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"Die Bundeswehr zu einer attraktiven Freiwilligenarmee" wandeln

Die Bundeswehr muss sparen - doch lässt sich die geplante Umstrukturierung zu einer Freiwilligenarmee mit weniger Geld bezahlen? Die FDP-Verteidigungspolitikerin Elke Hoff sagt ja, allerdings müssten dazu die Sparziele auf sechs bis sieben Jahre ausgedehnt werden.

Elke Hoff im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Die klammen öffentlichen Kassen, sie waren offiziell zumindest nie der Grund für die geplante Aussetzung der Wehrpflicht zum 1. Juli kommenden Jahres, auch wenn eingeräumt wurde, dass ein solcher Schritt den angenehmen Nebeneffekt haben werde, Gelder einzusparen. Verteidigungsminister zu Guttenberg von der CSU hat aber bereits klar gemacht, wenn man die neue Bundeswehr für Freiwillige attraktiv machen wolle, werde das zunächst einmal Geld kosten. Das vereinbarte Sparziel von rund acht Milliarden Euro könne bei einer geplanten Stärke von bis zu 185.000 Mann so nicht eingehalten werden. Heute berät das Bundeskabinett über die Reform und am Telefon begrüße ich die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Elke Hoff. Guten Morgen!

    Elke Hoff: Guten Morgen, Herr Heckmann.

    Heckmann: Frau Hoff, wie wollen Sie die Bundeswehr der Zukunft attraktiv machen?

    Hoff: Es gibt ein ganzes Bündel von Maßnahmen, das unseres Erachtens dringend notwendig ist, um die Bundeswehr zu einer attraktiven Freiwilligenarmee umzugestalten. Das beginnt mit einem attraktiveren Laufbahnrecht, als es bisher der Fall war. Junge fähige Soldatinnen und Soldaten müssen schneller auch höhere Dienstgrade erreichen können. Sie müssen dann, wenn sie sich für eine Laufbahn als Soldat auf Zeit entscheiden, natürlich auch beruflich weitergebildet werden und qualifiziert werden, damit sie anschließend, wenn sie wieder in den zivilen Arbeitsmarkt zurückgehen, auch attraktive Chancen haben. Wir müssen dringend die Vereinbarkeit von Familie und Dienst verbessern bis hin zu einer an großen Standorten eigenen betrieblichen Kinderbetreuung. Also es gibt eine Reihe von Dingen, natürlich auch finanzielle Anreize, die dazu dienen müssen, in Zukunft im Wettbewerb mit den zivilen Arbeitgebern zu bestehen.

    Heckmann: Das Ganze, Frau Hoff, wird nicht zum Nulltarif passieren. Das Verteidigungsministerium rechnet mit einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag. Gleichzeitig soll das Verteidigungsressort in den nächsten Jahren rund acht Milliarden Euro einsparen. Sind Sie dafür, dass vor diesem Hintergrund dieser Spardruck genommen wird?

    Hoff: Meine Fraktion hat sich durch die Verabschiedung unseres bundeswehrpolitischen Papiers darauf verständigt, dass wir zwar an dem Einsparziel festhalten werden, dass es aber auf der Zeitachse etwas länger dauern wird, bis dieses Ziel erreicht wird. Ich finde, hier muss man die Dinge auch sehr realistisch betrachten. Aber dennoch wird natürlich auch das Bundesministerium der Verteidigung insgesamt einen Einsparbeitrag leisten müssen. Wir müssen die Schuldenbremse umsetzen. Aber die Frage ist, zu welchem Zeitpunkt man welche Schritte unternimmt, und ich bin auch der Überzeugung, dass bei einem intensiven Durchforsten auch des jetzigen Verteidigungsetats, auch im Bereich der Beschaffung sicherlich noch das eine oder andere an finanziellen Mitteln für die Attraktivität der Bundeswehr vorhanden ist.

    Heckmann: Aber ich verstehe Sie richtig, dass das Sparziel so nicht mehr eingehalten werden muss?

    Hoff: Nein! Ich habe gesagt, das Sparziel, also das Volumen des Einsparumfanges, sollte selbstverständlich erhalten bleiben, ...

    Heckmann: Aber es soll ja gestreckt werden, sagen Sie?

    Hoff: Genau richtig, auf eine längere Zeitachse, weil im Moment die vordringliche Aufgabe ist, die Aussetzung der Wehrpflicht umzusetzen und die Bundeswehr eben zu einer attraktiven Freiwilligenarmee umzuformen, übrigens was eine schon bereits seit zehn Jahren existierende Forderung der FDP ist.

    Heckmann: Und was meinen Sie, wie lange kann es dauern, dieses Sparziel zu erreichen?

    Hoff: Ich hoffe, dass es dann in sechs bis sieben Jahren zu bewältigen ist. Das hängt einfach auch jetzt von der Bereitschaft aller Beteiligten ab, ernsthaft in die Etatposten auch jetzt des Bundesministeriums der Verteidigung hineinzugehen, und ich glaube auch, dass die Bundesregierung sehr deutlich gemacht hat, dass die Sicherheitspolitik unseres Landes sicherlich letztendlich nicht am Geld scheitern darf, aber auf der anderen Seite muss auch der Verteidigungsminister einen Beitrag zur Einsparung leisten. Das hat er ja selber im Kabinett so auch vorgeschlagen.

    Heckmann: Frau Hoff, es gibt weiterhin massive Kritik am jüngsten Afghanistanbesuch des Verteidigungsministers zu Guttenberg, vor allem daran, dass seine Frau mitgereist ist und der TV-Moderator Johannes B. Kerner. Sie selbst haben auch mehr Zurückhaltung angemahnt. Hat zu Guttenberg also den Bogen überspannt?

    Hoff: Ich denke, es ist so alt wie die Welt, dass die Menschen natürlich auch gerne unterhalten werden möchten und sicherlich auch die Soldaten im Einsatz. Es ist aber eben auch genauso alt wie die Welt, dass die dunklen Seiten eines Kriegseinsatzes dann häufig verschwiegen werden und hinten runterfallen. Mein Appell zu mehr Zurückhaltung war einfach auch dem Umstand geschuldet, dass unsere Soldatinnen und Soldaten, die in den täglichen Gefechten jetzt der unmittelbaren Bedrohung für ihr Leib und Leben ausgesetzt sind, und dass eben auch viele Soldatinnen und Soldaten körperlich versehrt, traumatisiert aus dem Einsatz zurückkommen, eben solcher Aufmerksamkeit bedürfen, und mir geht es einfach darum, dass hier eine ausgewogene Balance gefunden wird. Und solange wir alle es noch nicht geschafft haben, unseren Männern und Frauen, die eben versehrt, weil sie Leib und Leben riskieren, aus dem Einsatz zurückkommen, auch wieder in ein Zivilleben zurückzuhelfen, ihnen die Sorge zu nehmen, dass sie beruflich nicht vor einem Nichts stehen, und auch ihren Familien behilflich sind, solange, glaube ich, sollten wir kein falsches Bild vom Einsatz zeichnen. Aber ich habe natürlich auch Verständnis für die Soldaten, die dann vor Ort Herrn Kerner bewundern dürfen, dass sie erst mal begeistert sind. Aber die Realitäten im Einsatz sind eben auch andere und ich wünschte mir, dass dieser Aspekt auch in der Gesellschaft genauso deutlich gemacht wird. Deswegen war auch mein Appell in diese Richtung so zu verstehen.

    Heckmann: Würden Sie so weit gehen, Frau Hoff, zu sagen, dass der Verteidigungsminister die Soldaten in Afghanistan für seine eigenen Zwecke benutzt hat?

    Hoff: Nein, so weit möchte ich an dieser Stelle nicht gehen. Er hat sehr deutlich gemacht, dass es ihm auch darum geht, den Einsatz in Afghanistan der Bevölkerung nahezubringen. Man kann über die Mittel und Wege streiten, ich hätte einen anderen Weg gesucht, aber ich bin nicht der Verteidigungsminister, es ist sein Verantwortungsbereich. Nein, das möchte ich ihm auf keinen Fall unterstellen, sondern ich glaube schon, dass er sehr ernsthaft auch seine Verbundenheit mit den Soldaten zum Ausdruck bringen sollte, aber da muss man halt eben auch letztendlich abwägen, welche Botschaft man vermittelt und dass man eben die nicht vergisst, die tatsächlich auch die Last des Einsatzes zu tragen haben, und auch der Bevölkerung deutlich macht, dass dieser Einsatz eben auch eine weniger schöne Seite hat, und dass wir auch für die Soldatinnen und Soldaten da sein müssen, auch über den Zeitpunkt einer Fernsehsendung hinaus. Das ist mir einfach ein wichtiges Anliegen.

    Heckmann: Aber genau dieser Punkt könnte ja im Rahmen dieser Diskussionssendung auch zum Tragen kommen?

    Hoff: Ich hoffe sehr.

    Heckmann: Frau Hoff, die Bundesregierung hat zu Wochenbeginn den Afghanistan-Fortschrittsbericht an das Parlament übersandt. Demnach könnte ein Abzug schon im Jahr 2011 beginnen. Wollen Sie sich von der Koalition die Zustimmung der SPD damit erkaufen, denn die Verlängerung des Mandates steht jetzt demnächst an?

    Hoff: Ich glaube, dass wir in der Koalition sehr deutlich gemacht haben, sowohl der Außenminister als auch der Bundesverteidigungsminister, dass über einen Abzug erst dann gesprochen werden kann, wenn es die Situation in Afghanistan auch möglich macht. Das heißt, wenn wir Übergabe in Verantwortung umsetzen wollen, müssen natürlich auch afghanische Sicherheitskräfte vorhanden sein, an die man die Verantwortung übergeben kann.

    Heckmann: Das heißt, 2011 steht im Prinzip nur auf dem Papier?

    Hoff: Diese Regelungen existieren zweifellos. Ja nun, man muss auch einmal zur Kenntnis nehmen, dass die NATO sich dazu entschieden hat, eine Counter Insurgency, also eine Aufstandsbekämpfungsstrategie in Afghanistan umzusetzen. Die verlangt Zeit und Geduld und selbstverständlich ist jede Nation daran interessiert, dann, wenn dieses Ziel erreicht ist, und dann, wenn die afghanischen Sicherheitskräfte auch in der Lage sind, selbst dafür zu sorgen – das ist ja das, was immer auch wiederholt worden ist -, dann natürlich auch die eigenen Soldaten zurückzuholen. Aber ich hielte es für wenig zielführend, dass wir jetzt sozusagen auf Tag und Stunde festlegen, wann der Abzug beginnt. Das ist etwas, was innerhalb der NATO gemeinsam entschieden werden muss. Die Ziele sind die gleichen, sie sind so beschlossen worden und dann müssen jetzt auch die Staaten dafür sorgen, dass in ihrem Verantwortungsbereich die afghanischen Sicherheitskräfte in der Lage sind, es selbst zu tun. Ich halte die Debatte über den Zeitpunkt für wenig zielführend. Viel wichtiger ist die Debatte über die Qualität dessen, was dann auch die afghanische Armee kann und können muss.

    Heckmann: Das Bundeskabinett berät heute über die Aussetzung der Wehrpflicht. Darüber und über einen möglichen Abzug aus Afghanistan haben wir gesprochen mit Elke Hoff. Sie ist verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. Frau Hoff, ich danke Ihnen.

    Hoff: Ja, gerne. Vielen Dank.