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Vor DOSB-Mitgliederversammlung
Debatte um Aufwandsentschädigungen für Präsidiumsmitglieder

Am Samstag findet die DOSB-Mitgliederversammlung statt. Thema ist unter anderem eine mögliche Olympia-Bewerbung. Ein Punkt sorgt schon jetzt für heftige Diskussionen: eine mögliche Aufwandsentschädigung für die ehrenamtlichen Präsidiumsmitglieder.

Von Andrea Schültke |
Thomas Weikert, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, sitzt auf einer Pressekonferenz vor einer weißen Wand voller  DOSB-Logos und schaut nach vorne.
Das DOSB-Präsidium um Präsident Thomas Weikert möchte eine Aufwandsentschädigung für die ehrenamtlichen Präsidiumsmitglieder einführen. (IMAGO / Funke Foto Services / IMAGO / Sascha Fromm)
Beim Deutschen Olympischen Sportbund heißt es in der Satzung bisher: "Die Organe und Gremien des DOSB arbeiten ehrenamtlich." Das Präsidium um Thomas Weikert möchte das ändern: "In Zukunft können angemessene pauschale Aufwandsentschädigungen für Mitglieder des Präsidiums bezahlt werden“, lautet der Antrag der ehrenamtlichen DOSB-Spitze, die so "im angemessenen Rahmen für entgangene berufliche Erträge entschädigt werden" möchte.
"Ich halte von dem Antrag nicht sonderlich viel. Zunächst mal muss man sich fragen: Was ist eine angemessene Aufwandsentschädigung?", stellt Martin Engelhardt fest, der ehrenamtliche Präsident der Deutschen Triathlon Union. Er bekommt nach eigenen Angaben eine Kilometerpauschale, wenn er im Rahmen seiner Verbandsarbeit mit dem Auto fährt. Ist er länger für den Verband unterwegs, nimmt sich der Chefarzt eines Krankenhauses unbezahlten Urlaub wie er berichtet.

Aufwandsentschädigung in der Satzung

Zahlreiche Verbände sehen in ihrem Regelwerk bereits "angemessene Aufwandsentschädigungen für Präsidiumsmitglieder vor. Darunter die im Fußball, Turnen, Tennis, Schwimmen, Handball, oder Skisport. Was "angemessen" ist, wird individuell festgelegt. Nach Deutschlandfunk-Informationen gibt es Spitzensportverbände, die ihren ehrenamtlichen Präsidenten pro Monat eine Aufwandsentschädigung in niedriger vierstelliger Höhe bezahlen.
Kerstin Holze ist eine der Vizepräsidentinnen des DOSB. Wenn sie für den Sport-Dachverband tätig ist, bekommt sie nach eigenen Angaben weder Sitzungs- noch Tagegeld. Lediglich die Reisekosten würden erstattet. Ihren zeitlichen Aufwand für den DOSB vergleicht die Medizinerin mit einer halben Stelle.
Die nun beantragte Aufwandsentschädigung "für entgangene berufliche Erträge" stellt Holze als Möglichkeit dar, das zeitintensive Ehrenamt im DOSB-Präsidium zu stärken: "Wenn wir Experten haben wollen, die im Berufsleben stehen, wenn wir Menschen haben wollen, die unabhängig von Alter und privater und beruflicher finanzieller Situation sich engagieren können, dann kann eine Aufwandsentschädigung da ein wichtiger Schritt sein."

Triathlon-Präsident hält DOSB-Antrag für intransparent

Über eine angemessene Aufwandsentschädigung der ehrenamtlichen Verbandsführung für entstandene Kosten könne man durchaus diskutieren, sagt Triathlon-Präsident Martin Engelhardt. Den Antrag des Präsidiums dazu hält er allerdings für intransparent: "Wenn man eine Bezahlung darunter versteht, des ehrenamtlich Tätigen, dann gehört das offen benannt und da gehört auch die Größenordnung benannt, damit jeder weiß, um was es geht. Es gibt sehr unterschiedliche Gerüchte. Die einen sagen, es geht 2.500 Euro im Monat pro Person, der andere sagt zwischen 5.000 und 6.000 Euro, der andere sagt 8.000 Euro. Das halte ich für ehrlich gesagt nicht angemessen."
"Es gibt viele Gerüchte, das ist naturgemäß so bei einer so grundsätzlichen Frage. Wir, das Präsidium entscheiden weder über die Höhe noch über einen Rahmen. Das ist Aufgabe der Kommission. Und diese Kommission wird von der Mitgliederversammlung eingesetzt", so DOSB-Präsidiumsmitglied Holze.
Das heißt, zuerst geht es um die Frage: Bezahlung des Präsidiums, ja oder nein? Und dann um die Besetzung einer Kommission, die entscheidet, wer wieviel bekommt. Manche sehen hier die Gefahr einer Selbstbedienungs-Mentalität.

Der DFB als Negativ-Beispiel

Zudem könnte die Bezahlung eines an sich ehrenamtlichen Präsidiums gravierende Folgen haben, warnt Sportwissenschaftler Harald Lange von der Universität Würzburg. Er führt den Deutschen Fußball-Bund als Negativ-Beispiel an, der seinem Präsidenten allein für dessen DFB-Aufgaben eine Viertelmillion Euro bezahlen soll.  
Die Auswirkungen hat Lange in der Studie "Wo steht der DFB" gemeinsam mit der Uni Ansbach gezeigt: "Da haben wir die Frage gestellt, geht es der DFB Spitze primär um Macht und Geld. Und ich meine, da waren 93,1 Prozent, die dieser These zugestimmt haben. Und die Gegenthese der DFB-Spitze geht es primär um das Wohl des Amateur-Sports - der These konnten nur, ich meine 4,2 Prozent folgen und haben der zugestimmt."

Lange befürchtet Auswirkungen auf das Ehrenamt

Auch durch die Zahlung üppiger Aufwandsentschädigungen habe die DFB-Verbandsspitze den Bezug zur Basis vollkommen verloren, fasst Harald Lange zusammen. Für den Sportwissenschaftler ist der Antrag des DOSB-Präsidiums auf Aufwandsentschädigung zentral für die Zukunft des Ehrenamts: "Handhaben wir es künftig im Sinne eines Jobs, wie wir das jetzt aus dem klassischen Berufsleben her kennen? Oder handhaben wir es künftig nach wie vor nach dieser durchaus idealistisch, vielleicht sogar romantisch verklärten Vision des Solidaritätsgedankens, wo auch alle Menschen hinsichtlich des Aufwands gleich sind, nämlich dass wir Zeit einbringen und dafür eben explizit keine Vergütung erwarten."
Für Claudia Dietzmann ist Aufwandsentschädigung kein Thema. Die Unternehmerin engagiert sich als erste Vorsitzende eines Volleyball- und eines Tennisvereins in Olpe. Das Budget ihrer beiden Clubs ist so knapp, dass sie an ihre freiwillig Helfenden nicht mal die Ehrenamtspauschale von 840 Euro im Jahr zahlen kann.
Eine Neiddebatte an der Vereinsbasis befürchtet die Sportfunktionärin nicht, wenn das DOSB-Präsidium in Zukunft bezahlt werden sollte. Sie kann es einerseits nachvollziehen, neue Ehrenamtler mit finanziellen Anreizen gewinnen zu wollen: "Aber Ehrenamt macht man ja aus der Ehre heraus und nicht aufgrund des finanziellen Ausgleichs. Und wenn das Ehrenamt so ausfüllend ist, dass man dafür einen entgeltlichen Ausgleich schaffen muss für den Beruf, dann finde ich, kann man daraus auch direkt ein Angestelltenverhältnis schaffen und muss das nicht auf ehrenamtlicher Basis tun."

Scheinbar verschiedene Definitionen von Ehrenamt

Genau deswegen habe der DOSB 2014 die Satzung geändert, argumentiert Triathlon-Präsident Martin Egelhardt. Damals sei das Hauptamt besser bezahlt und gestärkt worden, um das ehrenamtliche Präsidium zu entlasten: "Wir haben gesagt, das ehrenamtliche Präsidium soll Aufsichtsratsfunktion übernehmen und eine Aufsichtsratsfunktion ist eigentlich mit einer Bezahlung von sechs oder achttausend Euro im Monat nicht gerechtfertigt aus meiner Sicht." Es scheint, als würde Ehrenamt an der Verbandsspitze anders definiert als an der Vereinsbasis.
Claudia Dietzmann rechnet ihren ehrenamtlichen Einsatz für ihre beiden Vereine nicht in Stunden auf. Wenn sie für ihren Tennisclub etwa die Finanzierung neuer Plätze organisiert, ist das ihre Motivation, erzählt sie, und natürlich ihren drei Kindern Vereinssport möglich zu machen, wie sie selbst ihn erlebt hat: "Weil ich da unwahrscheinlich tolle Erfahrungen gemacht habe. Und das, was ich im Ehrenamt gelernt habe, das ist auch unschätzbar. Das kann ich jetzt auch im Beruf sehr gut anwenden. Also gibt es ganz viele positive Dinge, die sich durch das Ehrenamt ergeben, was ich nie an eine Aufenthaltsentschädigung in irgendeiner Form angekoppelt habe. Das ist einfach ein Zurückgeben dessen, was man selber hatte damals."