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1972 in Stockholm
Das vage Ende der ersten Weltumweltkonferenz

Zwar einigte sich die erste Umweltkonferenz der Vereinten Nationen am 16. Juni 1972 in Stockholm nur auf einen unverbindlichen Aktionsplan. Doch erstmals hatte man Entwicklung und Umwelt als globale Verantwortung begriffen.

Von Monika Köpcke |
Der Plenarsaal der Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen im Juni 1972 in Stockholm
Das Plenum der Weltumweltkonferenz in Stockholm 1972 (AFP)
„Als ich die Verantwortung für den Umweltschutz mit übernahm, konnte man nicht von einem Problembewusstsein sprechen.“ Erinnerte sich  Hans-Dietrich Genscher. Als  Innenminister der sozialliberalen Koalition war  er ab 1969 auch zuständig für Umweltfragen. Ein eigenes Umweltministerium gab es damals noch nicht.
„Und so, wie es in Deutschland aussah, sah es auch international aus. Und deshalb fand ich, dass diese Konferenz in Stockholm ein sehr kühnes Unternehmen war, weil zum ersten Mal nun die Staatengemeinschaft sich traf.“

Warum sich Schweden als Gastgeber anbot

Auch wenn damals noch niemand vom Klimawandel sprach, waren die Umweltprobleme der Industrieländer nicht mehr zu leugnen: Böden waren durch den unbegrenzten Einsatz von Insektiziden verseucht, die Abwasser der Chemieunternehmen machten aus den Flüssen giftige Kloaken, in den großen Städten gab es regelmäßig Smog, unzählige Fabrikschlote pusteten ihre zumeist ungefilterten Abgase in die Luft.

Vor allem die skandinavischen Wälder litten stark unter den Industrieabgasen, die aus Osteuropa heranzogen. Und so war es Schweden, das bei den Vereinten Nationen darauf drängte, eine internationale Umweltkonferenz zu initiieren, und sich zugleich als Gastgeber anbot.

Ein Treffen der "Treuhänder für alles Leben auf dieser Erde"

Ein Festakt in der Stockholmer Oper gab am 5. Juni 1972 den Auftakt für den ersten
UN-Umweltgipfel. 1.200 Delegierte aus 113 Staaten waren angereist, dazu Vertreter zahlreicher NGOs. Der kanadische UN-Funktionär Maurice Strong hielt die Eröffnungsrede und beschwor bereits damals, was wir heute unter den Begriff Nachhaltigkeit fassen.
Wir sind heute zusammengekommen, um unsere gemeinsame Verantwortung für die Umweltprobleme einer Erde zu bestätigen, deren Verwundbarkeit wir alle teilen. Diese Zusammenkunft dient nicht nur uns selber, sondern auch künftigen Generationen. Denn wir treffen uns als Treuhänder für alles Leben auf dieser Erde und für das Leben in der Zukunft.“

Die armen Länder pochten auf ein Recht zur Entwicklung

Darin waren sich alle einig - im Prinzip. Doch mit der Harmonie war es während der folgenden Tage bald vorbei: Die kommunistischen Länder, sofern sie überhaupt teilnahmen, sahen die Umweltverschmutzung in erster Linie als Problem des Kapitalismus. Und die armen Länder pochten auf ihr Recht auf Entwicklung, das sie sich von den reichen Industrieländern als Hauptverursacher der Umweltschäden nicht einschränken lassen wollten. So rief die indische Ministerpräsidentin Indira Gandhi  dazu auf, Umwelt und Entwicklung nicht länger getrennt zu betrachten.

„Das Leben ist eins, und wir haben nur diese eine Erde. Alles ist miteinander verknüpft: Bevölkerungsexplosion, Armut, Unwissenheit, Krankheit, Umweltverschmutzung, die Ansammlung von nuklearen, biologischen und chemischen Waffen. Ein Teufelskreis! Jedes Thema ist wichtig, aber es wäre vergebliche Mühe, jedes einzeln zu behandeln.

Nur unverbindliche Empfehlungen

Am 16. Juni 1972, nach zehn Tagen erbitterter Verhandlungen, endete die Stockholmer Konferenz. In einem letzten Kraftakt hatte man sich auf ein Abschlussdokument einigen können. Darin bekannten sich die Teilnehmerstaaten erstmals zur internationalen Zusammenarbeit in den Bereichen Umwelt und Entwicklung. Außerdem formulierte das Dokument einen Aktionsplan mit mehr als 100 Maßnahmen für eine nachhaltige Umweltpolitik - allerdings nur in Form unverbindlicher Empfehlungen.
Hans-Dietrich Genscher, 1972 für die Bundesrepublik dabei, sagte 20 Jahre später: „Wir wären wesentlich weiter heute, wenn die Absichten, die man damals in Stockholm geäußert hat, hätten verwirklicht werden können. Also, die Einsicht war da, die Absicht war da, aber das, was in der Politik oft unzulässigerweise als Sachzwang bezeichnet wird, hat dann den umweltpolitischen Elan doch sehr gelähmt. Und das ist sehr bedauerlich.“
Ein Erfolg von Stockholm bleibt aber: Zum ersten Mal wurden Entwicklung und Umwelt als globale Verantwortung gesehen. Und hinter diesen Ansatz ging man seither nicht mehr zurück. Aber natürlich kann jedes internationale Abkommen in seiner Veränderungskraft nur so stark sein, wie die an ihm beteiligten nationalen Regierungen auch tatsächlich bereit sind, es umzusetzen.