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Vor 125 Jahren eingeweiht
Größtes Denkmal von Kaiser Wilhelm I. in Koblenz

Das monumentale Reiterstandbild von Kaiser Wilhelm I. in Koblenz wurde vor 125 Jahren eingeweiht. Bis zu seiner Zerstörung am Ende des Zweiten Weltkrieges war es Touristenziel und Ort politischer Manifestationen. 1993 wurde es wieder errichtet.

Von Bernd Ulrich | 31.08.2022
Reiterstandbild des Kaisers Wilhelm I. am Deutschen Eck in Koblenz. Daneben eine schlaff herabhängende Deutschlandfahne.
Reiterstandbild des Kaisers Wilhelm I. am Deutschen Eck in Koblenz (imago / pictureteam)
Johannes Brahms komponierte nach den Siegen preußisch-deutscher Truppen über das französische Heer im Jahr 1870 das „Triumphlied“ Opus 55. Es war dem preußischen König Wilhelm I. gewidmet, seit dem 18. Januar 1871 deutscher Kaiser. Fast überall beliebt und geradezu populär, überraschte es wenig, dass diesem Monarchen nach seinem Tod am 9. März 1888 widerfuhr, was er sich Zeit seines Lebens verbeten hatte: Überall im Reich wurden Denkmäler für ihn errichtet.

"Standbild des verewigten Herrn"

Ganz so wie es sein Enkel, Kaiser Wilhelm II., bei der Einweihung eines Reiterstandbildes in Köln im Juni 1897 ausgeführt hatte: „Wiederum hat eine preußische Stadt dem großen Kaiser ein Denkmal gesetzt. Seitdem er uns durch Gottes Ratschluß entführt wurde, erhebt sich allerorten im Vaterlande in kleinen und großen Städten das Standbild des verewigten Herrn.“
Das größte und monumentalste Denkmal des „verewigten Herren“ wurde kurz darauf, am 31. August 1897, am sogenannten Deutschen Eck in Koblenz eingeweiht. Allein das Reiterstandbild war 14 Meter hoch und brachte über 40 Tonnen auf die Waage. Dazu noch der 22 Meter hohe Sockel. Wie es Ende der 1920er-Jahre gewirkt hat, charakterisierte Kurt Tucholsky in einer Glosse über einen Besuch in Koblenz so: „Da stand – Tschingbumm! – ein riesiges Denkmal Kaiser Wilhelms des Ersten: ein Faustschlag aus Stein. Zunächst blieb einem der Atem weg. Das Ding sah aus wie ein gigantischer Tortenaufsatz. Es hat die Ornamenten-Masern: sich bäumende Reptile und gewürgte Schlangen und Adler und Wappen und Schnörkel."

Rede beim Festmahl der Rheinprovinz

Kaiser Wilhelm II. war natürlich am 31. August 1897 zur Einweihung gekommen. In seiner Rede beim Festmahl der Rheinprovinz behauptete er, dass gerade in Koblenz die „hohen Gedanken“ des kaiserlichen Großvaters zur Gewinnung eines einigen deutschen Reiches entstanden wären: „An dieser Provinz hat sein Herz gehangen, diese Stadt hat er geliebt, sie hat sein geweihter Fuß betreten, und mit dieser Provinz hat er geliebt und gelitten.“
Die Nachkommen der Revolutionäre des Jahres 1848 dürften da anderer Ansicht gewesen sein. Deren Vorväter nämlich hatten den späteren Kaiser noch als Prinzen und Kommandeur preußischer Truppen kennengelernt, die mit großer Brutalität die revolutionären Aufstände niederschlugen. Auch in Koblenz tauchte damals ein Flugblatt auf, auf dem sich der „Rheinische Protest“ lyrisch äußerte, etwa in der 3. Strophe: „Wir wollen ihn nicht haben / Den Schild der Despotie, / Der für der Freiheit Gaben / Nie fühlte Sympathie; / Der nur die Frucht vom Fleiße / Des armen Volks genießt, / Um dann als erster Preuße / Dasselbe niederschießt.“

Positive Aufnahme des Denkmals in der Bevölkerung

An der positiven Aufnahme des Denkmals durch eine Mehrheit der Bevölkerung und der Politik änderte das nichts. Vom Ende des 19. Jahrhunderts an und über zwei Weltkriege hinweg verloren Deutsches Eck und Kaiser-Wilhelm-Denkmal kaum an Attraktivität. Auch nach der Zerstörung des Denkmals durch Artilleriebeschuss in den Apriltagen des Jahres 1945 blieb der übrig gebliebene Denkmalsockel ein Ort der politischen Manifestationen. Am 18. Mai 1953 erklärte Bundespräsident Theodor Heuss bei einer Veranstaltung am Deutschen Eck die Überreste des Wilhelm-Monuments kurzerhand zum Mahnmal der deutschen Einheit: „Wir stehen beisammen in dem einfachen Bekenntnis zu einer neu zu gewinnenden Einheit.“

Touristenmagnet

Mit der Erlangung der deutschen Einheit nahmen die Debatten um eine Wiedererrichtung des Denkmals an Fahrt auf. Am 2. September 1993 war es dann bei strömendem Regen so weit: Das Reiterstandbild erstrahlte in neuem Glanz, als Replik, versteht sich, und nun 60 Tonnen schwer. Die Touristen freut es bis heute. Und doch blieb das Ganze immer auch ein Objekt spöttischer Gedichte und Lieder und Ziel von Anschlägen auf die Denkmalswürde. Ein Mann der Koblenzer Stadtreinigung wusste am 30. Juli 2020 zu berichten:  „Und dann habe ich da hier mit meinem Arbeitskollegen da hoch geguckt, da sehn wir, dass vom Wilhelm die Eier rot angemalt waren, gell, schön feuerrot wie bei der Feuerwehr.“
Gemeint war natürlich das Pferd, dessen Testikel leuchteten. Mittlerweile ist das Ergebnis einer gewagten Kletteraktion selbstverständlich entfernt worden.