Bildung
Zunehmender Rechtsextremismus an deutschen Schule löst große Besorgnis aus

An Schulen in Deutschland gibt es eine zunehmende Radikalisierung nach rechts. Experten und Betroffene warnen vor den Folgen.

    Stühle stehen auf Tischen in einem Klassenraum.
    In manchen Fällen trauen sich Lehrer wegen rechtsextremer Anfeindungen durch Schüler nicht mehr zur Arbeit. (picture alliance / Fabian Strauch)
    Mit Blick auf die Frage, wie normal Rechtssein dort sei, erklärte der Soziologe Matthias Quent von der Hochschule Magdeburg-Stendal im Deutschlandfunk, die Lage sei unterschiedlich. In manchen ländlichen Gebieten gebe es regelrechte Hegemonien, sodass sich nicht rechtsextreme Leute verstecken müssten. Es gebe Fälle, in denen sich Lehrer nicht mehr zur Arbeit trauten. Drohungen von jungen Menschen und teilweise von ihren Eltern seien "ein wirklich großes Problem, das sich hier Bahn bricht". Der Vorsitzende des Kreisschülerrates im brandenburgischen Teltow-Fläming, Colin Schlegel, berichtete von Hitlergrüße, rechtsextremen Schmierereien und anderem. Der Märkischen Allgemeinen sagte er, die Täter schüchterten mit solchem Verhalten andere Menschen oder grenzten sie aus.
    Auch in urbanen Milieus wird wahrgenommen, dass sich bei den Einstellungen von Schülern etwas verändert. Quent betonte, dort gebe es allerdings immer auch noch Gegenstimmen und andere Möglichkeiten. So könne man sich nach der Schule an Treffpunkte begeben, die nicht rechts dominiert seien. Das sei etwas anderes, als wenn man keine Wahl mehr habe. Der Wissenschaftler spricht von einer massiven quantitativen und qualitativen Radikalisierung im rechten Bereich.

    Rassistisch aufgeladene Untergangsszenarien verfangen besonders bei bestimmten Personen

    Quent sieht die Entwicklungen unter Schülern als ein Abbild gesellschaftlicher Verhältnisse. Bestimmte Milieus nehmen sich demnach als abgehängt wahr. Manche Menschen suchen dann nach Aufwertung über Erzählungen wie: Man werde unterdrückt, Deutschland sei bedroht, man dürfe nichts mehr sagen, alles gehe den Bach runter, das Land werde überfremdet oder islamisiert.
    Diese "rassistisch aufgeladenen Untergangsszenarien" verfangen laut Quent besonders bei bestimmten Personen. Er beschreibt sie als solche, die sich mit einfachen Botschaften leichter identifizieren können. Das kommt unter anderem wegen fehlender Möglichkeiten zustande, sich in ihrem sozialen Umfeld darüber auszutauschen. Die Gründe dafür sind unter anderem, dass sich Eltern durch Jobbelastung, aus inhaltlicher Zustimmung oder angesichts eigener Probleme zu wenig mit der Radikalisierung ihrer Kinder nach rechts auseinandersetzen. Und dass es an sozialer Arbeit fehle und Lehrer mit den multiplen Entwicklungen und Belastungen der Gegenwart überfordert seien.

    Mutmaßliche rechtsextreme Terrorzelle von Jugendlichen aufgedeckt

    Der beschriebene Prozess "verdichte sich" bei jenen in der Gesellschaft, die es sowieso schon besonders schwer hätten, führte Quent aus. Soziale Medien spielten dabei zwar eine wichtige Rolle. Zugleich schränkte er aber auch ein, letztlich medialisierten sie nur gesellschaftliche Konflikte, die man derzeit austrage. Das nach der jüngsten Razzia Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren in Untersuchungshaft genommen wurden, sei zwar krass, aber es sei ein Stück weit repräsentativ für das, was man in der Gesellschaft derzeit sieht.
    Auch der Präsident des Bundeskriminalamts, Münch, warnte vor einem Anwachsen krimineller Jugendgruppen. Seit etwa einem Jahr sehe man vermehrt, dass sich sehr junge Menschen weiter radikalisierten, sagte er den Funke Medien. Die Geschäftsführerin vom Landesjugendring Mecklenburg-Vorpommern Ina Bösefeldt zufolge ist es zu einer großen Normalisierung rechtsextremer Haltung gekommen. Die Politik habe Jugendbildung nicht priorisiert, sagte sie im Deutschlanfunk Kultur. Man traue der Jugendbildung nicht die Kraft zu, die ich ihr zutraue. Demokratiebildung müsse mehr sein als Wissensvermittlung. Es mangele jedoch an Räumen, Zeit und Personal.

    Abimotto im NS-Jargon, IB-Flyer an Schulen

    Zuletzt sorgte auch ein Fall aus Gießen für Debatten. Anfang der Woche war bekannt geworden, dass der 12. Jahrgang eines Gymnasiums online auf einem Portal Motto-Ideen gesammelt hatte. Dabei kamen teilweise antisemitische, rassistische und diskriminierende Vorschläge zusammen. Darunter war die Formulierung: NSDABI – Verbrennt den Duden; eine Anspielung auf Hitlers "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP)" und die Bücherverbrennungen der Nazis. Schule und Schüler verurteilten die Aktionund distanzierten sich. Außerdem wurden bundesweit verkaptte Flyer der rechtextremen Identitären Bewegung verteilt.

    Weitere Informationen

    Hakenkreuz und Hitlergruß: Wie können Schulen Rechtsextremismus begegnen?
    Diese Nachricht wurde am 24.05.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.