Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Wiedervernässte Moore gegen den Klimawandel
Warum die Landwirtschaft beim Umbau Hilfe braucht

Mehr als 90 Prozent der deutschen Moorflächen sind trockengelegt, die meisten dienen der Landwirtschaft. Doch wenn trockengelegter Torf mit Luft in Berührung kommt, gelangt sehr viel gespeichertes CO2 in die Atmosphäre. Ein Teil der Moore soll daher wieder nass werden - zum Unmut der Landwirte.

Von Ann-Kathrin Büüsker | 03.02.2022
Blick auf eine Moor, das teilweise unter Wasser steht -
Bis zum Jahr 2030 sollen die jährlichen Treibhausgasemissionen aus Moorböden reduziert werden - durch Wiedervernässung (picture alliance / Countrypixel)
„Auf der einen Seite fängt die Marsch an, das beginnt da. Und desto weiter du Richtung Weser kommst, desto besser und mächtiger werden die Marschschichten. Also der Kleiboden. Und hier ist so langsam der Übergang, wo mehr der Mooranteil kommt.“

Karsten Padeken kennt den Boden der Wesermarsch wie seine Westentasche. Die Hofstellen des Bauern, der gut 250 Milchkühe hat, liegen direkt an der Moorkante. Im Osten die Weser, im Westen das Moor und überall Wasser, das in Gräben steht. Die ganze Gegend ist von ihnen durchzogen. Die größten von ihnen bildeten einst Grenzen zwischen den Grundstücken: „Das sind die sogenannten Schaugräben. Die müssen immer wechselseitig aufgereinigt werden, damit das Wasser bis zu dem Hauptgraben hinten hinziehen kann.“

Eine Infrastruktur, darauf angelegt, die Böden zu entwässern und damit urbar zu machen. Die Entwässerung war und ist eine Gemeinschaftsaufgabe, zu der jeder seinen Beitrag leisten muss, ein eingespieltes System. Padekens Vater selbst hat das Land noch mit kultiviert. „Und nun soll das wieder rückwärts. Und deshalb sagen einige auch, mein Großvater, mein Vater würden sich im Grabe umdrehen, wenn er das wissen würde, was jetzt passiert.“

7 Prozent der deutschen Treibhausgas-Emissionen kommen aus Mooren

Denn ein Teil der Moore soll wieder nass werden – zum Schutz des Klimas. Mehr als 90 Prozent der über Jahrtausende gewachsenen Moorflächen in Deutschland wurden trockengelegt, Torf wurde teils großflächig abgebaut und als Brennmaterial verwendet, heute dienen die meisten Flächen der Landwirtschaft.
Doch auch Siedlungen wurden auf entwässerten Moorböden gebaut, Truppenübungsplätze der Bundeswehr auf ihnen angelegt. Das Problem: Dadurch, dass trocken gelegter Torf mit Luft in Berührung kommt, zersetzt sich das aus pflanzlichen Resten entstandene Sediment - und das CO2, das einst durch Photosynthese in den Pflanzen gespeichert wurde, gelangt in die Atmosphäre.
Das Bewässern der Moore hilft dem Klimaschutz - Interview mit Jan Peters, Geschäftsführer der Succow Stiftung

Mehr zum Thema:

Schlechte Bilanz beim Treibhausgas
Klimaschutzgesetz - wahrscheinlich reicht es nicht
Wie Gifte Menschen und Umwelt belasten
Landwirtschaft und Ernährung - was muss sich ändern?

Erst seit einigen Jahren ist das volle Ausmaß halbwegs bekannt: Bis zu 7 Prozent der deutschen Treibhausgas-Emissionen kommen aus trocken gelegten Moorböden. 2019 waren es mehr als 50 Millionen Tonnen, Grützmacher rechnet vor: „Um das an einem konkreten Beispiel festzumachen: Dargestellt an einem tief entwässerten als Acker oder intensiven Grünland genutzten Moor, kann man sagen, dass dort pro Jahr pro Hektar 30 Tonnen CO2 in die Atmosphäre emittiert werden. Zum Vergleich: Mit meinem kleinen Auto könnte ich mit der Menge sechs Mal um die Erde fahren.“

Zielvereinbarung: Wiedervernässung von Mooren - zum Klimaschutz

Würde man den Wasserspiegel anheben, ließe sich der Zersetzungsprozess aufhalten. Die sogenannte „Wiedervernässung“ ist deshalb das erklärte Ziel von Bund und Ländern. Dabei geht es nicht darum, die Flächen unter Wasser zu setzen, sondern einen Wasserspiegel von 5 bis 15 cm unter der Oberfläche zu erreichen, auch in Sommermonaten. So steht es in der Bund-Länder-Zielvereinbarung, die Ende vergangenen Jahres unterschrieben wurde.
Alle Bundesländer verpflichten sich darin, Moore wiederzuvernässen.  Eine nationale Moorschutzstrategie scheiterte in der letzten Legislaturperiode allerdings am Widerstand des Landwirtschaftsministeriums. Anfang September wurde die Strategie allein als Papier des Umweltministeriums veröffentlicht. Dessen neue Chefin, die Grüne Steffi Lemke, will daran anknüpfen:
 
 „Es gibt ja eine konkrete Zielvorgabe in der Moorschutzstrategie – 5 Millionen Tonnen bis 2030 zu reduzieren. Ich finde, das ist eine gute Zielmarke. Und mir wäre das Wichtigste, dass wir jetzt wirklich ins konkrete Handeln kommen. Ich möchte im Moment nicht in allererster Linie über das nächste und übernächste Ziel und den fünften und sechsten Schritt diskutieren, sondern jetzt vor Ort tatsächlich ins Handeln kommen und dazu müssen wir Gespräche vor Ort führen, müssen wir die Kommunen, die Nutzer, müssen wir die Länder mit einbeziehen. Und den Prozess zu organisieren, finde ich jetzt das Wichtigste.“

Hydrologische Systeme müssen neu entwickelt werden

Denn der Prozess ist komplex und die Umsetzung regional mit spezifischen Schwierigkeiten verbunden. Das zeigt sich auch auf den Flächen von Karsten Padeken in der Wesermarsch. „Wenn man nur mäht, dann könnte man das über Wassermanagement so hinkriegen, dass man zu dem Zeitpunkt wo man mäht, ein paar Tage vorher ein bisschen ablässt und dann wieder höher, dann könnte man auch höhere Wasserstände vom Grundsatz her fahren.“

Wassergesättigte Böden zu bewirtschaften, erfordert andere Herangehensweisen - aber auch ein komplexes Wassermanagement, gerade in einer Umgebung, die eigentlich auf Entwässerung angelegt ist.
Mit dem Auto geht es tiefer hinein ins Moor, durch Wiesen, auf denen im Sommer das Vieh weidet. Ganz im Osten, am Ende des langen handtuchartigen Grundstücks liegt das Hochmoor: Eine hohe, dicke Torfschicht – auch sie liegt trocken. „Und wenn sie da von dem Torfkörper aus gucken, das sind jetzt, 1,5 Meter meist, da kann man Sie fast ganz reinstecken. Und da sitzt am meisten Torf drauf.“

Will man diesen Boden wieder mit Wasser sättigen, müsste der Wasserspiegel enorm angehoben werden. Es bräuchte Pumpen und Sperrwerke. Das gesamte hydrologische System der Region würde auf den Kopf gestellt. „Wer bezahlt das? Wer ist dafür zuständig? Wer unterhält das? Wer übernimmt die Stromkosten? Das sind all die Fragen. Und da sagen wir als Landwirtschaft: Das ist für uns eine Gemeinschaftsaufgabe. Sprich: Da müssen alle mit bezahlen.“

Wissenschaftliche Analyse nötig

Die Kosten für eine Moorwiedervernässung sind das eine, die Fragen der Nutzung das andere: Denn die landwirtschaftlich genutzten Flächen sind Privateigentum, der Staat kann hier nicht einfach eine andere Nutzung anordnen. Das betont auch Albert Stegemann, agrarpolitischer Sprecher der Unionsfraktion:

„Ich kann jetzt nicht durch staatliche Obrigkeit dem Landwirt hier Einschränkungen der Bewirtschaftung vorgeben und lasse ihn mit dem Schaden allein. Also, das ist Enteignung und das wollen wir nicht. Wir als Union haben immer wieder gesagt, wenn wir ins Eigentum eingreifen und wenn wir das tun wollen, weil wir es für verhältnismäßig halten, dann machen wir es, aber dann entschädigen wir es.“
Von den niedersächsischen Landesforsten in den 1980er Jahren renaturiertes und wiedevernässtes Torfmoor Mecklenbruch im Solling.
Es wächst wieder ungestört, das renaturierte Moor Mecklenbruch im Solling (Robert B. Fishman)
Stegemann ist selbst Milchviehhalter, hat einen Betrieb mit 600 Kühen im Emsland. Wie die Wesermarsch eine moorreiche Region. Niedersachsen hat mit etwa 400.000 Hektar die meisten Moorböden in Deutschland. Doch nicht alle davon eignen sich aus Stegemanns Sicht zur Wiedervernässung. Der CDU-Politiker verweist darauf, dass viele Flächen tiefgepflügt wurden, das heißt Torfschichten wurden zum Teil zerstört, mit Sand vermischt. Eine wissenschaftliche Grundlage, welche Flächen überhaupt geeignet sind, ist daher aus seiner Sicht unumgänglich:

„Wir haben teilweise wirklich Bereiche, Regionen, mit hohen Mischkulturen. Dort haben wir teilweise auch anmoorige Bodenschichten tief weg gepflügt, das bekommen Sie jetzt einfach durch Wiedervernässung nicht hin. Aber Sie haben auch in der Bodenkrume kaum organische Substanz, also von daher bedarf es jetzt erstmal einer wissenschaftlichen Analyse. Wie sieht die Gebietskulisse aus, welche Gebietskulisse hat wirklich auch mit einem Einsatz von finanziellen Mitteln die höchste Effektivität, um wirklich einen Beitrag zu leisten.“

Landwirte befürchten Wertverlust - Klimahonorierung als Aussicht

Aus Stegemanns Sicht ist das auch wichtig für die Akzeptanz durch die Landwirte. Dem Umweltministerium wirft er vor, ihre Belange bislang nicht ausreichend berücksichtigt zu haben. Dass das Landwirtschaftsministerium unter Führung von Julia Klöckner, CDU, die Moorschutzstrategie in der letzten Legislaturperiode nicht unterstützt hat, für ihn daher folgerichtig. 
Die neue Umweltministerin Steffi Lemke betont jedoch den Aspekt der Freiwilligkeit und macht klar: Über die Wiedervernässung wird nicht von Berlin aus entschieden: „Das heißt, die Flächen müssen vor Ort identifiziert werden. Und wenn es dann einen Antrag gibt auf Moorwiedervernässung und entsprechende Fördermittel, dann kann das konkret vor Ort entschieden werden. Das heißt, es wird sich jetzt nicht hingesetzt und anhand der Landkarte identifiziert, wo waren früher Moorstandorte, wo soll wiedervernässt werden, sondern es ist ein Prozess von unten heraus, aus den Regionen und Kommunen, mit hoffentlich Anmeldungen auf Nutzer- oder auch auf regionale Planungsgemeinschaften, Landgesellschaften, die sich in diesen Prozess schon mit einbringen wollen, die sagen: 'Hier gibt es eine Fläche, hier gibt es für unsere Gesellschaft einen Mehrwert, für Klimaschutz und für Naturschutz und lasst uns gemeinsam, Bund und Länder, dafür eine Umsetzungs- und Finanzierungsmöglichkeit finden.'“
Bundesumweltministerin Steffi Lemke, (Bündnis 90/Die Grünen) im Portrait
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) entwickelt ein Sofortprogramm „Natürlicher Klimaschutz“, dessen Eckpunkte bis Ostern stehen sollen (picture alliance / dpa |/Kay Nietfeld)
Wie Prozesse konkret gestaltet werden können, will das Umweltministerium in Pilotvorhaben überprüfen. Derzeit entwickelt das Ministerium ein Sofortprogramm „Natürlicher Klimaschutz“, dessen Eckpunkte bis Ostern stehen sollen. Mittelfristig, so wollen es die Grünen, sollen Umweltleistungen, die dem Gemeinwohl dienen, auch als solche honoriert werden. Wer also durch Moorschutz das Klima schützt, könnte dafür bezahlt werden.
Doch reicht das aus, um den Wertverlust der wiedervernässten Böden auszugleichen? Felix Grützmacher vom Naturschutzbund Deutschland verweist auf die teils deutlichen Nutzungsunterschiede: „Klar muss der Landwirt von etwas leben. Und der schaut natürlich, was wirtschaftet er bisher von den Flächen runter, um es so allgemein mal auszudrücken. Und da haben wir natürlich in moorreichen Gegenden, da denk ich an Nordwestniedersachsen zum Beispiel, zum Beispiel Milchviehbetriebe, die arbeiten recht erfolgreich, und erwirtschaften hohe Deckungsbeiträge. Und an denen muss sich natürlich auch so eine Klimahonorierung orientieren. Und das ist natürlich die Frage, wie kriegen wir diese Instrumente schnell auf die Schiene gesetzt.“

Neue Bewirtschaftsformen als Alternative zur Wertschöpfung

Im Falle einer Wiedervernässung einen Ersatz für die Wertschöpfung zu bekommen, das ist auch für Milchbauer Karsten Padeken aus der Wesermarsch entscheidend. Das Gras seiner Moorwiesen nährt seine Kühe. Doch bei hohen Wasserständen verliert das Weideland an Qualität.

„Wir verlieren Haus und Hof und unser Eigentum in dem Wertschöpfungspotential, und es ist ja jetzt nichts in Sicht, direkt, was sie anders machen könnten von dem Standort aus oder was zumindest überhaupt annähernd an dieses Wertschöpfungspotential kommt. Und deshalb ist für mich die Latte immer das jetzige Wertschöpfungspotential, die jetzige Ausgangssituation.“

Wie Alternativen zur Wertschöpfung aussehen können, lässt das Umweltministerium prüfen. Im Januar wurde ein Förderprogramm in Höhe von 48 Millionen Euro angekündigt. Es soll neue Bewirtschaftungsformen auf landwirtschaftlich genutzten wiedervernässten Moorböden fördern – und das auf zehn Jahre. Das Geld fließt in Projekte in Brandenburg, Bayern, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.

Für die Paludikultur braucht es spezielle Pflanzen

„Das ist draußen vielleicht ein Zentimeter mehr.“ Ein Testacker bei Neukalen. Sabine Wichmann prüft den Wasserstand in einem Schacht. Unter Federführung des Moorcentrums Greifswald wird hier auf einer 10 Hektar großen Fläche Rohrkolben auf wiedervernässtem Moor angebaut. In der Natur wächst die krautige Pflanze mit langen Stengeln und braunem Kolben entlang von Ufern oder in Sümpfen. Hier wird sie nun im Tal der Teterower Peene gezielt als Nutzpflanze angebaut. 
Paludikultur – so wird die landwirtschaftliche Nutzung nasser Moorböden genannt - für die es spezielle Pflanzen braucht, die mit dem wassergesättigten, sauerstoffarmen Boden zurechtkommen, erklärt Sabine Wichmann.

„Und die Pflanzen brauchen bestimmte Anpassungsstrategien, um dort wachsen zu können. Zum Beispiel der Rohrkolben hat so ein Luftgewebe und kann dann mit Lufttransport quasi in den wassergesättigten Boden schaffen, beziehungsweise auch andersherum einen Gasaustausch. Und das sind bestimmte Anpassungsstrategien, sodass man dann, wenn man bei nassen Böden weiterwirtschaften will, auch solche Feuchtgebietsarten braucht.“
Schon bei der Aussaat haben die Greifswalder Fachleute Neuland betreten, mussten herausfinden, wie man die Rohrkolbensamen am besten verteilt, berichtet Josephine Neubert vom Moorcentrum Greifswald, während sie einen der Kolben in der Hand dreht: „In der Natur platzt das dann auf und dann fangen die an wie bei einer Pusteblume wegzufliegen, die kleinen Samen. Und die sind sehr klein, wie man sieht und sehr fein. Und um das gezielt auszusäen, so wie man‘s haben möchte, im Abstand, ist das recht unpraktisch in der Form, deshalb macht es Sinn, das vielleicht zu pillieren.“

Heißt, die Samen zu kleinen Kügelchen zu formen und dann in den Boden einzubringen. Für die Bewirtschaftung auf wiedervernässtem Moor braucht es spezielles Gerät. Große Ballonreifen oder breite Ketten sind notwendig, damit die Maschine nicht im nassen Moorboden einsinkt.

Rohrkolben und Schilf nicht als landwirtschaftliche Erzeugnisse eingestuft

Rohrkolben sind ein vielseitiges Material, betonen die Forscherinnen, mit breiten Einsatzmöglichkeiten. Im Kofferraum ihres Universitätstransporters haben Wichmann und Neubert allerlei Anschauungsmaterial dabei. Aufgrund der luftigen Struktur bei gleichzeitiger Stabilität eignet sich Rohrkolbenfaser zum Beispiel gut als Dämmstoff, erklärt Josephine Neubert.

„Aber wir können natürlich auch Einweggeschirr ganz klassisch herstellen. Wo dann eben anteilig entweder Rohrkolben oder Nasswiesenbiomasse mit eingearbeitet ist. Also es ist wirklich vielfältig, muss alles eben ein bisschen ausprobiert werden, muss experimentiert werden.“
Rohrkolben-Pflanzen von unten gegen den Himmel fotografiert
Rohrkolben sind ein vielseitiges Material mit breiten Einsatzmöglichkeiten. I (picture alliance / Zoonar)
Stellt man langlebige Produkte aus den Rohrkolbenfasern her, könnte auf diese Weise Kohlenstoff gebunden werden. Doch die Entwicklung steckt in den Kinderschuhen, ist von einer Marktreife weit entfernt. Für den Anbau von Paludikulturen im großen Stil fehlte es bislang auch an politischen Rahmenbedingungen. Bislang waren sie nicht einmal im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik förderfähig, berichtet Sabine Wichmann.
   
„Pflanzen wie Rohrkolben und Schilf sind halt nicht als landwirtschaftliches Erzeugnis eingestuft und damit sind die Flächen dann nicht beihilfefähig, also der Status der landwirtschaftlichen Fläche geht verloren, wenn man solche Röhrichtpflanzen anbaut.“

Paludikulturen nur bedingt förderfähig


Die Zahlungen der EU-Agrarförderung sind aber ein entscheidender Beitrag zum Einkommen vieler Betriebe.  In der neuen deutschen Verordnung zur Gemeinsamen Agrarpolitiksind Paludikulturen nun unter bestimmten Bedingungen erstmals förderfähig. Doch die Skepsis bei Landwirten ist groß – selbst bei Karsten Padeken, der dem Thema Wiedervernässung grundsätzlich offen gegenüber steht:

„Die Paludikulturen sind für uns noch so ein ungelegtes Ei. Und ich bin auch sehr skeptisch, ob das aus dem Nischenbereich herauskommt. Deswegen ist auch die Forderung von uns zum Teil da, PV-Anlagen bevorzugt in solche Ecken zu legen, mit der Auflage Wiedervernässung, sollen sie ein paar Euro zugeben, dann haben wir Wertschöpfung, dann sind wir auch eher bereit.“

Auf die Landwirte kommen also deutliche Änderungen zu, die sich jetzt noch nicht klar absehen lassen. „Ich will wissen, was bis 2045 oder 50 sein soll, weil wir Betriebe denken generationsübergreifend, 20 Jahre lang.“

Moorschutzstrategie läuft nur bis 2030 - keine Pläne für danach

Die bisherige Moorschutzstrategie des Umweltministeriums reicht eben nur bis 2030 – sieht bis dahin eine Reduktion von 5 Millionen Tonnen CO2-Emissionen vor. Doch wie soll es danach weitergehen? Wenn Deutschland 2045 bereits klimaneutral sein will? Felix Grützmacher vom NABU reichen die bisherigen Zielvorgaben nicht:

„Das ist natürlich vor dem Hintergrund, wo die Bundesregierung aufgrund eines Bundesverfassungsgerichtsurteils ihre Ziele auf 65 Prozent angehoben hat, einfach zu dürftig. Und, der zweite Kritikpunkt ist, der Pfad für die Zeit nach 2030 wird noch nicht einmal skizziert. Und auch diese 5 Millionen Tonnen, die ja jetzt schon abzusehen unzureichend sind, auch die sollen nur auf freiwilliger Basis erreicht werden. Das heißt, jeder darf, keiner muss, und wir haben halt die Befürchtung, dass dies nicht ausreicht.“

Milchbauer Karsten Padeken fordert Sicherheiten, damit Betriebe planen können. Aus seiner Sicht müsste es verschiedene Lösungs-Ansätze geben, darunter: der Tausch von Flächen. „Ich sag, wir brauchen einen Strauß von Maßnahmen! Der eine will lieber verkaufen, sagt weg mit dem Schiet, bezahlt mich anständig, ich bin raus. Andere sagen, Mensch, Mann, das ist der emotionale Moment! Die muss man ja auch mitnehmen, die haben da gearbeitet, ich will hier bleiben, das ist mein Land, ich will hier gerne was machen. Und in irgendeiner Form, bietet mir eine Perspektive und den Rest gleicht ihr mir aus.“

Es braucht Milliardenbeträge für Strukturwandel ganzer Regionen

Padeken fürchtet, dass die Ungewissheit dazu führen wird, dass weitere Betriebe aufgeben. Schon jetzt sei es für viele schwer, Nachfolger zu finden. Seine Generation könnte an vielen Hofstellen die letzte sein. Er sieht einen drohenden Strukturwandel.
„Beim Kohleausstieg, da hingen da viele Arbeitsplätze dran. In ein paar einzelnen Regionen. Da haben sie sofort eine Strukturbeihilfe von 36 Milliarden Euro zugesagt. Umbau der dortigen Wirtschaft. Was bieten sie uns? Ja, so ‘n paar Förderprogramme, ein bisschen Wassermanagement. Aber was bieten sie den Leuten hier für andere Einkommensperspektiven?“

Mehr zum Thema Kohleausstieg

Wie der Kohleausstieg gelingen soll
Bergleute ohne Kohle: Die Lausitz muss sich selbst retten

Es geht eben nicht nur darum, den Wasserstand auf einzelnen Flächen anzuheben. Es geht um ganze Regionen, deren Wertschöpfungsketten neu gedacht werden müssen. Deren Infrastruktur angepasst werden muss. All das wird viel Überzeugungsarbeit kosten – und Geld.

„Der Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Moorbodenschutz, der liegt jetzt erstmal eine Finanzierungszusage von 350 Millionen Euro für die nächsten Jahre zur Verfügung. Das wird aber bei weitem nicht reichen. Also wir reden da wirklich über Milliardenbeträge, die wir brauchen, um die Landwirtschaft hier in ihrem Strukturwandel zu begleiten“, unterstreicht Felix Grützmacher vom NABU. Auch Umweltministerin Steffi Lemke ist sich der Größe der Aufgabe bewusst.

„Ich komme aus einer Strukturwandelregion, aus der Braunkohleregion, wo die Menschen das seit vielen Jahren bereits erleben müssen. Und wo auch lange Zeit zu wenig Unterstützung, auch zu wenig Bereitschaft, zu erkennen, dass es ein tiefgreifender Wandlungsprozess vorhanden gewesen ist. Deshalb ist es mir ein Anliegen, dass wir das als eine Veränderung für eine gesamte Region identifizieren, wenn eine große Fläche zumindest wiedervernässt wird. Und dafür die entsprechenden Mittel, die entsprechenden Strukturen zur Verfügung stellen. Und auch nicht nur auf den einzelnen Landwirt, auf den einzelnen Acker schauen, sondern das gesamte hydrologische System einer solchen Region ja betrachten müssen, damit auch nicht an irgendeiner Ecke etwas passiert, was man gar nicht wollte.“

Wie all das konkret gelingen kann und wie viel es kosten wird –das lässt sich bislang schwer überblicken. Doch bleibt Deutschland beim eingeschlagenen Pfad zur Klimaneutralität 2045, sind tiefgreifende Maßnahmen unausweichlich. Denn nur so können Emissionsminderungspfade eingehalten werden, die das Klimaschutzgesetz vorgibt. Das Moor muss wieder nass werden, ansonsten zersetzt es sich und setzt klimaschädliches CO2 frei.