Dienstag, 19. März 2024

Corona-Pille als Hoffnungsträger
Was über das Corona-Medikament Molnupiravir bekannt ist

Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA prüft die Zulassung eines Corona-Medikaments des Pharmaunternehmens MSD. Laut einer Studie des Konzerns soll Molnupiravir bei infizierten Patienten das Risiko einer Krankenhauseinlieferung oder eines tödlichen Krankheitsverlaufes halbieren. Ein Überblick.

26.10.2021
    Firmenschild des Pharmakonzerns Merck
    Der Pharmakonzern MSD, der in Nordamerika unter dem Namen „Merck & Co.“ bekannt ist, hat für das Medikament Molnupiravir in den USA eine Notfallzulassung beantragt (picture alliance / Pacific Press | Paul Weaver)
    Die Mehrheit der Menschen in Deutschland ist inzwischen gegen Covid-19 geimpft. Doch bei manchen reicht die dadurch ausgelöste Immunantwort nicht. Andere können sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen oder wollen es nicht. Es bleibt also wichtig, weiter Medikamente gegen die Krankheit zu entwickelt.
    Der Pharmakonzern MSD, der in Nordamerika unter dem Namen "Merck & Co." bekannt ist, hat für das Medikament Molnupiravir in den USA eine Notfallzulassung beantragt. Revolutiniert dieses erste Covid-Medikament, das in Tablettenform verabreicht werden kann, die Therapie?

    Für wen ist Molnupiravir geeignet?
    Für Patienten und Patientinnen in der Frühphase der Infektion. Molnupiravir sollte in den ersten fünf Tagen nach Beginn der Symptome gegeben werden: Fünf Tage lang soll man täglich acht Tabletten einnehmen.
    Der große Vorteil ist dabei, dass der Wirkstoff in Tablettenform und nicht als Infusion intravenös gegeben werden muss, wie bei anderen antiviralen Covid-Medikamenten, etwa Remdesivir. Man muss für die Therapoe also nicht extra ins Krankenhaus. Das senkt die Hemmschwelle, es schon bei leichten Symptomen zu verabreichen.
    Coronavirus
    Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
    Ist das Medikament ein Hoffnungsträger in der Covid-Therapie?
    Ja, weil es auch die Therapie-Abläufe vereinfacht: Man muss nicht für eine Infusion in ein Krankenhaus. "Aber von einer Revolution will ich jetzt sofort noch nicht sprechen", sagte Infektiologe Leif-Erik Sander von der Charité in Berlin im Dlf. Er bestätigte, dass die in einer Pressemitteilung des Konzerns veröffentlichen Daten gut aussähen und dass Todesfälle und Krankenhaus-Einweisungen offenbar verhindert werden könnten. Eine Publikation der Daten in einem Fachblatt steht allerdings noch aus.
    Allerdings stünden bereits eine ganze Reihe Medikamente zur Verfügung die in der Frühphase eine Covid-19-Infektion verabreicht werden könnten, sagte Sander. Als Beispiel nannte er sogenannte "Monoklonale Antikörper". Damit könnten schwere Verläufe ebenfalls verhindert werden.
    Die Herausforderung sei, früh genug zu reagieren und sofort nach einem positiven Test ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, um das Medikament zu bekommen. Denn SARS-CoV-2 vermehrt sich vor allem in der Frühphase sehr stark. "Wenn man dann erst einmal sehr stark erkrankt, ist die Virusvermehrung als solche gar nicht mehr das Hauptproblem, sondern das gestörte Immunsystem und andere Probleme in der Lunge."
    Wie wirkt Molnupiravir?
    Molnupiravir ist ein antivirales Medikament. Der Wirkstoff war ursprünglich zur Behandlung bei Influenza entwickelt worden. In klinischen Studien hat sich nun gezeigt, dass er auch bei Covid-19 sehr gut wirkt.
    Molnupiravir richtet sich mit Fehlbausteinen gegen das Virus selbst: Es ähnelt den Bausteinen des Virus. Die virale "Kopiermaschine" des Virus für das Erbgut baut den falschen Stein in das Virenerbgut ein, wenn das Virus sich selbst vervielfältigt. Dadurch kommt es dann zu Kopierfehlern im Virenerbgut, zu Punktmutationen. Nach einigen Vermehrungszyklen haben sich dann so viele Fehler angesammelt, dass das Erbgut nicht mehr zu gebrauchen ist und die Virenpopulationen in sich zusammenbricht.
    Gibt es Risiken bei der Einnahme?
    Ja, denn theoretisch könnte es zu ungewollten Mutationen im Erbgut der Patientinnen und Patienten kommen. Es gibt die Befürchtungen, dass dadurch möglicherweise Krebs oder Schäden bei ungeborenen Kindern entstehen könnten, wenn etwa Schwangere das Medikament einnehmen. An der University of North Carolina wurden Versuche mit Zellkulturen von Säugetierzellen durchgeführt, die mit sehr hohen Dosen des Wirkstoffes behandelt wurden. Dabei wurden solche Veränderungen festgestellt. Fachleute halten es aber für unwahrscheinlich, dass das bei menschlichen Patienten unter realistischen Bedingungen passiert.
    Wann könnte Molnupiravir auf den Markt kommen?
    In den USA wurde bereits eine Notfallzulassung beantragt, eine Entscheidung wird in den nächsten Wochen erwartet. In Europa prüft die EMA aktuell die Zulassung und könnte bis Ende Oktober das Rolling-Review-Verfahren starten. Sollte das Medikament zugelassen werden, bleibt noch das Problem der Produktion. "Die bittere Pille ist, dass die Produktion am Anfang nicht für die ganze Welt reichen wird", sagte der Chef-Infektiologe des Uniklinikums Regensburg, Bernd Salzberger, im Dlf.
    Welche Corona-Medikamente gibt es noch?
    Bisher gibt es kein Arzneimittel, das so vor einer Corona-Infektion schützt wie eine Corona-Impfung. Es gibt Mittel, die während der Infektion eingesetzt werden können. Was fehlt, sind Medikamente, die zu Beginn einer Infektion die Viren ausschalten.

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    Bisher konnte man in der Frühphase Monoklonale Antikörper einsetzen. Diese werden allerdings intravenös verabreicht.
    Von der EMA zugelassen ist zudem das antivirale Medikament Remdesivir. Darüber hinaus arbeiten eine Reihe von Pharmakonzernen intesiv an antiviralen Medikamenten gegen Covid-19, einige dieser Mittel nähern sich der Zulassung. Die EMA prüft unter anderem das Mittel Evusheld von Astrazeneca oder auch Ronapreve von Roche.
    Bei Patienten und Patientinnen in der Spätphase kommt bisher hauptsächlich der Entzündungshemmer Dexamethason zum Einsatz, um das Überschießen des Immunsystems im späteren Verlauf der Krankheit zu unterdrücken.
    Quellen: Arndt Reuning, Leif-Erik Sander, Bernd Salzberger, afp, og