Montag, 06. Mai 2024

Klimaschutz
Was höhere CO2-Preise bewirken können

Der Preis für den Ausstoß einer Tonne CO2 ist zum Jahreswechsel von 30 auf 45 Euro gestiegen. Das spült Geld in den Bundeshaushalt, belastet aber die Verbraucher und Unternehmen. Aber wie effektiv ist der Emissionshandel überhaupt?

18.01.2024
    Blick auf rauchende Hochöfen
    Energieintensive Unternehmen müssen einen CO2-Preis zahlen. So soll ein finanzieller Anreiz geschaffen werden, in Klimaschutzmaßnahmen zu investieren. (picture alliance / Robin Utrecht)
    Mit seinem Urteil Mitte November 2023 hatte das Bundesverfassungsgericht die Planungen der Bundesregierung in Sachen Klimapolitik gehörig durcheinandergewirbelt: 60 Milliarden Euro, die für den Klimatransformationsfonds eingeplant waren, dürfen nicht dafür verwendet werden. Fehlendes Geld soll nun auch durch die Erhöhung des CO2-Preises ausgeglichen werden: Zum Jahreswechsel ist er um 50 Prozent gestiegen - auf 45 Euro pro Tonne.
    Tanken und Heizen werden damit teurer, ohne dass es dafür bislang einen finanziellen Ausgleich in Form eines Klimageldes gibt. Wie funktioniert der CO2-Preis und wie effektiv ist dieses Instrument in Sachen Klimaschutz?

    Inhalt

    Warum gibt es einen CO2-Preis?

    Deutschland will bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden, die Europäische Union bis 2050. Ein politisches Instrument, um das zu erreichen, ist die CO2-Bepreisung. Es gibt sie auf europäischer Ebene und auch auf nationaler Ebene in Deutschland.
    Der Mechanismus: Wer für den Ausstoß – die Emission – des Klimagases Kohlenstoffdioxid (CO2) verantwortlich ist, zahlt dafür. Um Kohlendioxid in die Atmosphäre bringen zu dürfen, müssen Zertifikate für diese Emission – auch Verschmutzungsrechte genannt – erworben werden. Die können dann gehandelt werden. Das soll dazu motivieren, den CO2-Ausstoß zu verringern.

    Wer muss den CO2-Preis bezahlen?

    Den CO2-Preis müssen Unternehmen zahlen – sowohl beim europäischen CO2-Preissystem als auch auf deutscher Ebene. Das System in Deutschland zielt allerdings direkter darauf ab, dass die Mehrkosten an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben werden - um eine Motivation zu liefern, CO2 einzusparen.
    Das Emissionshandelssystem auf EU-Ebene (EU Emissions Trading System – ETS) wurde 2005 eingeführt. Seitdem müssen energieintensive Industrieunternehmen und die Energiewirtschaft in Europa einen CO2-Preis bezahlen. Seit einiger Zeit ist auch der innereuropäische Flugverkehr dabei.
    In Deutschland existiert seit 2021 ein nationales Emissionshandelssystem für die Sektoren Wärme in Gebäuden und Verkehr. Es versieht alle fossilen Energieträger wie Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel, die die nicht vom EU-Emissionshandel abgedeckt sind, mit einem CO2-Preis. Seit 2023 zählt Kohle dazu, ab 2024 auch Abfälle.

    Emissionshandel lässt Preise beim Tanken und Heizen steigen

    Auch hier zahlen den Preis zunächst die Unternehmen, die für die Verbrennung der fossilen Rohstoffe verantwortlich sind. Über die Preise etwa für Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel geben sie diese Mehrkosten an Verbraucherinnen und Verbraucher weiter. Diese müssen also etwa fürs Heizen und beim Tanken tiefer in die Tasche greifen – und bekommen so einen Anreiz, ihren Verbrauch zu senken.
    Der ADAC schätzte die Preissteigerung beim Tanken 2024 im Vergleich zum vergangenen Jahr auf 4,3 Cent für einen Liter Benzin und 4,7 Cent beim Liter Diesel. Auch Heizen mit Erdgas und Heizöl ist insgesamt teurer geworden.
    Mit dem interaktiven Rechner der Verbraucherzentrale können Sie Ihren CO2-Preis fürs Heizen und Warmwasser berechnen.

    Wie kommt die Höhe des CO2-Preises zustande?

    Im bundesdeutschen Emissionshandelssystem muss für jede Tonne CO2, die ausgestoßen wird, ein bestimmter festgelegter Betrag gezahlt werden. Nach der Einführung im Januar 2021 waren es 25 Euro pro Tonne, im Jahr 2022 stieg der Preis auf 30 Euro. Der geplante Anstieg 2023 um weitere fünf Euro wurde wegen der insgesamt stark gestiegenen Energiekosten auf 2024 verschoben.
    2024 ist der Preis dann gleich um 50 Prozent auf 45 Euro gestiegen. Als Grund für die starke Erhöhung führt die Bundesregierung auch die Finanzierungslücke nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023 auf, die geschlossen werden soll. 2025 soll der Preis auf 55 Euro steigen.
    Für 2026 ist die Umstellung von festen Preisen auf den Emissionshandel vorgesehen. Zertifikate werden dann in einem Preiskorridor zwischen 55 Euro und 65 Euro pro Tonne CO2 versteigert. Ab 2027 ist eine Versteigerung mit freier Preisbildung am Markt möglich. Damit könnten ab 2027 die Preise für fossile Brennstoffe stark steigen.
    Grafik: Mehrkosten durch den CO2-Preis in einem Einfamilienhaus
    Die Grafik zeigt, wie stark sich der CO2-Preis in den Jahren 2021 bis 2026 auf die Energiekosten in einem Einfamilienhaus auswirkt, je nach Heizmittel und energetischer Sanierung. (Verbraucherzentrale NRW 2023)

    Gibt es einen sozialen Ausgleich?

    Weil der CO2-Preis 2024 stark gestiegen ist und durch die Veränderung des deutschen CO2-Bepreisungssystems 2027 nochmals kräftig steigende Energiepreise zu erwarten sind, fordern Umwelt-, Klima- und Verbraucherschutzverbände eine schnelle Auszahlung des von der Bundesregierung geplanten Klimagelds. Doch wann diese Entlastung kommt, ist noch nicht klar.
    Eine soziale Abfederung gibt es bereits für die zusätzlichen Kosten von Mieterinnen und Mietern durch den CO2-Preis auf Öl und Gas, der seit 2021 erhoben wird. Seit Januar 2023 müssen sich Vermieterinnen und Vermieter an den CO2-Kosten ihrer Mieterinnen und Mieter fürs Heizen mit fossilen Brennstoffen beteiligen. Je schlechter die Energiebilanz der jeweiligen Gebäude, desto höher ist der Kostenanteil für Vermieterinnen und Vermieter.
    Auf EU-Ebene soll nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz mit der Einbeziehung des Verkehrs- und Gebäudesektors in den Emissionshandel ein neuer Klimasozialfonds finanzielle Belastungen für einkommensschwächere Haushalte abfedern. Dieser soll 2026 eingeführt werden und 65 Milliarden Euro umfassen.

    Wie funktioniert der Emissionshandel?

    Die Idee ist: Der Emissionshandel – auf europäischer wie auf nationaler Ebene – verteuert schrittweise den Ausstoß von CO2. Auf europäischer Ebene begrenzt die Menge an Zertifikaten, wie viel CO2 ausgestoßen wird. Über diesen Markt – also die Anzahl der ausgegebenen Zertifikate – kann die Politik den CO2-Ausstoß der europäischen Industrien steuern; und damit auch deren Anstrengungen für den Klimaschutz.
    Ende 2022 wurde in Brüssel eine deutliche Reduktion der Zahl der Zertifikate für die Zukunft beschlossen. Ziel der Reform: Durch die so steigenden Preise sollen die Unternehmen mehr in die CO2-Vermeidung investieren. Ab 2027 sollen auch der Verkehr, die Wärmegewinnung von Gebäuden und die Schifffahrt mit dem europäischen Zertifikatehandel erfasst werden.
    Bis zu 90 Prozent der CO2-Emissionen würden dann in Deutschland und auf europäischer Ebene über den Emissionshandel bepreist, erklärt Jan Weiß. Er ist für ökonomische Grundsatzfragen in der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt), die im Umweltbundesamt angesiedelt ist, zuständig.
    Der nationale CO2-Preis in Deutschland hingegen ist bisher eher eine Steuer: Hier ist der Preis festgelegt und die Menge an CO2, das emittiert werden kann, offen. Ab 2027 wird das System in einen europäischen Markt für Brennstoffe überführt. Dann wird aus der Steuer ein Preis, der aufgrund eines Handels auf einem Markt entsteht.

    Welche Wirkung zeigt der CO2-Preis?

    Die Wirkung von Marktmechanismen wie dem CO2-Preis beziehungsweise Emissionshandel auf den Klimawandel wird sehr unterschiedlich bewertet.
    Jan Weiß von der Deutschen Emissionshandelsstelle nennt den Emissionshandel eine „Erfolgsgeschichte“. Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, betont, dank des europäischen Emissionshandelssystems (ETS) für Strom und Industrie habe zumindest im Industrie- und Strombereich, eine „Dekarbonisierung“ eingesetzt.
    Für Nina Treu von der Umweltschutzorganisation Greenpeace ist das ETS hingegen bislang keine Erfolgsgeschichte. Der CO2-Ausstoß steige weiter an. Bislang hätten Marktlösungen die Klimakrise nicht aufgehalten, sondern sie „eher beschleunigt“. Unternehmen, Manager und Lobbyisten setzten sich stark dafür ein, „dass bestimmte Marktlösungen kommen und die dann nicht funktionieren“.
    abr, ikl