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30. Todestag des Komponisten
Atahualpa Yupanqui – "Patriarch der argentinischen Folklore-Musik“

Atahualpa Yupanqui – unter diesem Pseudonym erlangte Héctor Roberto Chavero Weltruhm. Der profunde Kenner indigener Kulturen wurde ein Doyen der argentinischen Folklore-Musik und feierte so auch in Europa große Erfolge. Am 23. Mai 1992 starb der Komponist und Kommunist während einer Tournee in Südfrankreich.

Von Victoria Eglau | 23.05.2022
Der argentinische Komponist und Sänger Atahualpa Yupanqui in Buenos Aires
Die sozialkritischen Texte von Atahualpa Yupanqui waren ein Novum für die argentinische Volksmusik (picture alliance / dpa)
"Quiero ser luz“: "Licht will ich sein.“ Der Name dieses Lieds von Atahualpa Yupanqui könnte auch eine Überschrift für sein Leben sein. In der argentinischen Provinz Buenos Aires, im Landkreis Pergamino, kam der Folklore-Musiker im Januar 1908 zur Welt als Sohn eines Bahnhofsvorstehers und einer Mutter mit baskischen Wurzeln. Die endlose Weite und die Einsamkeit der flachen Graslandschaft Pampa prägten die Kindheit des Jungen.
"Sein erster Lehrer war der Wind", erinnerte sich Héctor Roberto Chavero, so sein Geburtsname, viele Jahre später. Da war er unter dem Pseudonym Atahualpa Yupanqui längst weltberühmt geworden. Als Lehrer bezeichnete er auch die einfachen Menschen vom Land, in deren Mitte er aufwuchs:
"Da gab es weise alte Männer, die meist nicht lesen und schreiben konnten, aber die Kultur im Blut hatten. Es spielte immer jemand Gitarre, und auch wenn diese alt und abgenutzt war, klang die Musik für mich wie ein Choral von Bach, den ich natürlich erst viel später entdeckte."

Zwischen Bach-Choral und Pampa-Klängen

Beim örtlichen Priester begann der Junge, Geige zu lernen. Damit war es vorbei, als der Geistliche ihn dabei ertappte, wie er die volkstümliche Musik der Pampa spielte – also Melodien, die als minderwertig galten. Für das Geld, das sein Vater ihm einmal zum Einkaufen gab, erstand er heimlich eine Gitarre. Wenn er nicht gerade zum Familienunterhalt beitragen musste, lernte und übte der talentierte Jugendliche, bis er mit 19 Jahren sein erstes Lied komponierte: „Camino del Indio".
"Atahualpa Yupanqui war ein großer Gitarrist und Komponist wunderschöner Werke, und er erzielte auf diesem Instrument einen ganz besonderen Klang. Dieser zeigt sich im Vibrato, im Glissando, in den Pausen und vor allem im Gebrauch der Stille. Yupanqui ist so etwas wie ein Patriarch unserer traditionellen Folklore-Musik geworden", sagt der argentinische Gitarrist José Ceña.

"Der Kummer gehört uns, die Kühe den anderen"

Yupanqui war nicht nur Musiker, sondern in seiner Jugend auch Kommunist, weswegen er unter der Regierung von Präsident Juan Domingo Perón in den 1940er-Jahren verfolgt, verhaftet und sogar gefoltert wurde. Sein sozialkritisches Bewusstsein, das wohl auf die eigene einfache Herkunft zurückzuführen war, schlug sich auch in seinen Liedtexten nieder: Ein Novum in der traditionell konservativen argentinischen Volksmusik, so José Ceña:
"In dem Lied 'El Arriero' singt er: Der Kummer gehört uns und die Kühe gehören anderen. Auf poetische Weise beschreibt er damit eine soziale Realität."

In Europa ventiliert von der KP und Edith Piaf

1949 reiste Atahualpa Yupanqui erstmals nach Europa und gab eine Reihe von Konzerten in osteuropäischen Ländern. Im Anschluss vermittelte ihm die Kommunistische Partei ein paar Auftritte in Paris. Kurz bevor Yupanqui nach Argentinien zurückkehren wollte, lernte er Edith Piaf kennen. Beeindruckt von seiner Musik, organisierte sie ein Konzert mit dem Argentinier, dessen Kompositionen sie als „wunderbare Gaucho-Gesänge“ auf dem Plakat ankündigte. Es war der Beginn der internationalen Karriere des Künstlers, die ihn vor allem in Frankreich große Erfolge feiern ließ. Aber auch nach Deutschland führte, sagt José Ceña.
Der Name Atahualpa Yupanqui, so José Ceña, bedeutet: "Der von weitem kommt, um zu erzählen. Und genau das tat er, er war ein Botschafter unserer Volksweisheit und des kulturellen Erbes unserer Vorfahren.“
Atahualpa Yupanqui starb am 23. Mai 1992 während einer Konzertreise im südfranzösischen Nîmes mit 84 Jahren. Seine Musik aber wird dreißig Jahre später immer noch gespielt und gesungen – und von jüngeren Generationen immer wieder neu entdeckt.