Die Corona Fallzahlen in Deutschland sind auf ein neues Rekordhoch gestiegen. Die einen können die täglichen Corona-Meldungen nicht mehr hören und reagieren resigniert. Die anderen sind verunsichert. Nach einem Sommer, der für einige nach Normalität aussah, ist nun die zweite Infektionswelle da und mit ihr die Angst.
Menschen erarbeiten sich ein eigenes "Risikoprofil"
Wirkt sich eine dauerhafte Bedrohungssituation auf das Gemüt aus oder passt sich der Mensch an eine Angstsituation an? Professor Borwin Bandelow ist Arzt für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Göttingen und auch Gründer der Gesellschaft für Angstforschung. Im Dlf sagte er: "Am Anfang war das so, dass die Menschen sehr stark reagiert haben. Das ist immer so, wenn eine Gefahr neu ist und unbeherrschbar erscheint. Dann haben wir davor mehr Angst als vor bekannten Gefahren, wie Autounfälle oder der Grippewelle." Vier Wochen später sei die Phase eingetreten, in der die Angst von den Menschen als realistisch eingestuft wurde. "Man hatte doch Respekt", sagte Bandelow.
"Jetzt kommen wir in eine Phase, in der viele Menschen nicht mehr auf die Ratschläge der Politiker hören. Und das liegt nicht etwa daran, dass sich die Politiker ständig widersprechen und mal andere Vorschläge machen für Mecklenburg-Vorpommern, als für Bayern, sondern es liegt offenbar daran, dass die Menschen aufgrund ihrer eigenen Erfahrung sich ein eigenes Risikoprofil erarbeiten."
"Wir sind es nicht gewohnt an Grippeviren zu sterben"
Jede Person habe für sich selber etwas zurechtgelegt, weil Menschen auch aufgrund von Erfahrungen reagierten. "Man tastet sich sozusagen an Corona ran, wie an ein wildes Tier. Und man will so nah an das Tier rangehen, so dass es einen gerade nicht erwischen kann."
Menschen müssten sich mit Angst arrangieren, so wie zum Beispiel Menschen in Krisen- oder Kriegsgebieten. "Und alle diese Menschen wollen trotzdem ihr Leben weiterleben und tasten sich ran, in welche Gegenden sie nicht gehen und wie sie sich vorsehen", so Bandelow. Das sei die einzige Möglichkeit, wie sich Menschen an Gefahren gewöhnen könnten. "Menschen können sich an Gefahren adaptieren."
Die Ausgangslage in Deutschland sei sehr komfortabel gewesen. "Wir sind es nicht gewohnt an Grippeviren zu sterben. Deswegen machen wir mehr Aufhebens darum als andere Menschen", sagte der Angstforscher. Diese Situation mache Menschen aber auch sehr erfinderisch. Das könne man den besonders betroffenen Wirtschaftszweigen sehen. "Sie denken sich wirklich sehr intelligente, kreative, phantasievolle Dinge aus, um mit dieser Situation klar zu kommen. Aus Angst heraus werden Menschen kreativ und versuchen ihr Leben in positive Bahnen zu lenken."