Donnerstag, 28. März 2024

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Coronavirus
Bas (SPD): Selbsttests schon jetzt in Teststrategie aufnehmen

Solange die Corona-Impfungen noch nicht weit vorangeschritten sind, seien Tests für zu Hause eine gute Ergänzung, sagte die SPD-Politikerin Bärbel Bas im Dlf. Sie forderte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dazu auf, eine Teststrategie vorzulegen, die die bislang noch nicht zugelassenen Heimtests miteinbindet.

Bärbel Bas im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 15.02.2021
Jemand führt einen Selbsttest mittels Gurgelmethode durch
Der Gurgeltest ist eine mögliche Selbsttest-Methode (picture alliance - dpa / APA / picturedesk.com / Georg Hochmuth)
Noch ist Deutschland von einer Massenimpfung weit entfernt. Außerdem stellt sich die Frage, wie mit den gefährlichen Mutationen des Coronavirus, gegen die die neuen Impfstoffe vielleicht nur bedingt helfen, umgegangen werden soll. Corona-Tests für zu Hause könnten hier Entlastung bringen. Die sind zwar nicht so sicher wie die PCR-Tests, aber viel leichter in der Handhabung.
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Ein Coronatest sei immer nur eine Momentaufnahme – auch bei Tests für zu Hause, sagte Bärbel Bas im Dlf, sie ist Vize-Fraktionschefin und Gesundheitsexpertin der SPD. Sie erwarte, dass Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) jetzt die Inititative ergreife.
Zwar befänden sich die Selbsttests noch im Zulassungsverfahren, aber wenn man Kitas und Schulen öffnen wolle, müssten jetzt bereits die erforderliche Kapazität bestellt werden, so Bas. Derzeit verhalte sich die Bundesregierung noch zu zögerlich.
Bärbel Bas bei einer Bundestagssitzung 2021
SPD-Politikerin Bärbel Bas (dpa / picture alliance / Flashpic | Jens Krick)
Das Interview im Wortlaut:
Jörg Münchenberg: Frau Bas, könnten die Schnelltests für zu Hause eine Perspektive für weitere Lockerungen sein?
Bärbel Bas: Diese Tests können auf jeden Fall eine sinnvolle und wichtige Ergänzung sein. Solange der Bereich der Impfung noch nicht so ist, wie wir uns das wünschen, sind natürlich Testverfahren und wenn sie einfach sind für die Heimanwendung ein wichtiger Bereich, um am Ende auch Lockerungen möglich zu machen.

Im Moment sind 13 Tests wohl im Zulassungsverfahren

Münchenberg: Das Problem ist aber, die Tests sind ja noch gar nicht auf dem Markt. Das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte prüft ja derzeit noch mehrere Anträge.

Bas: Ja, sie prüfen. Im Moment sind 13 Tests wohl im Zulassungsverfahren. Mir ist aber wichtig, dass die Bundesregierung jetzt schon das in eine Teststrategie aufnimmt. Denn wenn sie denn zugelassen werden – und es sieht ja danach aus, dass das Anfang März spätestens der Fall sein wird -, dann muss ja, wenn wir sagen, wir wollen Kindergärten und Schulen insbesondere testen, damit diese auch gesichert öffnen können, eine Kapazität bestellt und gekauft werden, ähnlich wie bei den Impfstoffen, und das geht mir im Moment zu zögerlich.
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Münchenberg: Auf der anderen Seite: Gesundheitsminister Jens Spahn hat darauf hingewiesen, die Tests sind nicht so sicher wie diese PCR-Tests. Das heißt, mit den Tests zum Selbermachen zu Hause können nur Infizierte mit einer hohen Virenlast erkannt werden. Es bleibt dann da ja doch schon ein gewisses Risiko.

Bas: Ein Test, ein Schnelltest oder auch dieser Heimtest, das ist sicherlich immer nur eine Momentaufnahme. Das ist schon richtig. Aber wenn wir sagen, dass gerade diese sogenannten Superspreader – und das sind die, die eine hohe Virenlast haben – genau die sind, die gefährlich sind zur Übertragung von vielen Menschen, dann muss man auch diese Heimtests nutzen. Deshalb wäre ich da nicht so zögerlich. Wenn ich schon alleine diese Personen rausfiltern kann über einen Schnelltest oder einen Eigentest, ist das auf jeden Fall die Investition wert.

Münchenberg: Sie sagen ganz klar, es bleibt ein Restrisiko, aber das muss man unter den derzeitigen Bedingungen eingehen?

Bas: Ja, weil wenn ich überhaupt nicht teste, gehe ich das Risiko ja auch ein. Und wenn ich diese Tests habe, die ja zum Teil, was die Hersteller auch sagen, zu 95 Prozent sichere Ergebnisse liefern, nicht zu 100 Prozent, aber immerhin zu einer hohen Prozentzahl, dann muss ich das nutzen.

Schnelltests in Öffnungskonzepte einbinden

Münchenberg: Frau Bas, Sie haben die Schulen schon angesprochen. Aber die Überlegungen gehen ja inzwischen viel weiter. Im Augenblick läuft das noch ziemlich schleppend. Wir haben die Verlängerung der Lockdown-Maßnahmen plus die Mutationen. Da gibt es ja schon auch den Vorschlag, dass man sagt, diese Schnelltests für zu Hause, die könnten vielleicht dann auch die Eintrittskarte sein für den Gang ins Restaurant oder ins Kino oder sogar ins Theater. Hängt da viel mehr dran als nur Schnelltests für die Schulen?

Bas: Aus meiner Sicht hängt da viel mehr dran. Wenn ich zum Beispiel Öffnungskonzepte machen will für Veranstalter, für Museen, für Restaurants, dann können diese einfachen, wie wir sagen, Spucktests, die es ja bald gibt, eine wichtige Ergänzung sein. Ich erinnere mal an die Debatte zum Impfen, dass wir gesagt haben, es gab ja eine Debatte, sollen Menschen, die schon die Impfung haben, schneller in ein Restaurant gehen dürfen als andere, die das nicht haben. So könnten zum Beispiel die Tests für die, die nicht geimpft sind, auch die Möglichkeit bieten, Restaurants, Veranstaltungen und so weiter zu besuchen.
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Nationale Teststrategie wichtig

Münchenberg: Die Frage ist trotzdem: Wer soll am Ende die Kosten übernehmen? Ein PCR-Test kostet 40 Euro, die Schnelltests für zu Hause sind sicherlich deutlich günstiger. Aber wir reden hier von hunderten von Millionen Tests, und zwar pro Monat. Da ist ja schon die Frage, wer soll das am Ende alles bezahlen.
Bas: Es kommt ja darauf an, welche Teststrategie ich habe. Wenn es zum Beispiel für Kitas und Schulen ist, muss der Staat in dem Sinne einkaufen, ähnlich wie er es jetzt beim Impfstoff gemacht hat. Bund und Länder sind hier in der Finanzierung. Diese Schnelltests oder Heimtests sind ja auch nicht so teuer, wie Sie gerade gesagt haben, wie ein PCR-Test. In der Massenanwendung kann ich mir gut vorstellen, dass die Preise auch noch sinken werden.

Auf der anderen Seite: Wenn es zum Konzept zum Beispiel eines Veranstalters gehört, dann ist es der Veranstalter, der das möglich macht und vielleicht einkauft. Oder, wenn der Arbeitgeber sagt, ich nutze es dort, wo zum Beispiel Homeoffice nicht möglich ist, aber ich meine Mitarbeiter auch sicher testen will, bevor die hier in die Fertigungshalle kommen, dann zahlt es der Arbeitgeber. Dann gehört es zum Arbeitsschutz. So gibt es viele Möglichkeiten.
Nur es wäre sinnvoll und wichtig, dass es auch dazu eine nationale Teststrategie gibt: Wann ist welcher Test zu machen? Wann gehört es zum Hygienekonzept? Dann ist auch die Finanzierung zu sichern und übrigens auch für Menschen, die nicht so viel Geld haben und sich diesen Test nicht leisten können. Auch hier müssen wir ähnlich wie bei den FFP2-Masken auch für die Menschen sorgen, die die finanziellen Mittel nicht haben, und die darf man auch nicht von diesen Heimtests ausschließen.

Münchenberg: Sie sagen, Gesundheitsminister Jens Spahn soll hier endlich mal eine Strategie entwickeln. Auf der anderen Seite: Auch die SPD sitzt ja mit in der Regierung.

Bas: Das stimmt. Aber ich bin Abgeordnete und die Verordnung macht der Minister. Das haben wir ihm per Gesetz ja ermöglicht. Deshalb erwarte ich von ihm, dass er auch sagt, welche Tests, PCR, Schnelltests oder Heimtest, sollen in welche Hygienekonzepte eingefasst werden. Und die Teststrategie hat auch was damit zu tun, wer dann die Kosten übernimmt, und hier erwarte ich einfach, dass der Gesundheitsminister, der dafür zuständig ist, hier initiativ wird.

Münchenberg: Aber die SPD könnte ja auch noch mehr Druck machen in Richtung Gesundheitsminister.

Bas: Das machen wir. Das hören Sie ja gerade.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Ein Mitarbeiter zeigt in der Corona-Abstrichstelle einen Abstrich für einen Corona-Test. 
Abstrich für einen Corona-Test (dpa / Tom Weller)

Derzeit sind Aussagen zum Urlaub an Ostern verfrüht

Münchenberg: Frau Bas, lassen Sie uns den Blick noch mal ein bisschen weiten. Es gibt jetzt auch wieder eine Debatte über Corona-Auflagen, die Frage, wie geht es perspektivisch weiter. Der Ministerpräsident von Sachsen, Michael Kretschmer, hat jetzt gesagt, Urlaub zu Ostern, das sei eigentlich kaum vorstellbar. Man muss sagen, diese Wortmeldung jetzt überrascht ein wenig, weil man ja gesagt hat, wir schauen uns erst mal die Zahlen an, die Inzidenz-Zahlen, wie die sich jetzt entwickeln. Wie bewerten Sie jetzt die Wortmeldung von Kretschmer am Wochenende?
Bas: Wenn man seine Infektionszahlen in seinem Land sieht, kann man das vielleicht nachvollziehen. Ich persönlich finde, das ist noch viel zu früh. Erstens treffen sich die Ministerpräsidenten am 3. März und es ist, so wie ich gehört habe, zumindest vereinbart, dann auch endlich Stufenkonzepte für Öffnungen vorzulegen. Die Zahlen gehen ja jeden Tag weiter zurück. Da ist ja auch eine Perspektive da.
Wenn Infektionszahlen am Ende auch unter 35 sind – das sagt ja auch das Infektionsschutzgesetz, so wie es jetzt vorliegt -, dann sind Lockerungen und Öffnungen ja möglich und werden sicherlich auch stattfinden. Auch wenn zum Beispiel Anfang März diese Heimtests da sind, warum sollen dann nicht auch zumindest über Ostern Familienbesuche möglich sein? Es muss jetzt nicht die große Reisewelle sein. Da würde ich Herrn Kretschmer recht geben. Aber jetzt schon zu sagen, zu Ostern findet gar nichts statt, finde ich viel zu früh, weil wir bis dahin noch gar nicht wissen, wie die Zahlen sich hoffentlich weiterhin positiv entwickeln.

"Bisher entwickeln sich die Zahlen recht positiv"

Münchenberg: Auf der anderen Seite: Erst war immer die Inzidenz-Zahl von 50 relevant. Jetzt ist es 35. Jetzt wird schon mal vorsorglich der Osterurlaub gestrichen – ich spitze das mal ein bisschen zu. Da stellt sich schon die Frage: Auf was sollen die Bürger eigentlich setzen?
Bas: Ja, das ist eine berechtigte Frage. Natürlich ist da viel Unsicherheit noch wegen der Mutationen da. Deshalb gibt es jetzt auch die Einschränkungen. Aber diese Zahl 35 ist nicht neu und auch die 50. Wir haben ja ein gestuftes Verfahren, wann bestimmte Maßnahmen über Länderverordnungen auch ergriffen werden müssen, und da sind beide Zahlen. Sowohl die 50 machen schon Lockerungen möglich. Über 50 muss man schon strengere Maßnahmen vorsehen. Und die 35, wenn wir die erreichen und darunter kommen, dann muss viel mehr möglich sein. Das muss auch für die Menschen eine Perspektive sein. Wenn diese Tests und wir mit den Impfungen auch weiter voranschreiten, dann gibt es ja auch eine gute Perspektive noch für dieses Jahr. Deshalb sehe ich das nicht so pessimistisch und deshalb gehöre ich auch nicht zu denen, die jetzt schon sagen, zu Ostern ist so gar nichts möglich. Klar muss man vorsichtig sein, keine Frage, aber bisher entwickeln sich die Zahlen ja recht positiv, weil auch viele Menschen sich bisher an die Maßnahmen halten und da auch mitgestalten und mitmachen.
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