussionen

Durch neue Hausregeln zur privaten Social-Media-Nutzung fürchten WDR-Mitarbeitende eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Einen alten Entwurf bezeichnet "Monitor"-Redaktionsleiter Georg Restle als "klar verfassungswidrig". Der Sender arbeitet nun nach und will einen neuen Vorschlag präsentieren.

Georg Restle im Gespräch mit Timur Gökce / Text: Mike Herbstreuth | 09.02.2022
Logo des WDR am Westdeutschen Rundfunk Köln.
Der WDR arbeitet an neuen Social Media-Guidelines für seine Mitarbeitenden (imago images/Future Image)
Für viele Journalistinnen und Journalisten sind Soziale Netzwerke ein wichtiges und alltägliches Recherche-Tool. Das gilt auch für Mitarbeitende des WDR. "Ohne Social Media geht es gar nicht mehr", sagt Georg Restle, Chef des WDR-Investigativ-Magazins "Monitor".
"Wer heute in der politischen Diskussion gerade auch mit jüngeren Zuschauerinnen und Zuschauern in Kontakt treten will, der braucht diese Social-Media-Plattformen" - über die klassischen Ausspielwege sei dies gar nicht möglich.
Inwiefern die WDR-Journalistinnen und -Journalisten in Sozialen Medien allerdings als Privatpersonen oder Repräsentierende ihres Senders auftreten, ist momentan Gegenstand einer Debatte im Sender.

Kritik an WDR-Entwurf

Netzpolitik.org hat einen Entwurf des WDR für neue Social-Media-Vorschriften veröffentlicht, der zu Protest unter den Mitarbeitenden geführt hat. Diese neuen Regeln sollten sowohl für offizielle WDR-Accounts als auch für Inhalte in privaten Accounts gelten. Über "mögliche Interessenskonflikte zwischen privater und beruflicher Rolle" heißt es in dem Entwurf:
"Auf den ersten Blick rein private Äußerungen können Rückwirkungen auf ihre redaktionelle Arbeit und die Glaubwürdigkeit des WDR insgesamt haben, indem sie die Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit der Mitarbeiter:innen in Frage stellen können. Die Äußerungen von WDR-Mitarbeiter:innen in ihren privaten Accounts können in unterschiedlichsten Zusammenhängen dem WDR zugerechnet werden".
Dies gelte laut Entwurf sowohl für Likes als auch die Kommentierung und Weiterverbreitung von Posts und das Abonnieren oder Folgen von Accounts.

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"Als Journalist kann man sich nicht zweiteilen"

Die Unterteilung von Accounts von Mitarbeitenden in "privat" und "öffentlich" hält Georg Restle vom WDR-Investigativ-Magazin "Monitor" für schwierig. Als Journalist könne man sich nicht zweiteilen.
"Es gibt nicht Georg Restle privat und Georg Restle als 'Monitor-Redakteur'. Ich bin im Prinzip immer beides - jedenfalls dann, wenn ich öffentlich oder auf meinem Twitter-Account auftrete. Selbst wenn ich dort privat auftrete, wird jeder mich wahrnehmen als Leiter der Redaktion 'Monitor', als Mitarbeiter des WDR".
Insofern könne Restle verstehen, dass Redakteure eine hohe Verantwortung hätten, den WDR nicht in seiner Glaubwürdigkeit zu beschädigen.
Im Ursprungstext des WDR waren die neuen Regeln allerdings als "Dienstanweisung" deklariert - ein Verstoß gegen die Vorschriften hätte also arbeitsrechtliche Konsquenzen haben können. Im von Netzpolitik.org veröffentlichten PDF heißt es:
"Wenn durch private Äußerungen in sozialen Medien insbesondere von redaktionell Mitarbeitenden in der Öffentlichkeit der Eindruck der Voreingenommenheit oder Parteilichkeit entsteht und dies Themenbereiche tangiert, in denen die oder der Mitarbeitende dienstlich tätig ist, behält sich der WDR vor, ihnen im Rahmen seines Weisungsrechts andere Aufgaben zuzuweisen".

Furcht vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen

In dieser Form seien die Guidelines dazu geeignet gewesen, die Meinungsfreiheit schon im Vorfeld einzuschränken, so Restle. Deshalb hält der Journalist jeden Versuch, dort regulierend einzugreifen, für einen Eingriff in die Meinungsfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes.
"Das kann nicht bedeuten, dass wenn wir uns politisch oder kritisch zur Regierung äußern, immer mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen. Das ist ja geeignet dazu, schon im Vorfeld Kolleginnen und Kollegen einzuschüchtern, die sich dann nicht trauen, sich klar politisch zu äußern, weil sie dann immer im Hinterkopf haben: Oh Gott, erwecke ich damit jetzt den Eindruck der Voreingenommenheit? Oder gefährde ich damit jetzt die Glaubwürdigkeit des WDR?"

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Restle: Alter Entwurf wäre "klar verfassungswidrig gewesen"

In seiner ursprünglichen Form hätte der Entwurf die journalistische Arbeit erheblich eingeschränkt, so Restle. "Mit dieser Regelung wäre im Prinzip jede Meinungsäußerung, jeder Kommentar erfasst worden - ob ich mich kritisch gegenüber der Regierung geäußert hätte oder kritisch gegenüber der AfD, ich hätte immer damit rechnen müssen, dass arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen."
Dies wäre ein massiver Eingriff in das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gewesen, so der "Monitor"-Redaktionsleiter. "Die Regelung hätte Tür und Tor geöffnet für willkürliche arbeitsrechtliche Maßnahmen. Das wäre in meinen Augen klar verfassungswidrig gewesen."
Restle bewertet es allerdings positiv, dass dieser Entwurf nun vom Tisch sei. Nach der Kritik aus der Redakteursvertretung wolle die Geschäftsleitung und die Intendanz des WDR einen neuen Vorschlag präsentieren.

WDR überarbeitet Guidelines

Laut dem WDR seien in den mittlerweile veralteten Entwurf schon "zahlreiche Anmerkungen von Redakteursvertretung und Personalrat" eingeflossen. Nötig seien diese Regelungen laut dem Sender aber nach wie vor, weil in der Vergangenheit immer wieder "durch private Meinungsäußerungen Einzelner der Eindruck erweckt [worden sei], dies sei die Haltung des WDR und aller seiner Mitarbeiter:innen". Die neuen Guidelines sollten dazu führen, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des WDR in Sozialen Medien bewusst sein sollen, "dass ihre Äußerungen und ihr Verhalten Rückwirkungen auf die Glaubwürdigkeit des WDR haben können".