„Sein Geist ist sehr lebhaft, seine Antworten sind schlagfertig und treffend. Er erzählte uns, dass er Schiffe baue, er ließ uns die Schwielen an seinen Händen befühlen“, notierte die Kurfürstin Sophie von Hannover, als sie 1697 den russischen Zaren Peter I. bei dessen Durchreise nach Holland kennenlernte.
Der Zweimetermann, kräftig und von unbändiger Energie, wollte westliche Technologien studieren, die im rückständigen Zarenreich unbekannt waren. Eineinhalb Jahre blieb er fort. Seine ungeliebte erste Frau Jewdokija ließ er in Russland zurück. Doch: „Dieser Fürst hat ein gutes Herz und recht noble Gefühle, er ist einerseits sehr gütig und andererseits sehr böse, so wie es in seinem Land bestellt ist.“
Früh Massaker der Strelitzen mitangesehen
Geboren wurde Peter I. am 9. Juni 1672 im Moskauer Kreml. Er entstammte der zweiten Ehe des Zaren Alexej, der schon Söhne aus erster Ehe hatte. Nach dem Tod des Vaters kam es zum blutigen Machtkampf um die Thronfolge. Mit zehn Jahren zum Zaren gekrönt, wurde Peter Augenzeuge schrecklicher Massaker russischer Elitesoldaten – der Strelitzen - an Anhängern und Verwandten seiner Mutter. Die Familie der ersten Zarin erzwang damit eine jahrelange Doppelherrschaft Peters mit seinem kranken Halbbruder Iwan, die bis zu dessen Tod 1696 reichte.
Industriespionage in Holland
Intelligent und neugierig, interessierten Peter schon in jungen Jahren die handwerklichen Fertigkeiten und Lebensweisen der Holländer, Deutschen, Engländer und Schotten, die in Moskaus Ausländervorstadt wohnten. Peter lernte bei holländischen Meistern den Schiffsbau. Er zimmerte, tischlerte und schmiedete von früh bis spät – und zechte mit seinen neuen Freunden so manche Nacht hindurch. Seine Pläne waren ehrgeizig: er wollte eine russische Flotte aufbauen. Er schickte junge Adlige nach Westeuropa, damit sie Navigation und Schiffsbau lernten, und brach schließlich selbst mit einer „großen Gesandtschaft“ von 250 Mann nach Holland auf. Vier Monate lang arbeitete Peter als Zimmermann auf einer Werft in Amsterdam, besuchte Handwerksbetriebe und Hospitäler, sprach mit Ingenieuren, Baumeistern und Gelehrten und segelte schließlich weiter nach England.
Wieder in Moskau, begann Peter, sein Imperium nach westeuropäischem Vorbild zu modernisieren: er reformierte die Armee, die Verwaltung, die Wirtschaft. An der Mündung des Flusses Newa, in den Finnischen Meerbusen, ein riesiges Sumpfgebiet, ließ er 1703 eine Festung errichten, es war die Gründung der neuen russischen Hauptstadt Sankt Petersburg. Und stolz dachte er: „Von hier aus drohen wir dem Schweden / Hier werde eine Stadt am Meer / Zu Schutz und Trutz vor Feind und Fehden“
Das blutige Bauprojekt Sankt Petersburg
So zumindest dichtete später Russlands großer Poet Alexander Puschkin. Peter schonte weder Menschenleben noch Kosten für seine Stadt am Meer, die nicht nach ihm, sondern nach seinem Schutzheiligen Simon Petrus benannt war. Zehntausende Untertanen starben bei dem gigantischen Unternehmen. Peter war sich dessen bewusst: “Ich weiß, die Menschen lieben Sankt Petersburg nicht, anzünden werden sie die Stadt und die Flotte, sobald ich tot bin, aber solange ich lebe, halte ich sie hier fest, sie sollen spüren, ich bin Zar Peter Alexejewitsch.“
Während seiner 42-jährigen Herrschaft führte Peter im Süden des Reiches Krieg gegen Tataren und Türken, im Norden gegen Schweden, das als Militärmacht den Ostseeraum beherrschte. Nach 21 Jahren „Nordischem Krieg“ gewann Peter die Vorherrschaft an der Ostsee: Russland konnte sich als Führungsmacht in Europa etablieren. Bei den Siegesfeierlichkeiten baten ihn die höchsten Würdenträger des Landes, fortan den Titel zu führen: „Vater des Vaterlandes, Peter der Große, Herrscher über ganz Russland“.
Der Thronfolger, Peters Sohn Alexej indes, teilte die ehrgeizigen imperialen Ambitionen seines Vaters nicht. Peter ließ ihn wegen Rebellion zum Tode verurteilen. Alexej starb schon vor der Hinrichtung an der Folter.
Nach Peters Tod 1725 trat seine zweite Frau sein Erbe an. Sie war einst eine einfache Bauerntochter gewesen, hieß Marta Skowrońska und wurde die erste russische Zarin - Katharina I.