Sonntag, 05. Mai 2024

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DOSB-Mitgliederversammlung
Wiederwahl für Präsident Weikert, Ja zu Olympia-Strategie

Nach der Wiederwahl als Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes startet Thomas Weikert mit selbst geschaffenen Herausforderungen in die nächste Amtszeit. Er bekam zudem den Auftrag für eine mögliche neue deutsche Olympia-Bewerbung.

Von Andrea Schültke | 04.12.2022
Thomas Weikert, wieder gewählter Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), aufgenommen im Kurhaus, nach der Mitgliederversammlung des DOSB.
Thomas Weikert ist für vier Jahre im Amt des DOSB-Präsidenten bestätigt worden. Zudem sprach sich die Mitgliederversammlung in Baden-Baden einstimmig für eine neue deutsche Olympia-Bewerbung aus. (dpa / picture alliance / Uli Deck)
„Wir habe wichtige Projekte vor der Brust, haben eben mit der Arbeit begonnen und setzen diese nächste Woche fort“, erklärte der alte und neue DOSB-Präsident Thomas Weikert nach der Mitgliederversammlung.
Energiekrise, Bewegung für alle nach dem Corona-Stillstand, Reform der Leistungssportreform, Schutz vor Gewalt und so weiter. Drängende Probleme, die das neu gewählte Präsidium bewältigen muss. Als wäre nicht das schon genug, soll jetzt auch noch eine mögliche Olympiabewerbung vorbereitet werden: "Gibt es Gegenstimmen? Die Beschlussvorlage ist einstimmig angenommen.“

Mögliche Olympiabewerbung soll auf den Weg gebracht werden

Mit großer Begeisterung sprachen sich alle Delegierten für einen Prozess aus, an dessen Ende 2024 ein Bürgervotum und dann die Entscheidung für eine erneute Olympiabewerbung stehen könnte. Ob für Sommer oder Winterspiele und wann ist noch offen.
Es soll nach vorne gehen, so die Botschaft. Die Jahre unter dem hoch umstrittenen Weikert-Vorgänger Alfons Hörmann sollen endgültig zu den Akten gelegt werden. Martin Engelhardt, Präsident der Deutschen Triathlon-Union und kritischer Geist sieht das anders. Als einziger der mehr als 300 Delegierten sagt er das auch öffentlich:
„Wenn wir einen neuen Aufbruch wollen, auch im Sinne der Demokratie, dann müssen wir uns mit dem beschäftigen, was in der Vergangenheit passiert ist.“
Martin Engelhardt, Präsident der Deutschen Triathlon-Union
Martin Engelhardt, Präsident der Deutschen Triathlon-Union, sparte bei der DOSB-Mitgliederversammlung nicht an Kritik. (dpa / picture alliance / Helge Prang)

Hörmann ging gegen Kritiker vor

Dazu hatte der DOSB eine Aufarbeitungs-Kommission eingesetzt. Die sah in ihrem Bericht von Mitte Oktober allerdings „kein strafrechtliches Fehlverhalten“ des damals verantwortlichen Präsidenten Hörmann. Obwohl dieser mehrere hunderttausend Euro an Verbandsgeldern ausgegeben hatte, um gegen Kritiker vorzugehen.
Martin Engelhardt ist einer davon, berichtet: „Dass Feindeslisten angelegt wurden. Da wurde Material gesammelt gegenüber Kritikern, um diese zu diskreditieren. Juristische Klagen gegenüber zahlreichen Einzelpersonen aus Verbänden, gegenüber Journalisten und so weiter. Der Bericht weist aus: 700.000 Euro musste der deutsche Sport für diese Fehlentwicklungen bezahlen.“
Für Beratungsagenturen, Kanzleien und IT-Firmen, die der Ex-Präsident gegen seine Kritiker ermitteln ließ. In der Jahresrechnung sind die einzelnen Posten aufgeschlüsselt. Sogar Sprachgutachten hat Ex-Präsident Alfons Hörmann in Auftrag gegeben: 8000 Euro um herauszufinden, wer den anonymen Brief geschrieben hat, der den Führungsstil des Präsidenten kritisiert und ihm das Verbreiten einer „Kultur der Angst“ vorgeworfen hatte.
Trotz aller Kritik haben die Delegierten bei einigen Enthaltungen auch diese Jahresrechnung verabschiedet.

Weikert erklärt Vergangenheitsbewältigung für beendet

Präsident Thomas Weikert dankte Martin Engelhardt für seine offenen Worte und erklärte dann die Vergangenheitsbewältigung für beendet: „Ich denke, die Aufklärungsarbeit ist vom jetzigen Präsidium in verantwortlicher und genügender Form gemacht worden. Ich kann schlicht nicht mehr tun.“
Das sieht Martin Engelhardt anders. Er bezieht sich auf das Versprechen des DOSB-Präsidenten, der den Delegierten der Mitgliederversammlung in seiner Eröffnungsrede einen Weg der Transparenz und Offenheit beschrieben hatte, den das Präsidium gehen will. Für Martin Engelhardt muss das auch für die weiteren anonymen Briefe gelten, die im Oktober 2022 aufgetaucht waren und auch unserer Redaktion vorliegen. Einer davon mit Vorwürfen gegen den aktuellen Präsidenten: „Ich wünsche mir mehr Transparenz, mehr Offenheit, auch mehr Stellungnahme zu dem, was in den anonymen Briefen letztendlich hier kursiert.“

"Aus meiner Sicht kann ich da nicht mehr machen"

Auch auf unsere direkte Anfrage an den Präsidenten, bezüglich der in dem Brief gegen ihn geäußerten Vorwürfe, hatte dieser nicht reagiert. Stattdessen hatte Weikert die Pressestelle antworten lassen mit dem Hinweis auf den Integritätscheck durch die DOSB-Ethikkommission. Wie alle Kandidatinnen und Kandidaten habe auch er diesen durchlaufen und bestanden. Auch auf Nachfragen dazu in der abschließenden Pressekonferenz reagierte Weikert entsprechend:
„Ich habe alle anonymen Briefe der Ethikkommission zur Überprüfung gegeben, dort die entsprechenden Stellungnahmen abgegeben. Das Gremium hat auch alle Checks durchgeführt, sowohl bei mir als auch bei den weiteren Präsidiumsmitgliedern, und hat gesagt, dass eben alles in Ordnung ist. Und da kann ich aus meiner Sicht ja mehr auch nicht machen. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich dann auch Dinge, die sich A im anonymen Bereich und dann B in der Privatsphäre abspielen, dass ich die dann nach auch nicht weiter kommentiere.“

Kritische Analyse von Olympiabewerbungen gefordert

Dieses Vorgehen entspricht für Martin Engelhardt nicht den versprochenen Werten von Transparenz, Offenheit, Ehrlichkeit. Deshalb hat er als einziger der Delegierten gegen die Wiederwahl von Thomas Weikert gestimmt.
Bei einer anderen Sache ist Engelhardt aber mit allen Delegierten einig: Er befürwortet den Strategieprozess für eine mögliche Olympiabewerbung. Stellt zugleich aber nach den zuletzt sechs erfolglosen Bewerbungen fest:
„Ich habe noch nie bis zum heutigen Tag eine kritische Analyse einer gescheiterten Olympiabewerbung Deutschlands gelesen. Das gehört dazu. Ins Hausaufgabenheft möchte ich das ganz gern aufgenommen wissen. Und ich denke, wir haben alle ein Anrecht darauf zu erfahren, dass man sich kritisch mit gescheiterten Olympiabewerbung auseinandersetzt, wenn man denn sich auf den Weg macht“.