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Weltklimakonferenz
Mehr Klimaflüchtlinge als Vertriebene durch Krieg

Laut neuen Zahlen der Vereinten Nationen gibt es weit mehr Klima- als Kriegsflüchtlinge. Das UN-Flüchtlingshilfswerk fordert daher, dass der rechtliche Schutz dieser Menschen verbessert werden sollte. Die wirksamste Maßnahme gegen Flucht vor dem Klima bleibt aber weiterhin: Das vereinbarte 1,5-Grad-Klimaschutzziel einzuhalten.

Von Georg Ehring | 08.11.2017
    Zerstörungen nach dem Zyklon Winston, der im Februar auf der Insel Koro wütete. Die Insel ist Teil der Inselgruppe Fidschi
    Zerstörungen nach dem Zyklon Winston, der im Februar auf der Insel Koro wütete. Die Fidschi-Inseln im Pazifik sind akut vom Klimawandel bedroht (picture alliance / dpa / Joseph Hing)
    Rund 25 Millionen Menschen müssen jedes Jahr vor den Folgen des Klimawandels fliehen. Damit gibt es rund dreimal mehr Klimaflüchtlinge als Vertriebene durch Krieg und politische Verfolgung. Diese Zahlen hat ein Aktionsbündnis unter Leitung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR am Rande des Klimagipfels in Bonn herausgegeben. Camilla Minerva arbeitet für die Hilfsorganisation Oxfam in der Karibik und sie nennt Beispiele aus diesem Jahr:
    "Allein während dieser Hurrikan-Saison mussten in Kuba 1,7 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen, das sind 15 Prozent der Bevölkerung. In der Dominikanischen Republik waren es mehr als 50.000 Menschen. Und dann gibt es den Fall von Barbuda, wo jetzt zum ersten Mal seit 300 Jahren überhaupt niemand mehr wohnt."
    Die meisten Klimaflüchtlinge leben in armen Ländern. China steht in der Statistik des UNHCR an erster Stelle, danach kommen die Philippinen. Die Zahlen erfassten nur einen Teil der Betroffenen, nämlich die, die vor plötzlichen Ereignissen wie Überschwemmungen oder Wirbelstürmen fliehen. Wanderungsbewegungen aufgrund langsamer Entwicklungen wie der Austrocknung großer Regionen seien nicht enthalten, hier gebe es keine verlässlichen Erkenntnisse.
    Klimawandel äußert sich etwa in Dürre oder Viehtod
    Und oft wissen die Betroffenen gar nicht, dass hinter ihrer Not der menschengemacht Klimawandel steht. Marine Franck ist beim UN-Flüchtlingshilfswerk für das Thema zuständig:
    "Die Menschen fliehen nicht nur wegen des Klimawandels. Er ist einer von mehreren Auslösern. Sie fliehen, weil ihr Vieh gestorben ist und weil es eine Dürreperiode gibt. Meist bringen sie das nicht mit dem Klimawandel in Verbindung und deshalb ist es schwer, diesen Faktor eindeutig zu identifizieren."
    Verglichen mit politisch Verfolgten gibt es allerdings große Unterschiede: Weitaus die meisten Klimaflüchtlinge bleiben im eigenen Land, sie ziehen zum Beispiel in die Slums der Großstädte oder in Regionen, die nicht durch den Anstieg des Meeresspiegels bedroht sind. Der rechtliche Schutz müsse verbessert werden, allerdings nicht durch Gleichsetzung mit politisch Verfolgten, sagt Marine Franck:
    "In manchen Ländern gibt es zum Beispiel humanitäre Visa, die ausgestellt werden, um diese Menschen zu beschützen. Es gibt Vereinbarungen über vorübergehenden Schutz. Manche Staaten treffen in ihren Einwanderungsgesetzen auch Vorkehrungen, wie Menschen zu behandeln sind, die durch den Klimawandel vertrieben werden – es geht also darum, wie sie empfangen und geschützt werden können."
    Wirksamste Maßnahme wäre Vorsorge
    Doch die wirksamste Maßnahme gegen Flucht vor dem Klima ist die Vorsorge. Gerade in vielen Entwicklungsländern kämen wetter- und klimabedingte Katastrophen selten überraschend, sagt Nina Berkeland vom Norwegischen Flüchtlingsrat:
    "Wir müssen dafür sorgen, dass die Staaten sich auf solche Wanderungsbewegungen vorbereiten. Einmal durch Anpassung an den Klimawandel, aber auch durch Katastrophenvorsorge. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass Migration in Würde möglich ist."
    Die Zahl der Klimaflüchtlinge wird noch stark zunehmen, wenn die Temperaturen weiter steigen und der Anstieg des Meeresspiegels ganze Regionen unbewohnbar macht. In Bangladesch müssen schon heute viele Menschen von den Küsten weg ziehen weil Felder versalzen und für die Landwirtschaft unbrauchbar werden. Und diese Entwicklung könnten die Staaten nur durch eines bremsen, sagt Nina Berkeland:
    "Zuallererst müssen sie die Zusagen bei der Verringerung der Emissionen einhalten, die sie in Paris gemacht haben und die Erwärmung wirklich auf 1,5 Grad begrenzen."
    Für dieses Ziel macht sich beim Bonner Gipfel auch der Tagungsleiter Frank Bainimarama stark, er ist Staatschef der Fiji-Inseln. Bezogen auf die Bevölkerung steht die pazifische Inselgruppe weit oben bei der Zahl der Klimaflüchtlinge.