Freitag, 17. Mai 2024

Abtreibung und Geschlecht
Wo AfD und katholische Kirche sich einig sind

Die katholische Kirche hat sich von der AfD abgegrenzt und rät ihren Mitgliedern davon ab, die Rechtsextremen zu wählen. Doch bei Themen wie Abtreibung und Homosexualität vertritt die Kirche ähnliche Positionen wie die Partei.

30.04.2024
    Transparente mit der Aufschrift "Hass schadet der Seele" und "Hate harms the soul" am Eingang des Berliner Doms.
    Bereits zur Bundeswahl 2017 haben sich mehrere Berliner Kirchen gegen Rechtspopulismus positioniert. Dennoch finden sich Überschneidungen bei AfD und katholischer Kirche. (imago / epd / Rolf Zoellner)

    Inhalt

    Wie steht die römisch-katholische Kirche in Deutschland zur AfD?

    „Völkischer Nationalismus ist mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar“, heißt es in einer Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz vom Februar. „Rechtsextreme Parteien und solche, die am Rande dieser Ideologie wuchern, können für Christinnen und Christen daher kein Ort ihrer politischen Betätigung sein und sind auch nicht wählbar.“
    Damit haben sich die römisch-katholischen Bischöfe explizit von der AfD distanziert, die vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall und in drei Bundesländern als „erwiesen rechtsextremistisch“ gilt. Gleiches gilt für den Jugendverband "Junge Alternative".
    Bereits im Jahr 2019 hat sich die Deutsche Bischofskonferenz kritisch gegenüber Rechtspopulisten geäußert, jedoch noch ohne die AfD beim Namen zu nennen: "Jeglichem Versuch, das Christentum als Mittel der Ausgrenzung von Menschen anderer Herkunft zu missbrauchen oder es gar völkisch umzudeuten, muss sich die Kirche weiterhin widersetzen."
    Im April hat die Kirchengemeinde St. Marien Neunkirchen im Saarland den AfD-Politiker Christoph Schaufert aus dem Verwaltungsrat entlassen, weil seine Parteimitgliedschaft nicht mit dem Amt vereinbar sei.
    In Essen hat sich ein Bündnis aus Stadtverwaltung, Gewerkschaften und auch Kirchen zusammengeschlossen, um gegen den geplanten Bundesparteitag der AfD am 29. Juni 2024 zu protestieren.

    Wie steht die AfD zu den Kirchen?

    Im Jahr 2013 gründete sich die Alternative für Deutschland zwar im Gemeindesaal der Evangelischen Christuskirche in Oberursel, doch das Verhältnis der Partei zu den Amtskirchen blieb seitdem weitgehend distanziert. Von evangelischen, katholischen und ökumenischen Kirchentagen werden die Parteimitglieder als Gäste seit Jahren ausgeschlossen. Die AfD warf 2019 der Evangelischen Kirche vor, Religion und Glaube politisch zu missbrauchen.
    Eine einheitliche Linie hat die AfD zu den Amtskirchen nicht. Die Bundespartei hält sich mit kritischen Äußerungen weitgehend zurück. Im Grundsatzprogramm wird die „abendländische christliche Kultur“ betont, an einer Stelle ist sogar von den „jüdisch-christlichen und humanistischen Grundlagen unserer Kultur“ die Rede.
    Doch immer wieder gibt es aus den Reihen der AfD starke Kritik an der Kirche, etwa bei der Finanzierung. Zur Landtagswahl in Bayern 2023 forderte der Landesverband die Abschaffung der Kirchensteuer sowie die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen, Letzteres beantragte die AfD im Bundestag bereits im Jahr 2020: Bis Ende 2026 hätten nach ihrem Willen die Leistungen auslaufen sollen.

    AfD gegen Kirchenasyl

    Im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 forderte die AfD, die Kirchenasyl-Vereinbarung zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und Kirchen aufzuheben. „Es ist nicht hinnehmbar, dass die Kirchen unter Missbrauch des Kirchenasyls die Fristen für Abschiebungen in EU-Länder aushebeln.“
    Der AfD-Landeschef in Bayern, Stephan Protschka, nannte die Bischöfe nach ihrem Angriff auf die Partei "politische Marionetten der Altparteien". AfD-Europa-Spitzenkandidat Maximilian Krah nannte Papst Franziskus eine „absolute Katastrophe“. Dieser habe für ihn „in politischen und moralischen Fragen keinerlei Autorität“.

    Wie stehen Kirche und AfD zur Abtreibung?

    Die katholische Kirche positioniert sich traditionell gegen den Schwangerschaftsabbruch mit dem Argument, dass der Mensch nach Gottes Ebenbild geschaffen wurde und deswegen jedes menschliche Leben geschützt werden müsse, auch das von Embryonen. Zuletzt unterstrich der Vatikan mit einer Erklärung zur Menschenwürde („Dignitas infinita“) diese Position, die von der katholischen Kirche in Deutschland positiv aufgenommen wurde.
    Auch die AfD spricht von Lebensschutz, sie lehnt eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ab. Im Grundsatzprogramm heißt es dazu: „Die Alternative für Deutschland wendet sich gegen alle Versuche, Abtreibungen zu bagatellisieren, staatlicherseits zu fördern oder sie zu einem Menschenrecht zu erklären.“
    Der Publizist Andreas Püttmann weist aber auf die völlig unterschiedlichen Begründungen für beide Positionen hin. Für die AfD gelte der Lebensschutz immer nur für Deutsche ohne Migrationsgeschichte – statt universell für alle Menschen. So werde das Thema demografisch verzweckt, so Püttmann. „Biodeutsche Kinder“ würden anders behandelt als etwa Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund.
    Die AfD schreibt in ihrem Grundsatzprogramm, dass eine „aktivierende Familienpolitik“ für „eine höhere Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung“ sorgen soll: Anders gesagt: Frauen deutscher Herkunft sollen mehr Kinder bekommen und weniger abtreiben, dafür sollen weniger Menschen aus dem Ausland einwandern.

    Seite an Seite mit antidemokratischen Gruppen

    Diese national-demografische Verzweckung der Familie in der AfD-Position passe nicht zur katholischen Kirche, meint Püttmann. Aus Sicht der Kirche komme das Leben von Gott und da ist es laut Püttmann „völlig egal, ob der jetzt nun in einer Migrantenfamilie geboren wird oder in einer deutschen Familie“.
    Trotz dieser unterschiedlichen Begründungen marschierten Katholiken oder gar Bischöfe, wie Rudolf Voderholzer aus Regensburg, in der Vergangenheit immer wieder bei Anti-Abtreibungsdemos wie dem „Marsch für das Leben“ Seite an Seite mit antidemokratischen Gruppen.

    Wie stehen Kirche und AfD zu Homosexualität und Transsexualität?

    Ein zweites Thema, bei dem sich die Position von AfD und katholischer Kirche überschneidet: die Ablehnung von Homosexualität und der Ehe für alle. In den Wahlprogrammen der AfD findet sich zwar keine Hetze gegen Homosexuelle, es gibt aber immer wieder Stimmungsmache.
    Püttmann spricht von einer indirekten Art „indem man zum Beispiel die Thematisierung in der Schule einseitig als Indoktrination oder gar als Umerziehung der Kinder framet.“ Auch der EU-Kandidat der AfD, Maximilian Krah, fiel mit homofeindlichen Sprüchen auf.
    Die katholische Kirche hat zwar gerade die Segnung von Homosexuellen erlaubt, hält aber daran fest, dass Homosexualität eine Sünde ist. Die Ehe zwischen Mann und Frau hat nach wie vor den höchsten Stellenwert.
    In der Erklärung zur Menschenwürde vom April betonte der Vatikan noch einmal: Geschlechter außerhalb der Kategorien Mann und Frau würden nicht existieren, und geschlechtsangleichende Eingriffe bei Transmenschen werden kategorisch abgelehnt. Auch diese Position teilt der Vatikan mit der AfD, die immer wieder gegen Transpersonen hetzt.

    Wie äußert sich die katholische Kirche zu den Parallelen mit der AfD?

    Der Bischof von Trier, Stephan Ackermann, gibt zu, dass es in bestimmten Themen Überschneidungen zwischen der Kirche und der AfD zu geben scheine, betont aber, der Grundansatz sei grundsätzlich verschieden: „Der katholischen Kirche geht es vor allen Dingen und immer um die Würde des Menschen in allen Phasen des menschlichen Lebens.“
    Das gelte auch für die Solidarität mit Menschen, die besonders verletzlich seien wie Flüchtlinge und Menschen, die Verfolgung erleiden. Diese Würde sei unteilbar, „auch in den Rechten, die daraus entspringen“.

    Kritische Stimmen innerhalb der Kirche

    Zum Umgang mit queeren Personen räumt Ackermann ein: „Das muss man wirklich schmerzlich bekennen, dass die Kirche oft genug nicht der Diskriminierung von Menschen verschiedener geschlechtlicher Identitäten, gerade von Homosexuellen und Lesben, entgegengetreten ist, dass die Lehrverkündigung der Kirche das verstärkt hat.“ Es gebe aber bereits eine „größere Lernbewegung“. Ackermann selbst hat im Trierer Dom im April einen Queer-Gottesdienst abgehalten.
    In der Erklärung „Dignitas infinita“, die von LGBTQ-Verbänden als diskriminierend angesehen wird, sieht der Bischof eine Öffnung, da es darin heiße, „dass es Situationen geben kann, wo Menschen sich medizinischer Behandlung unterziehen“, so Ackermann.
    Allerdings ist an dieser Stelle lediglich von „genitalen Anomalien“ die Rede, die durch die Behandlung behoben werden können: „In diesem Fall würde die Operation keine Geschlechtsumwandlung in dem hier beabsichtigten Sinne darstellen“, heißt es in der Erklärung.

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