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Debatte nach Chemnitz
Gehört die AfD unter Beobachtung?

AfD-Politiker rufen gemeinsam mit Pegida zu Protesten auf, zeigen Verständnis für "Selbstschutz" der Bürger auf der Straße. Der Parteivorsitzende distanziert sich von verfassungsfeindlichen Umtrieben. Einige Politiker meinen dennoch, die AfD gehöre unter Verfassungsschutz-Beobachtung.

Von Frank Capellan | 01.09.2018
    Das Logo der Alternative für Deutschland (AfD) ist am 10.09.2016 in Rendsburg (Schleswig-Holstein) auf dem Landesparteitag der AfD auf Parteibroschüren zu sehen.
    Markus Frohnmaier (AfD) sprach auf Twitter von einer "Bürgerpflicht, die todbringendendie 'Messermigration' zu stoppen". Sollte der Verfassungsschutz seine Partei beobachten? (picture alliance / dpa / Markus Scholz)
    Erst Sachsen, nun Bayern. Heute gibt die Kripo in Rosenheim bekannt, dass dort gegen zwei Beamte der Bundespolizei ermittelt wird, die betrunken auf der Terrasse eines Lokales den Hitlergruß gezeigt haben sollen und mit fremdenfeindlichen Äußerungen aufgefallen sind. In der vergangenen Woche sorgte ein pöbelnder Mitarbeiter des LKA auf einer Pegida-Demonstration in Dresden für Aufsehen. Dass AfD und Pegida gemeinsam zu Protesten aufrufen, ist bekannt.
    Wenn dort nun auch Staatsbedienstete in ihrer Freizeit mitlaufen, wird das für Bundespolitiker zum Problem. Bernd Riexinger, Chef der Linkspartei, warnt im SWR-Gespräch vor einer Radikalisierung der AfD. Deren Beteiligung an ausländerfeindlichen Demonstrationen in Chemnitz ist für ihn "ein Signal, dass die AfD immer mehr nach rechts geht, dass sie sich offen verbündet mit den rechtsradikalen Kräften in dieser Republik, dass sie inzwischen immer mehr ihr wahres Gesicht zeigt, inzwischen scheut sie ja nicht davor zurück, auch mit offen rechtsradikalen und neofaschistischen Kräften Hand in Hand zu demonstrieren."
    Özdemir: "Die AfD bewirbt sich geradezu darum"
    Äußerungen des AfD-Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier wurden vielfach als Aufruf zur Selbstjustiz gewertet. Auch sie haben eine Debatte darüber ausgelöst, ob es an der Zeit sei, die Partei durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen. "Ich finde, die AfD bewirbt sich geradezu darum", meint der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir gegenüber der Landshuter Zeitung. "Dann hätte man endlich zuverlässige Informationen, welche Netzwerke die Partei pflegt und wie sie sich finanziert."
    Der AfD-Vorsitzende selbst, Alexander Gauland, wehrt sich im Deutschlandfunk. Hooligans und Rechtsradikale hätten eine Demonstration besorgter Chemnitzer missbraucht, und sein Parteifreund sei völlig falsch verstanden worden: "Also, Markus Frohmaier hat sich selbst dazu geäußert, zu der Formulierung, und er hat klar gesagt, das war kein Aufruf zur Selbstjustiz, sondern zur Selbstverteidigung, und dabei muss es auch bleiben!"
    Innenminister Horst Seehofer sieht derzeit keinen Grund, die rechtspopulistische AfD unter Beobachtung zu stellen. Dass Gauland und Frohnmaier über Selbstverteidigung der Bürger reden, bezeichnet der CSU-Mann zwar als unpassend, trotzdem liegen die Voraussetzungen zur Beobachtung der Partei als Ganzes seiner Ansicht nach bisher nicht vor. "Natürlich muss man immer genau hinschauen", meint Seehofer gegenüber der Funke Mediengruppe, "ob es sich bei Aussagen von Parteimitgliedern um eine parteipolitische Linie handelt. Aber das tut der Verfassungsschutz schon jetzt!"
    "Druck im Kessel"
    Marco Wanderwitz, Staatssekretär im Innenministerium, warnt allerdings davor, die Unterwanderung von Demonstrationen durch rechte Gruppen zum Anlass zu nehmen, die Bevölkerung insgesamt in Haftung zu nehmen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete stammt aus Chemnitz und betont gegenüber unserem Sender: "Dass es jetzt systematische Jagden gegeben hat, war Gott sei Dank nicht der Fall. Ich sag das jetzt deshalb so deutlich, weil so viel Druck im Kessel ist, dass wirklich wir Politiker und auch die Medien jetzt in der Verantwortung sind, wirklich jedes Wort auf die sogenannte Goldwaage zu legen."
    "Druck im Kessel", das meint auch der AfD-Vorsitzende, wenn auch in anderem Sinne. Gauland beklagt, dass die beiden mutmaßlichen Täter von Chemnitz offensichtlich längst polizeibekannt waren. Darüber muss seiner Überzeugung nach zuallererst gesprochen werden: "Das wichtigere Thema ist der Tod eines Unschuldigen durch zwei Menschen, die nicht hier sein dürften und die nicht hier wären, hätte es Frau Merkels Flüchtlingspolitik nicht gegeben."
    Staatssekretär Wanderwitz ist da zurückhaltend. Wo liegen die Zuständigkeiten? Verantwortlich für Abschiebungen sind Bundesamt für Migration und Länderbehörden – "Wer da Fehler gemacht hat", meint der Christdemokrat, "kann ich noch nicht beurteilen".