Freitag, 19. April 2024

Legalisierung von Cannabis
Was die Freigabe von Haschisch für den Sport bedeutet

Bei Sportlerinnen und Sportler ist Haschisch beliebt, doch es steht als verbotene Substanz auf der Dopingliste. Was würde sich durch die Freigabe von Cannabis für den Sport verändern?

Von Raphael Späth | 22.03.2024
Demonstranten nehmen 2020 in Kiew an einer Aktion für die Legalisierung von Cannabis teil
Cannabis, Marihuana, Haschisch und synthetisches Tetrahydrocannabinol (THC) stehen auf der Dopingliste der Welt-Anti-Doping-Agentur. (dpa / picture alliance / NurPhoto / STR)
„Wenn wir uns anschauen wollen, wie sich Cannabis-Legalisierung auf den Sport auswirkt, dann müssen wir nur in Länder schauen, wo das bereits der Fall ist.“
Patrick Diel von der Deutschen Sporthochschule in Köln forscht schon lange über die Wirkung von Cannabis im Sport. In Deutschland wird dieses Thema noch nicht groß debattiert – anders als in anderen Teilen der Welt, wie beispielsweise in den USA. Dort ist der Kauf und Konsum von Cannabis in einigen Bundesstaaten schon legal.
„Und da ist es ganz klar, dass jeder Athlet sich von der Konsumentenseite her legal dort in einem ganz offiziellem Laden Cannabis kaufen und das Produkt seiner Wahl konsumieren kann. Aber wenn er am nächsten Tag damit in den Wettkampf geht, dann hat er einen THC-Gehalt im Blut. Und damit verstößt er gegen die Doping-Regularien und wird dementsprechend sanktioniert.“

Cannabis steht auf der Dopingliste

Cannabis steht auch heute noch auf der Dopingliste der Welt-Anti-Doping-Agentur. Wie bei vielen Substanzen wird aber auch hier differenziert: Die Cannabispflanze enthält viele unterschiedliche Wirkstoffe. Die bekanntesten und auch für den Sport entscheidenden sind Tetrahydrocannabinol, kurz THC, und Cannabidiol, kurz CBD.
Der Unterschied: THC wirkt psychoaktiv, verursacht quasi einen Rauschzustand, im Gegensatz zu CBD, dem vor allem medizinische Eigenschaften wie Schmerzlinderung zugesprochen werden. Deshalb steht THC explizit auf der Dopingliste der Welt-Anti-Doping-Agentur. Wer einen gewissen Wert im Blut überschreitet, wird gesperrt.

Viele Sportlerinnen konsumieren Cannabis

Das Kuriose: Cannabidiol, also CBD, ist von diesen Regularien explizit ausgenommen. Aus sportrechtlicher Sicht dürften Athletinnen und Athleten also mit CBD im Blut am Wettkampf teilnehmen.
„Das ist für uns momentan ein großes Problem, weil eine ganze Reihe von Athleten damit kokettieren oder es sogar tun, Cannabidiol zu nehmen. Denn die Frage ist, ob das leistungssteigernd ist oder nicht. Wenn sie das aber in Deutschland tun, dann verstoßen sie damit definitiv gegen das geltende Gesetz, weil CBD zumindest im Moment eindeutig verboten ist im Vertrieb.“
Vor allem in den USA greifen aber schon viele Sportlerinnen und Sportler auf Cannabis zurück. Nicht etwa als leistungssteigerndes Mittel, sondern vor allem in Regenerationsphasen, als Schmerzmittel, erklärt Johannes Herber vom Verein Athleten Deutschland.
Nahaufnahme von Ex-Basketballer Johannes Herber 2014.
Johannes Herber, Geschäftsführer vom Verein Athleten Deutschland. (picture alliance / Robert Schlesinger)
„Weil gerade American Football in der NFL und auch Eishockey sehr intensive Kontaktsportarten sind, in denen Athletinnen und Athleten mit chronischen Schmerzen zu tun haben. Und einige haben festgestellt, dass sie mit Cannabis da eine bessere Linderung erzielen können als mit konventionellen Schmerzmitteln.“
Die große Frage: Wie wirksam ist Cannabis tatsächlich, wenn es um Schmerzlinderung und Regeneration geht?
„Wenn Sie sich die wissenschaftliche Lage anschauen, wie sie momentan herrscht, dann werden Sie feststellen, dass es momentan wenig Gehaltvolles gibt. Außer anekdotischen Berichten oder den Werbungen der entsprechenden Personenkreise, die Cannabidiol als proregenerativ anpreisen“, sagt Sportwissenschaftler Patrick Diel.

Cannabidiol verbessert die Regeneration

Er hat gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern schon viele Studien über den Einfluss von Cannabidiol, also CBD, auf die Regenerationsphasen im Sport durchgeführt, mit sehr viel geringeren Dosen als denen, die momentan beworben werden.
Dabei haben die Wissenschaftler festgestellt, „dass es eine Tendenz gibt, dass Cannabidiol zu einer besseren Regeneration führt, von der, und das ist momentan unsere Schlussfolgerung, eigentlich nur die Athleten profitieren, die auf einem sehr hohen Leistungsniveau sind. Es ist also im Vergleich zu anderen Substanzen, zumindest in der Dosierung, wie wir sie verwendet haben, relativ schwach, was die Regenerationsförderung angeht.“
Das große Problem: „Wenn jetzt Athleten ein Nahrungsergänzungsmittel nehmen, dass cannabidiolhaltig ist, dann ist die Qualität der entscheidende Punkt. Also wenn Sie sagen: Okay, wir haben jetzt ein Produkt und das ist jetzt nicht überprüft, und der Gehalt an anderen Cannabinoiden übersteigt den Grenzwert, dann ist dieser Athlet auch positiv.“

Verunreinigte Produkte als Risiko

Patrick Diel von der Sporthochschule rät deshalb dringend allen Athletinnen und Athleten vom Konsum von CBD ab.
„Sie können bei einem Produkt, das Sie im Internet kaufen, unmöglich die Reinheit erkennen. Das können Sie nur, wenn sie eine Analytik durchführen. Und wir wissen, auch da ist es wieder so: Es gibt Studien, die solche Produkte vom Schwarzmarkt gekauft haben, und da sehen Sie, dass die meisten Produkte nicht rein sind. Und wenn jetzt ein Athlet so ein Produkt nimmt und dann mit einer hohen THC-Konzentration reingeht, dann müsste er die entsprechenden Konsequenzen tragen.“
Johannes Herber vom Verein Athleten Deutschland war als Basketballer selbst mehrere Jahre am College in den USA aktiv. Dort wird die Diskussion rund um Cannabis anders geführt als in Deutschland. Auch er sieht die Vorteile von Cannabis als schmerzlinderndes Mittel. Auch der Sportausschuss des Bundestages hat sich bereits ausführlich mit Schmerzmittelmissbrauch im Sport beschäftigt.
„Da muss man glaube ich schon schauen, ob es sinnvoll ist, dass Athleten sich mit Ibuprofen und Diclofenac vollpumpen und auch damit ja große, gefährliche Nebenwirkungen einhergehen können. Oder ob man sich so etwas wie Marihuana anschaut, was ein pflanzliches Medikament ist, und eben auch Linderung verschafft.“

Vorsicht vor der Freigabe von Cannabis im Sport

Trotzdem: Johannes Herber glaubt: Auch wenn Cannabis in Deutschland legalisiert wird – das Konsumverhalten im Sport wird sich dadurch wohl nicht verändern. Dafür müsste auch die Welt-Anti-Doping-Agentur Anpassungen im Regelwerk vornehmen.
Bei der Frage, ob Cannabis im Sport erlaubt werden sollte, geht es allerdings nicht um eine leistungssteigernde Wirkung. Sondern eher um die Enthemmung, die höhere Risikobereitschaft, die durch die Einnahme von Cannabis mit THC-Gehalt vor dem Wettkampf entsteht – und dementsprechend auch um die Erhöhung der Verletzungsgefahr.
„Es ist also eher eine Schutzmaßnahme für die Athleten“, sagt Sportwissenschaftler Patrick Diel. „Und dementsprechend glaube ich nicht, dass, wenn jetzt irgendwo Cannabis legalisiert wird, man den Athleten diese psychogene Komponente des Cannabis, das THC, erlauben wird. Das wäre auch kontraproduktiv.“