DFL-Investoreneinstieg
Bundeskartellamt will 50+1-Regel neu bewerten

Vor dem Hintergrund der geheimen Abstimmung um einen DFL-Investor will das Bundeskartellamt jetzt die 50+1-Regel neu bewerten. Damit kann der bereits seit Monaten ausgehandelte Kompromiss wieder hinfällig werden und die Regel am Ende sogar fallen.

Von Thorsten Poppe |
Fans von Hannover 96 protestieren mit Banner gegen Martin Kind und für die Einhaltung der 50+1-Regel.
Fans von Hannover 96 protestierten im Spiel beim Hamburger SV gegen 96-Geschäftsführer Martin Kind und für die Einhaltung der 50+1-Regel. (IMAGO / Oliver Ruhnke / IMAGO / Oliver Ruhnke)
Es ist brisante Post vom Bundeskartellamt, die jüngst bei der Deutschen Fußball-Liga eingegangen ist. Dort schreibt das Amt, "sich mit den jüngsten Entwicklungen hinsichtlich der Anwendung der 50+1-Regel durch die DFL vertraut zu machen und dann über das weitere Vorgehen zu beraten". Das Schreiben ist unserer Redaktion bekannt, zuerst hatte die Sportschau darüber berichtet.
Damit gerät der seit langem ausgehandelte, aber letztendlich noch nicht finalisierte Kompromiss um die Regel wieder ins Wanken. Grund dafür ist die geheime Abstimmung um den Investoreneinstieg und ein etwaiger Verstoß gegen die 50+1-Regel: "Wenn man die Regeln, die man sich selber gibt, nicht einhält, dann sind sie das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben stehen“, so Sport- und Kartellrechtsexperte Paul Lambertz im Gespräch mit dem Deutschlandfunk.
Denn da nicht eindeutig klar ist, ob Hannover 96 mit Ja oder Nein abgestimmt hat, könnte ein Verstoß gegen die Regel vorliegen.

Kind könnte gegen Vereinsweisung gestimmt haben

Denn der eingetragene Verein ist gegenüber Martin Kind, dem Geschäftsführer der ausgegliederten Kapitalgesellschaft mit den Profis, weisungsbefugt. Und hat öffentlich angeordnet mit "Nein“ zu stimmen. Ob das so erfolgt ist, darum dreht sich seit der geheimen Abstimmung der Konflikt im deutschen Fußball.
"Wenn das Kartellamt jetzt hier aus der Konstellation rund um den Einstieg der Investoren weitere Verdachtsmomente bekommt, dass hier die 50+1-Regel möglicherweise nur auf dem Papier besteht, und dann und wann nicht so genau genommen wird, muss sich die DFL hier ganz schön rechtfertigen", so Sportjurist Lambertz.
Die DFL äußert laut Sportschau Verständnis dafür, dass das Bundeskartellamt die Anwendung der 50+1-Regel betrachte. Doch für eine grundlegende Änderung der bisherigen Beurteilung des Bundeskartellamts gäbe es keine Anzeichen, so die DFL.

Kartellamt hatte 50+1 für wettbewerbskonform erklärt

Die Behörde hatte in einem seit Jahren dauernden Verfahren eigentlich klargemacht, dass sie die Regel als wettbewerbskonform ansehe. Vor dem Hintergrund der geheimen Abstimmung gibt die Behörde jetzt an, dass Verbandsregeln transparent, objektiv, präzise und nicht-diskriminierend gestaltet sein müssten. Deshalb müsse sich das auch in ihrer praktischen Anwendung zeigen, ob die DFL die Ziele der Regel konsequent und konsistent verfolge.

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Ein Kritikpunkt, der seitens der aktiven Fanszenen schon länger formuliert wird: "Wir als 'Unsere Kurve' haben ja schon in der Vergangenheit deutlich darauf hingewiesen, dass die Abstimmungsvorgänge rund um den DFL-Investor – insbesondere hinsichtlich Hannover 96 und Martin Kind – mehr als fragwürdig sind und haben da schon auf den Verstoß der 50+1-Regel hingewiesen, der ja offenkundig ist“, macht Thomas Kessen von der Interessengemeinschaft organisierter Fanszenen "Unsere Kurve“ deutlich.
Weil im Nachhinein diverse Clubs ihr Abstimmungsverhalten zum DFL-Investor öffentlich gemacht hatten, scheint es wohl der Fall zu sein, dass Martin Kind entgegen der Weisung des Muttervereins mit "Ja“ gestimmt hat. Doch einen endgültigen Beweis gibt es dafür nicht.

Kind will nicht verraten, wie er abgestimmt hat

Darauf macht Martin Kind auch letzte Woche in der NDR Redezeit aufmerksam: "Dass wir hier mit unserem Verein unterschiedliche Bewertungen haben, zu dem Thema 50+1 und Weisungsrecht, das ist nicht neu. Und darüber hinaus, da muss ich noch einmal sagen, ich bin schon irritiert, geheim heißt geheim für alle! Dass sich Vereine bemüßigt gesehen haben, ihre vermeintliche Stimme öffentlich zu machen, ist eher ungewöhnlich, unprofessionell, und geht meiner Ansicht nach gar nicht gar nicht.“
Martin Kind betont, dass er nicht verraten werde, wie er abgestimmt habe. Deshalb und gerade weil jetzt die 50+1-Regel wieder unter Druck gerät, plädieren immer mehr Clubs für eine neue und transparente Abstimmung.
Mehr als zehn haben sich dazu schon öffentlich bekannt, immer mehr kommen täglich hinzu. Egal, ob sie mit Ja oder Nein abgestimmt hatten. Das sei mittlerweile auch bei der DFL angekommen, so Geschäftsführer Steffen Merkel im Sky-Interview: "Natürlich haben wir gemerkt in den letzten Wochen, dass es da einige Clubs gab, die uns Briefe geschrieben haben, sich öffentlich geäußert haben, und gesagt haben, dass vielleicht aus Transparenzgründen eine neue Abstimmung angezeigt ist. Dass ist aus unserem Eindruck bisher noch nicht die Mehrzahl der Clubs. Wir werden diesbezüglich in den nächsten Tagen uns einmal mit den Clubs zusammensetzen und dieses Thema diskutieren!“  

50+1-Regel könnte scheitern

Die DFL steckt jetzt jedenfalls in einem Dilemma. Denn dass nun noch einmal die 50+1-Regel völlig neu bewertet werden könnte, ist womöglich ein noch größerer Schaden für den deutschen Fußball, als der seit Wochen sich hochschaukelnde Konflikt mit den Fans.
"Drohen kann hier, dass letztendlich die 50+1--Regel scheitert“, so die Einschätzung von Sportjurist Paul Lambertz. Denn das Handeln der Behörde sei nur folgerichtig: "Kann also einfach keinen überraschen, weder die DFL, noch das Kartellamt, dass die Regeln eben nicht nur klar und nicht-diskriminierend niedergeschrieben werden müssen, sondern eben genau so angewendet werden müssen. Und es eben keine Ausnahmen gibt."