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Bundeshaushalt 2021 mit Neuverschuldung
"Schuldenbremse weiter Bestandteil des Grundgesetzes"

Der Bundeshaushalt 2021 sieht neue Schulden in Milliardenhöhe vor. Ziel der Union sei es nun, die Schuldenbremse ab 2022 wieder einzuhalten, sagte der haushaltspolitische Fraktionssprecher Eckhardt Rehberg (CDU). Eine schwarze Null werde man bis 2025 aber wohl nicht mehr erreichen.

Eckhardt Rehberg im Gespräch mit Christoph Heinemann |
Eckhardt Rehberg (CDU) während einer Plenarsitzung des deutschen Bundestags am 25.03.2020am Rednerpult
"Alles, was wir mit Außerkraftsetzung der Schuldenregel aufnehmen, muss zwingend getilgt werden nach dem Grundgesetz", so Eckhardt Rehberg (CDU) (imago images / Christian Spicker)
Das Bundeskabinett verabschiedet am Mittwoch (23.09.2020) die Eckpunkte des Bundeshaushaltes für das kommende Jahr. 2021 wird Deutschland aufgrund der Corona-Pandemie voraussichtlich neue Schulden in Milliardenhöhe aufnehmen.
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In den nächsten Jahren werde es darauf ankommmen, die reguläre Schuldenbremse wieder einzuhalten, sagte Eckhardt Rehberg (CDU), Obmann der Unions-Bundestagsfraktion im Haushaltsausschuss des Bundestages. Das Thema Schulden sieht er neben Steuererhöhungen als wesentlichen Bestandteil im Bundestagswahlkampf im kommenden Jahr. Die Union werde deutlich machen müssen, "dass die Schuldenbremse weiter Bestandteil des Grundgesetzes ist".

Christoph Heinemann: Herr Rehberg, ist die schwarze Null Geschichte?
Eckhardt Rehberg: Ich hoffe nicht, dass sie Geschichte wird. Jetzt wird es in den nächsten Jahren – und das hat Herr Geers ja im Bericht deutlich gemacht – erst mal darauf ankommen, die reguläre Schuldenbremse wieder einzuhalten, und wir können eigentlich dankbar sein, dass wir als Union im letzten Jahrzehnt so darauf gedrungen haben, dass wir die schwarze Null erreichen - da sind wir ja auch mächtig kritisiert worden – und dass die Schuldenbremse im Grundgesetz stehen bleibt, denn Linke, Grüne und Teile der SPD haben ja schon eine Debatte geführt, die Schuldenbremse aus dem Grundgesetz herauszunehmen.
"Schuldenbremse muss ich nicht einführen, ich muss sie einhalten"
Heinemann: Ab wann wollen Sie die Schuldenbremse wieder einführen?
Rehberg: Die Schuldenbremse muss ich nicht einführen, ich muss sie einhalten: nicht den Artikel 115 Grundgesetz, die Außerkraftsetzung der Schuldenregel, in Anspruch nehmen. Unser festes Ziel als Union ist es, ab 2022 das zu erreichen.
Einmal halte ich das für gesellschaftspolitisch geboten – Stichwort Generationengerechtigkeit -, denn alles, was wir mit Außerkraftsetzung der Schuldenregel aufnehmen - das sind dann mit dem Haushalt 2021 gut 200 Milliarden -, muss zwingend getilgt werden nach dem Grundgesetz.
Das zweite ist auch: Man kann, glaube ich, nicht immer wieder auf das Thema Corona-Pandemie zurückgreifen mit der Begründung Aussetzung der Schuldenregel. Das halte ich dann auch irgendwann für streitanfällig beim Bundesverfassungsgericht.
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Heinemann: Herr Rehberg, Theo Geers hat das eben erklärt: Wenn Sie alle Mittel einrechnen, die Asylreserve, den Verschuldungsspielraum der Schuldenbremse, die globalen Minderausgaben – das sind Mittel, die nicht aus dem Bundeshaushalt abfließen -, fehlen für die Jahre 2022 bis 2024 mindestens 43 Milliarden Euro. Wie wollen Sie diese Lücke decken?
Rehberg: Ich persönlich gehe davon aus, wir haben – ich nenne das mal etwas despektierlich – an manchen Tagen im Bundeshaushalt sehr viel Geld ins Schaufenster gestellt, zum Beispiel im Bereich Klimafonds diesen sehr, sehr gut befüllt und auch andere Teilbereiche.
Einmal wird es darauf ankommen, keine Mehrausgaben vorzunehmen (darauf gehe ich nachher noch mal im Detail ein), und zum zweiten wird es darauf ankommen, Maß zu halten. Zum dritten rechne ich damit, dass wir auch erhebliche Reste aus dem Haushalt 2020 haben werden und die allgemeine Rücklage in Höhe von 48 Milliarden ansteigen wird. Wir haben darüber hinaus noch Reste im Bundeshaushalt von gut 22 Milliarden. Das sind verschiedene Kategorien, aber im Zuge der Haushaltsberatungen werden gerade wir als Union sehr scharf darauf gucken, dass diese Reste auch abgebaut werden.
"Ich rechne mit 20, 25 Milliarden an Resten im Haushalt 2020"
Heinemann: Ganz kurz zu den Resten. Die "FAZ" berichtet heute, das Bundesverkehrsministerium habe zirka 3,8 Milliarden Euro an Investitionsmitteln nicht abgerufen. Hoffen Sie, dass alle Ministerien so schlecht investieren wie das CSU-geführte Verkehrsministerium?
Rehberg: Ich habe auch andere Reste im Kopf. Zum Verkehrsministerium muss man sagen, diese Investitionsmittel stehen überjährig zur Verfügung. Die verfallen nicht. Aber es gibt andere Häuser, die gleich große Reste haben. Wie gesagt, das werden wir uns sehr, sehr genau angucken.
Deswegen sehe ich durchaus Reserven im parlamentarischen Verfahren, einmal nicht mehr Geld ausgeben zu müssen, denn es kommen immer noch bestimmte Dinge bis zum Jahresende dazu, so dass dann auch beim Kassensturz im Januar/Februar die Rücklage noch eine Größenordnung annimmt. Ich rechne persönlich mit 20, 25 Milliarden, die an Resten insgesamt im Haushalt 2020 übrig bleiben.
Heinemann: Was spräche gegen eine Verschiebung zum Beispiel der Grundrente?
Rehberg: Die Grundrente ist ja nur ein Teil des Problems mit 1,4 Milliarden. Wir haben ja insgesamt, wenn man den Bericht des Bundesrechnungshofes liest, einen massiven Aufwuchs im Bereich der Rentenversicherung. Ich glaube, diese Debatte sollten wir nicht führen. Wir sollten auch keine Debatte führen, den Soli zu verschieben. Dazu kommt noch, das ist in der Steuerschätzung noch nicht drin, weil es noch keine Rechtskraft hat, Entlastungen im Bereich Kindergeld, Rechtsverschiebung Kalte Progression.
Ich glaube, das was wir an Entlastung im steuerlichen Bereich sowohl Familien, aber auch bei personengeführten Unternehmen haben, das sollten wir beibehalten, weil das würde dann einem konjunkturellen Aufschwung entgegenwirken.
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"Verschiedene Maßnahmen des Jahres 2020 kritisch betrachten"
Heinemann: Dann schauen wir auf die Einnahmeseite. Der Seeheimer Kreis der SPD hat jetzt vorgeschlagen, den Steuersatz ab einem Einkommen von 125.000 Euro auf 45 Prozent anzuheben. Der sogenannte Reichensteuersatz solle von 45 Prozent für Einkommen oberhalb von 250.000 Euro dann auf 49 Prozent steigen. Das waren jetzt viele Zahlen, gebe ich zu. Wäre das eine Möglichkeit, um die Einnahmenseite wenigstens zu verbessern?
Rehberg: Ganz klar nein! Ich habe jetzt die Größenordnung nicht genau dabei, aber es ist ein unterer einstelliger Milliarden-Bereich. Das löst kein Problem und belastet – und das vergessen Sozialdemokraten immer – nicht die sogenannten Reichen, sondern es belastet insbesondere die Personenunternehmen in Deutschland, und das ist die überwiegende Mehrzahl der mittelständischen Unternehmen. Auch das würde kontraproduktiv wirken, um aus der Krise herauszukommen.
Heinemann: Wobei es auch viel Geld gibt, das nicht in Personengesellschaften gebunden ist.
Rehberg: Wir haben schon eine sehr, sehr hohe Steuerquote. Deutschland liegt im OECD-Raum mit an der Spitze. Ich kann nicht nur die Steuern nehmen, ich muss die Abgabenquote mit dazu nehmen, und da liegen wir ganz, ganz weit oben. Deswegen, glaube ich, wäre es verkehrt, die Abgabenschraube anzuziehen beziehungsweise die Steuerschraube.
Heinemann: Ziemlich teuer ist auch die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes bis Ende 2021. Das ist wesentlich länger als in vergleichbaren EU-Partnerländern. Wäre da ein weniger mehr gewesen?
Rehberg: Jetzt kann ich verschiedene Maßnahmen des Jahres 2020 kritisch betrachten, auch das Thema, war es sinnvoll, die Mehrwertsteuer um drei Prozent abzusenken, die ein Haushaltsloch von 20 Milliarden gerissen hat. Ich habe zum Beispiel bei mir in Mecklenburg-Vorpommern eine schwierige Situation im Schiffbau in ganz Norddeutschland. Da ist es durchaus sinnvoll, dass das Kurzarbeitergeld verlängert worden ist. Ich habe sicher andere Branchen, wo ich dann sowieso 100 Prozent schon habe – ich denke an Volkswagen. Vielleicht war dort die Anhebung nicht so sinnvoll. Das ist jetzt mal entschieden. Unterm Strich, glaube ich, ist es richtig gewesen, dass die Menschen nicht in Arbeitslosigkeit gehen, sondern bei den Unternehmen bleiben.
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Schulden werden "wesentlicher Bestandteil des Bundestagswahlkampfes"
Heinemann: Herr Rehberg, Sie haben jetzt erklärt, was alles nicht geht. Muss dann die Union den Bürgerinnen und Bürgern vor dem Wahljahr ganz klar sagen, die Errungenschaft unserer Haushaltspolitik, nämlich die schwarze Null, wird es in der kommenden Legislaturperiode nicht mehr geben?
Rehberg: Ich glaube, die Debatte wird im Bundestagswahlkampf eine andere sein. Wir werden deutlich machen müssen, dass die Schuldenbremse weiter Bestandteil des Grundgesetzes ist und dass man sich langsam wieder in Richtung keine Kredite im Bundeshaushalt herausarbeiten muss. Da gehören auch andere Dinge dazu: Wie kriegen wir eine zweite Welle? Wann kommt ein Impfstoff und so weiter und so fort?
Ich glaube schon, dass Schulden, Schulden machen, Steuererhöhungen ein wesentlicher Bestandteil des Bundestagswahlkampfes sein werden. Aber ich glaube, wer sagt, er bekommt in der kommenden Legislaturperiode, also bis zum Jahr 2025 wieder eine schwarze Null zustande, das würde ich für politisch verwegen halten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.