
Es war ein beispielloser, historischer Fall: Ende April waren rund 55 Millionen Menschen auf der iberischen Halbinsel stundenlang von der Außenwelt abgeschnitten – ohne Strom, ohne Netz, ohne Verbindungen. „So etwas haben wir noch nie erlebt“, so formulierte es Ministerpräsident Pedro Sánchez.
Die Ursachen des totalen Stromausfalls – Blackout genannt – sind noch nicht vollständig geklärt. Laut dem spanischen Ministerpräsidenten fehlten an dem Tag innerhalb weniger Sekunden plötzlich rund 60 Prozent des Stroms im Netz – etwa 15 Gigawatt Stromerzeugung. Welche Anlagen zur Stromerzeugung ausfielen und weshalb, und wie sie damit das Netz destabilisierten, ist jedoch noch nicht bekannt.
Der Vorfall zeigt einmal mehr, wie wichtig Netzstabilität für eine zuverlässige Stromversorgung ist – gerade im Hinblick auf Erneuerbare Energien. Denn: Mal produzieren Sonne und Wind weniger, mal mehr Strom als gerade benötigt.
Solche Schwankungen ausgleichen und Netzstabilität garantieren – bei diesen Anforderungen kommen Batteriegroßspeicher ins Spiel. Sie sind notwendig, um Erneuerbare Energien effizienter zu nutzen. Das macht die Speicher auch zum Spekulationsobjekt.
- Weshalb werden Batteriegroßspeicher wichtiger?
- Was ist Netzstabilität und warum ist sie wichtig?
- Wie funktionieren Batteriegroßspeicher?
- Werden Batteriegroßspeicher bereits in Deutschland eingesetzt?
- Wie sicher sind Batteriegroßspeicher?
- Kann Deutschland bei Batteriegroßspeichern unabhängig werden?
- Welche Kritik gibt es an Batteriegroßspeichern?
Weshalb werden Batteriegroßspeicher wichtiger?
Netzbetreiber in Deutschland haben die staatlich verbriefte Aufgabe, alle Erzeuger, Verbraucher und Lasten im Stromnetz auszubalancieren, um Stromausfälle und –engpässe zu vermeiden.
Bei diesen Aufgaben sollen künftig Batteriegroßspeicher eine zentrale Rolle spielen. Der Aufbau einer Batteriegroßspeicher-Infrastruktur gilt sogar als entscheidende Voraussetzung für die Nutzung Erneuerbarer Energien und damit für die Energiewende.
Für die Netzbetreiber übernehmen Batteriegroßspeicher dabei eine wichtige Funktion: Sie sollen künftig Kohle- und Atomkraftwerke ersetzen. Nicht bei der Stromerzeugung, sondern um die Netzstabilität zu sichern.
Denn viele Großkraftwerke liefern neben Energie auch systemstabilisierende Eigenschaften, erklärt Hendrick Neumann, Chief Technical Officer beim Netzbetreiber Amprion mit Standort in Dortmund: „Wir werden diese Kraftwerke nicht außer Betrieb nehmen können, ohne dafür einen Ersatz zu haben. Kurz: Kohleausstieg wird nicht gelingen, wenn diese stabilisierenden Eigenschaften nicht durch andere Anlagen bereitgestellt werden können" – beispielsweise Batteriegroßspeicher-Anlagen.
Was ist Netzstabilität und warum ist sie wichtig?
Blackouts wie in Spanien können entstehen, wenn das Stromnetz instabil wird. Wie kommt es dazu?
Haushaltsüblicher Wechselstrom hat in Deutschland (und Europa) eine Frequenz von 50 Hertz (Hz). Sind im Stromnetz die Stromerzeugung und die Nachfrage genau im Gleichgewicht, wird diese Frequenz von 50 Hertz gehalten. Gibt es jedoch mehr Verbraucher im Netz als Erzeuger, sinkt die Frequenz. Es droht ein Blackout. Umgekehrt: Wenn zu viel Energie eingespeist wird, steigt die Frequenz – und angeschlossene, technische Geräte können beschädigt werden.
In beiden Fällen muss Energie rasch aus dem Netz genommen oder nachgeschoben werden – je nachdem, wie schnell das geschieht, spricht man von Momentanreserve oder Regelenergie. Bislang haben meist Generatoren in Großkraftwerken diese ausgleichenden und damit stabilisierenden Funktionen übernommen.
Wie funktionieren Batteriegroßspeicher?
Batteriegroßspeicher können große Strommengen aus Erneuerbaren Energien zwischenspeichern und bei Bedarf ins Stromnetz einspeisen. Denn Wind- und Solarkraft-Anlagen lassen sich aufgrund von Wetterlagen nicht immer steuern. Ihre Stromerzeugung ist schwankend und nicht immer synchron mit dem Verbrauch. Batteriegroßspeicher können gespeicherte Energie dann wieder einspeisen, wenn der Bedarf hoch ist oder erneuerbare Quellen weniger Energie liefern. Sie sind dauerverfügbar und reagieren rasch auf Schwankungen.
Die Primärregelleistung in Deutschland werde derzeit bereits hauptsächlich über Batteriespeicher bereitgestellt, so Neumann. Für die Zukunft müssten jedoch auch Systemeigenschaften wie die Momentanreserve oder auch die Blindleistung durch Batteriespeicher bereitgestellt werden können.
Blindleistung – das ist die Energie, die man benötigt, damit lange Überlandleitungen überhaupt Energie übertragen können. Blindleistung lässt sich nicht direkt nutzen, ist aber wesentlich dafür, dass das Wechselstromnetz funktioniert.
Gerät mit wichtiger Funktion: der Stromrichter
In Großkraftwerken sorgen riesige Generatoren dafür, Spannung oder Blindleistung auf- oder abzubauen – selbst wenn es einen Blackout in der Nähe gibt. Diese Generatoren stabilisieren und bilden das Netz. Batteriegroßspeicher brauchen für diese wichtigen Nebenleistungen jedoch ein zentrales Bauteil: einen smarten Stromrichter.
Den allerdings gibt es noch nicht. Doch die Forschung arbeitet bereits daran. Neumann zufolge sei es demnach bereits gelungen zu zeigen, dass Umrichter in der Größenordnung im 100-MW-Bereich in der Lage seien, diese netzbildenden Eigenschaften bereitzustellen.
Werden Batteriegroßspeicher bereits in Deutschland eingesetzt?
Bei Investoren gibt es ein großes Interesse an neuen Batteriegroßspeichern. Nach Angaben der Bundesnetzagentur gibt es in Deutschland derzeit über tausend Projektanfragen für diese Anlagen.
Das liegt auch daran, dass die Kosten für Batteriespeicher deutlich zurückgegangen sind: unter 100 Euro die Kilowattstunde Speicherkapazität.
Ein weiterer Grund: Das Energiesystem werde aufgrund der Erneuerbaren Energien künftig deutlich schwankender werden, erklärt Neumann. Beispielsweise in Dunkelflauten oder Hellbrisen, wo entweder zu wenig Strom oder zu viel Strom verfügbar sei.
Genau an diesem Punkt könnten Batteriegroßspeicher gewinnbringend eingesetzt werden. Denn: Wenn das Stromangebot die Nachfrage übersteigt, entstehen sogenannte „negative Strompreise“, so Neumann.
Wer bei Negativpreisen Strom an der Strombörse kauft, wird dafür bezahlt, anstatt bezahlen zu müssen. Batteriespeicherbetreiber verdienen also, wenn sie überschüssigen Strom einspeichern – und ein weiteres Mal, wenn dann bei Nachfrage zu einem hohen Preis Strom wieder abgeben.
Wer bei Negativpreisen Strom an der Strombörse kauft, wird dafür bezahlt, anstatt bezahlen zu müssen. Batteriespeicherbetreiber verdienen also, wenn sie überschüssigen Strom einspeichern – und ein weiteres Mal, wenn dann bei Nachfrage zu einem hohen Preis Strom wieder abgeben.

Das Unternehmen Iqony ist beispielsweise Vorreiter bei Batteriegroßspeichern in Deutschland. Auf zehntausend Quadratmetern will das Unternehmen bis 2026 300 sogenannte Cubes aufstellen – Würfel, die etwas kleiner als ein Frachtcontainer sind. Zusammen können sie 50 Megawatt mit einer Speicherkapazität von vier Stunden liefern. Also insgesamt 200 Megawattstunden.
Die Energiespitze eines sonnigen Nachmittags werde sich so einspeichern lassen, erklärt Christian Karalis, Verantwortlicher für Batteriesysteme bei Iqony – und in die unterversorgten Abend- oder Morgenstunden schieben.
Auch Kunden gibt es bereits: So hat sich die Deutsche Bahn 70 Prozent der Batterien reserviert. Damit könnte sie ihre ICE-Flotte gut 9.000 Kilometer durch Deutschland schicken.
Wie sicher sind Batteriegroßspeicher?
Bislang kommen Großspeicherbatterien hauptsächlich aus China. Das Land produziert die Batterien effizient und günstig. Bei der Sicherheit müssen deutsche Unternehmen auf chinesische Produzenten vertrauen. Überprüfen kann man die Batterien nämlich nicht: Ihre Funktionsfähigkeit ist zerstört, sobald man sie öffnet. Nur während der Produktion lässt sich eine Batterie beispielsweise auf Feuerfestigkeit überprüfen. Doch die erfolgt meist nicht in Deutschland oder Europa.
Wie wichtig die Frage nach der Sicherheit ist, zeigt der Großbrand in einer der größten Batteriespeicheranlagen der Welt in Moss Landing im Januar 2025: Die Anlage des texanischen Unternehmens Vistra Energy mit Zehntausenden Lithium-Batterien war in Brand geraten. Die Feuerwehr im US-Staat Kalifornien musste den Großbrand ausbrennen lassen. Dieses Vorgehen ist in solchen Fällen üblich, weil Lithium-Batterien sehr heiß brennen und kaum zu löschen sind. Darüber hinaus setzen die Batterien dann giftige Gase frei.
Es sei durchaus möglich Lithium-Batterien mit vielen Sicherheitsstandards auszustatten, erklärt Heiner Heimes, Professor am RWTH-Aachen Institut für Production Engineering of E-Mobility Components. Das verteuere die Batterien aber. Bei sehr günstigen Batterien sei es dagegen durchaus möglich, dass sie viel schneller in Brand geraten. Auf dem asiatischen Markt würden zwar hochqualitative Batterien gefertigt, jedoch auch viele sehr günstige Batterien.
Statistisch relevante Daten, wie häufig Großbatterien in Brand geraten, gibt es noch nicht. Die Anlagen von Iqony beispielsweise würden durchgehend im Hinblick auf Temperatur oder Rauchentwicklung überwacht, so das Unternehmen.
Kann Deutschland bei Batteriegroßspeichern unabhängig werden?
Der Rückstand Deutschlands und Europas in der Batterietechnik gegenüber chinesischen Herstellern ist gewaltig. Wie groß die Abhängigkeit von China ist, zeigt eine Studie der Universitäten Münster und Aachen: Demnach werden sowohl die Prozessketten zur Herstellung der Batterien als auch die Raffinierung entscheidender Batterierohstoffe wie Lithium, Nickel, Kobalt und Mangan jeweils zu 60 bis 75 Prozent von chinesischen Firmen kontrolliert.
Diese oft billigen Batterien treiben – neben den Preisschwankungen am Strommarkt – den Boom der Batteriegroßspeicher auch hierzulande an. Deutschland ist dabei jedoch noch von Asien abhängig.
Welche Kritik gibt es an Batteriegroßspeichern?
In der Kritik stehen die Lithium-Ionen-Batterien wegen der oft schlechten Abbaubedingungen ihrer Grundstoffe für Mensch und Natur in afrikanischen und südamerikanischen Ländern.
Schwefel, Aluminium oder Nanokarbonstrukturen könnten diese ersetzen. Noch sind diese Alternativen jedoch nicht industriereif. Anders steht es um Natrium-Ionen-Batterien. Diese sind schon jetzt nutzbar. Und Natrium ist im Gegensatz zu Lithium einfacher und günstiger verfügbar.
Doch egal ob für Natrium- oder Lithium-Ionen-Batterien – es bräuchte dafür erst einmal eine kompetitive Fabrik in großem Maßstab. Eine solche gibt es in Deutschland derzeit nicht.
csh