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Vor 25 Jahren
Die Rückgabe Hongkongs an China

Als das Vereinigte Königreich am 1. Juli 1997 Hongkong an China zurückgab, endete eine über 150-jährige Kolonialgeschichte. Den Bürgern Hongkongs wurde weitgehende Autonomie versprochen. Doch in Chinas „Sonderverwaltungsregion“ schwinden die Freiheiten.

Von Matthias Bertsch | 01.07.2022
 Die Rückgabezeremonie der britischen Kronkolonie an China am 1. Juli 1997. Links weht die chinesische Flagge, nachdem der britische Union Jack eingeholt worden war
Die Rückgabe-Zeremonie der britischen Kronkolonie Hongkong an China am 1. Juli 1997 (AFP)
“Clean and light-handed Government"– eine saubere Verwaltung", Rechtsstaatlichkeit, die Werte einer freien Gesellschaft" und zumindest Ansätze repräsentativer Demokratie: das pries der britische Gouverneur Chris Patten bei der Übergabezeremonie Hongkongs, als Errungenschaften der Kronkolonie. Während Chinas Staatschef Jiang Zemin hervorhob, dass nun „Menschen aus Hongkong, Hongkong führen.“
Es war das Ende einer langen Geschichte der Fremdherrschaft. Begonnen hatte sie 1839 mit dem Ersten Opiumkrieg, betont der Sinologe Klaus Mühlhahn, der gerade ein Buch über die Geschichte Hongkongs geschrieben hat.
„Der Opiumkrieg geht darum, dass Großbritannien und auch andere europäische Länder muss man sagen, aber vor allem Großbritannien, Opium nach China einführen wollen, um dadurch Silber zu verdienen, das sie nutzen können, um Produkte wie Tee oder Porzellan oder auch Seide aufzukaufen. Die Einfuhr von Opium ist aber verboten nach chinesischem Recht, also nach dem Recht des chinesischen Kaiserreichs, und insofern kommt es darüber zum Krieg.“

Kowloon und die New Territories

Dieser endete mit der Niederlage Chinas und der erzwungenen Übergabe der Hongkong-Island an Großbritannien. Die Insel an der Mündung des Perl-Flusses war für den britischen Handel mit China und Britisch-Indien, wo ein Großteil des Opiums hergestellt wurde, von zentraler Bedeutung. Nach dem Zweiten Opiumkrieg, 20 Jahre später, annektierten die Briten die Halbinsel Kowloon, gegenüber von Hongkong auf der Südspitze des Festlandes, doch auch dieses Gebiet erwies sich auf Dauer als zu klein für die ständig wachsenden Wirtschaftsinteressen der Briten. Doch, so Klaus Mühlhahn:
„1898 gelingt es dann Großbritannien ein weiteres, viel größeres Territorium zu erwerben, und das sind die sogenannten New Territories. Aber jetzt gibt es eine Besonderheit: China weigert sich, die einfach abzutreten wie im Falle von Hongkong-Island oder von Kowloon Peninsula, sondern in dem Fall werden die New Territories verpachtet, und zwar für eine Laufzeit von 99 Jahren, und das bedingt dann das Ablaufen der Pacht im Jahre 1997.“

Wie es zum Status „Ein Land, zwei Systeme“ kam

Und so entwickelte sich die britische Kronkolonie von einer kleinen Hafenstadt zu einer globalen Handelsmetropole, die sich durch ihren Wirtschaftsliberalismus auszeichnete. Aber es kamen nicht nur Unternehmer aus aller Welt in die Enklave, sondern auch Chinesen, die nach der Machtergreifung durch die Kommunisten vom Festland flohen. Dazu Klaus Mühlhahn:

„Ihre Bande zum Festland werden immer lockerer, die werden langsam aufgegeben, weil es ist ja Kalter Krieg, Kontakt ist schwer möglich, und es entwickelt sich so etwas wie eine lokale Gesellschaft, die sich dezidiert auch als Hongkonger Gesellschaft versteht. Und diese Gesellschaft, die ist in der Tat so, dass sie Aspekte des britischen Kolonialsystems sehr wohl zu schätzen weiß.“

Hongkong und das Tian'anmen-Massaker

1984 einigten sich Großbritannien und China in einer gemeinsamen Erklärung auf die Rückgabe aller Territorien nach Ablauf der Pachtzeit. Unter dem Motto „Ein Land, zwei Systeme“ soll die Autonomie Hongkongs innerhalb Chinas für 50 Jahre beibehalten werden. Doch das Misstrauen vieler Hongkonger gegenüber der chinesischen Führung blieb. Das zeigte sich, als Peking im Juni `89 die Proteste der Studenten auf dem Platz des Himmlischen Friedens mit Gewalt niederschlug. Der britische Journalist Anthony Laurence lebte damals in der Kronkolonie:

Jeder hat bis dahin gedacht, dass Hongkong ein unpolitischer Ort ist, aber eine Million Menschen demonstrierten. Eine Million bei einer Bevölkerung von sechs Millionen, das ist eine außergewöhnliche Beteiligung. Und absolut friedlich. Aber natürlich hat das Peking enorm beunruhigt. Ich denke, das war ein wichtiger Wendepunkt in Hongkongs Geschichte.“
Und so wurde die Rückgabe der britischen Kronkolonie am 1. Juli 1997 weltweit mit Spannung verfolgt. Doch das Leben in der Sonderverwaltungszone, wie Hongkong seitdem heißt, schien sich zunächst kaum zu verändern. Erst nach einigen Jahren wurde deutlich, dass China eine freie Presse auf Dauer genauso wenig respektiert wie ein unabhängiges Parlament oder regierungskritische Demonstrationen. Dazu Klaus Mühlhahn:
„Ich denke schon, dass die Tendenz in den letzten zehn Jahren ganz deutlich dahin geht, dass die Regierung des Festlands, also der kommunistischen Volksrepublik China, einen sich schließenden Griff um Hongkong sozusagen aufgestellt hat und Hongkongs Freiraum und Autonomie, die ursprünglich zugesagt wurde, heute doch deutlich, deutlich reduziert wurde.“