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Denkmalstreit in Polen
Wenn mit Gedenken Politik gemacht wird

In Polen ist der Umgang mit der Katastrophe von Smolensk bis heute umstritten. Bei dem Absturz der Regierungsmaschine starben vor acht Jahren alle 96 Insassen, auch der damalige Präsident Lech Kaczyński. Es geht um die Aufklärung der Unglücksursache, aber auch um die Art der Opfer zu gedenken.

Von Florian Kellermann | 10.04.2018
    Ein Blick durch das Baugerüst auf das neue Denkmal am Pilsudski-Platz in Warschau zur Erinnerung an die Opfer des Flugzeug-Unglücks bei Smolensk am 10.04.2010. 2 Arbeiter auf dem Steinblock und Wenige Tage vor seiner Einweihung. 2 Arbeiter stehen auf dem noch nicht ganz fertigen Steinblock.
    Das Denkmal am Pilsudski-Platz in Warschau wenige Tage vor seiner Einweihung - zur Erinnerung an die Opfer des Flugzeugunglücks bei Smolensk am 10.04.2010. (imago stock&people)
    Seit Wochen steht ein großes Zelt im Zentrum von Warschau, am Rande des Pilsudski-Platzes. Ein Zaun hält die Menschen davon ab näherzutreten. Zwei Rentnerinnen aber schlendern immer wieder neugierig daran vorbei:
    "Ein Denkmal ist da gebaut worden, für diejenigen, die bei dem Flugzeugabsturz gestorben sind", erzählt eine von ihnen.
    Genauer: eine Treppe aus Granit, die an eine Gangway erinnert, bei der die untersten Stufen fehlen.
    "Die meisten finden das nicht gut und ich auch nicht. Auf dem Platz hier gibt es ja schon das Grabmal des unbekannten Soldaten. Hier finden Staatsakte statt, Paraden. Jetzt noch dieses Denkmal, das passt nicht zusammen. Schade finde ich vor allem, dass wir Warschauer nicht gefragt wurden. Aber die Regierung hört ja auf niemanden."
    Nicht nur die Warschauer wurden nicht gefragt. Auch der Stadtrat, der von der oppositionellen "Bürgerplattform" dominiert wird, wurde nicht einbezogen.
    Regierung übergeht bei Planung den Warschauer Stadtrat
    Die Regierung der rechtskonservativen Partei PiS hatte den Pilsudski-Platz im vergangenen Jahr zu einem sogenannten "geschlossenen Gelände" erklärt. Die Begründung des Innenministeriums: Der Platz sei wichtig für die militärische Verteidigung des Staates. Für Baugenehmigungen auf dem Platz ist damit nicht mehr die Stadt zuständig, sondern der von der Regierung eingesetzte Verwaltungschef des Bezirks. Die Regierung bediente sich also eines Tricks, um das umstrittene Denkmal aufstellen zu können. Jaroslaw Sellin, Staatssekretär im Kulturministerium, hält dieses Vorgehen für gerechtfertigt:
    "So ein Denkmal muss es einfach in Warschau geben. Der Flugzeugabsturz war die größte Katastrophe für die polnische Nation seit dem Zweiten Weltkrieg. Ihrer muss gedacht werden, und zwar an einem würdigen Ort."
    Würdig sei das Ganze keineswegs, meinen Kritiker der Regierung wie Barbara Nowacka. Sie hat ihre Mutter in der Unglücksmaschine nach Smolensk verloren. Izabela Jaruga-Nowacka war damals Parlamentsabgeordnete der Linken:
    "Das wird ein Denkmal der Zwietracht. Die Regierung hat es brutal erzwungen. Mir gefällt auch der Ort nicht: beim Grabmal des unbekannten Soldaten. Das legt doch nahe, dass das Ganze kein Unfall war, sondern dass diese Tragödie bewusst herbeigeführt wurde."
    Diese Theorie ist populär in der Regierungspartei PiS: Auch deren Vorsitzender Jaroslaw Kaczyński hat schon oft suggeriert, das Unglück sei eigentlich ein Attentat gewesen. Russland habe den Absturz herbeigeführt, um sich des Moskau-kritischen damaligen Präsidenten Lech Kaczyński zu entledigen.
    Die Bürgermeisterin wollte das Denkmal verhindern
    Aber am Streit um das Denkmal habe nicht nur die Regierung Schuld, meint Barbara Nowacka. Sie kreidet ihn auch der oppositionellen "Bürgerplattform" an, die zum Zeitpunkt der Katastrophe an der Regierung war und sich von Anfang an gegen ein Denkmal in der Warschauer Innenstadt sperrte. Nur widerwillig stellte der Stadtrat vor drei Jahren ein wenig attraktives Grundstück zur Verfügung.
    Ursprünglich wollte die PiS ein Denkmal einige hundert Meter weiter errichten, direkt vor dem Präsidentenpalast. Dort trauerten in den Tagen nach dem Unglück Hunderttausende Polen:
    "Das ist ein zentraler Ort in Warschau, dort kommen die Touristen vorbei. Es gab den Vorschlag, dort ein Denkmal aus Lichtern zu errichten, Lichter, die im Boden installiert sind. Er hat eigentlich allen gefallen - nur nicht Hanna Gronkiewicz-Waltz."
    Der Bürgermeisterin, die der "Bürgerplattform" angehört und bis heute in Warschau regiert.
    So wird die Einweihung des Denkmals heute Nachmittag zur politischen Manifestation. Ihr wird eine weitere folgen: Die Regierung will - ebenfalls auf dem Pilsudski-Platz - bis zum Herbst noch ein zweites Denkmal errichten lassen, eine Büste von Lech Kaczyński.